Bundesverfassungsgericht zum Gentechnik-Gesetz

„Angemessener und ausgewogener Ausgleich der widerstreitenden Interessen“

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat die Klage des Landes Sachsen-Anhalt gegen das Gentechnik-Gesetz als unbegründet zurückgewiesen. Die Vorschriften zum Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen und zur Haftung seien mit dem Grundgesetz vereinbar.

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Bundesverfassungsgericht: Einschränkende Vorschriften beim Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen entsprechen dem Grundgesetz

Horst Rehberger

Horst Rehberger, ehemaliger Wirtschaftsminister in Sachsen-Anhalt hatte die Klage eingereicht. Er bedauert, dass das Gericht die bestehenden Regelungen bestätigt habe. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen in Deutschland seien „nicht mehr zeitgemäß“.
Foto: Thurmann

Die Klage des Landes Sachsen-Anhalt hatte sich vor allem gegen die besonderen Vorschriften gerichtet, die Landwirte beim Anbau von in der EU zugelassenen gentechnisch veränderter Pflanzen zu beachten haben. Diese stammen noch aus dem 2004 von der damaligen rotgrünen Bundesregierung durchgesetzten Gentechnik-Gesetz und blieben bei der nachfolgenden Novellierung durch die Große Koalition unverändert. Vor allem die Regelungen zur Haftung und zum öffentlichen Standortregister seien, so die Begründung der Klage, weder mit der grundgesetzlich garantierten Berufsfreiheit noch mit der Eigentumsgarantie und dem Gleichheitssatz vereinbar.

Mit der heute verkündeten Entscheidung wies das Bundesverfassungsgericht die Klage zurück und bestätigte die einschränkenden Vorschriften beim Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen. In ihrer Begründung verwiesen die Karlsruher Richter „auf die besondere Sorgfaltspflicht des Gesetzgebers angesichts des noch nicht endgültig geklärten Erkenntnisstandes der Wissenschaft bei der Beurteilung der langfristigen Folgen eines Einsatzes von Gentechnik“.

Der Gesetzgeber müsse nicht nur einen „Ausgleich schaffen“ zwischen der Nutzung der Gentechnik und dem Schutz vor möglichen Risiken, sondern auch den grundgesetzlichen Auftrag beachten, „in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen“. Es sei das erste Mal, schreibt Heribert Prantl in einem Kommentar für die Süddeutsche Zeitung, dass das Bundesverfassungsgericht unter ausdrücklicher Bezugnahme auf diesen 1994 neu in das Grundgesetz aufgenommenen Artikel ein Urteil gefällt habe.

Die Karlsruher Richter halten die einschränkenden Vorschriften zum Anbau von gv-Pflanzen „für geeignet und erforderlich“, um die gesetzlich vorgegebenen Zwecke zu erfüllen. Auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit sei gewahrt.

Gescheitert ist Sachsen-Anhalt auch damit, die öffentliche Zugänglichkeit des Standortregisters einzuschränken. Der Begründung, radikale Gentechnik-Gegner erhielten dort Informationen über die genauen Standorte von Feldern mit gv-Pflanzen, wollte das Bundesverfassungsgericht nicht folgen. Das Standortregister schaffe Transparenz und leiste damit einen „wichtigen Beitrag zum öffentlichen Meinungsbildungsprozess“. Mutwilligen Zerstörungen gentechnisch veränderter Kulturen müsse mit den Mitteln des Polizei- und Strafrechts begegnet werden.

Das Gericht bestätigte auch die aktuellen Haftungsvorschriften des Gentechnik-Gesetzes. Sie fügten sich in die Systematik des privaten Nachbarrechts ein und stellten „einen angemessenen und ausgewogenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen dar“. Wie bisher haftet auch künftig ein Landwirt, der gv-Pflanzen anbaut, für alle wirtschaftlichen Schäden, die durch GVO-Einkreuzungen in konventionellen Beständen entstehen. Diese Haftpflicht gilt auch dann, wenn der „GVO-Landwirt“ alle Vorschriften eingehalten hat und somit kein Verschulden an den Einkreuzungs-Schäden trägt. Ist kein einzelner Verursacher feststellbar, haften alle gv-Pflanzen anbauenden Landwirte einer Region gemeinschaftlich.

Derzeit kann in Deutschland nur die gv-Amflora-Kartoffel landwirtschaftlich genutzt werden. Die Zulassung für den Anbau von gv-Mais (MON810) wurde im April 2009 von Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) ausgesetzt. Seit 2008 gibt es zudem rechtlich verbindliche Vorschriften für eine Gute fachliche Praxis beim Anbau von gv-Pflanzen und insbesondere für gv-Mais. Danach ist zwischen Feldern mit gv- und konventionellem Mais ein Mindestabstand von 150 Metern einzuhalten, bei Öko-Mais sogar von 300 Metern.

Noch in diesem Jahr soll das Gentechnik-Gesetz erneut geändert werden. Insbesondere sollen die Bundesländer einen größeren Spielraum erhalten, eigene Regeln für den Anbau von gv-Pflanzen festlegen zu können. Ob das jedoch mit dem Karlsruher Urteil vereinbar ist, erscheint fraglich. Es bekräftigt, dass es Aufgabe des Bundes sei, für bundesweit einheitliche Vorschriften zu sorgen. Aigner hatte angekündigt, zunächst die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abwarten zu wollen, bevor sie einen konkreten Änderungsentwurf zum Gentechnik-Gesetz vorlegt.