Regierungen wollen keine Re-Nationalisierung von Anbauzulassungen

Gutachter fordern Nachbesserungen bei EU-Gentechnikgesetzgebung

Zwei Gutachten zur Gentechnikgesetzgebung in der EU bestärken Verbraucherschutzkommissar John Dalli in seinem Kurs, den Mitgliedsländern mehr Kompetenzen bei der Entscheidung über den Anbau von gv-Pflanzen zuzugestehen. Die Regierungen der Mitgliedsländer lehnen dies jedoch mehrheitlich ab.

John Dalli

Die Gutachten bestätigen, so John Dalli, EU-Kommissar für Gesundheit und Verbraucherschutz, dass nicht Konzeption und Zielsetzungen der GVO-Vorschriften das Problem seien, sondern die Art und Weise wie diese Themen auf politischer Ebene behandelt werden.
Foto: EU-Kommission

Am 28. Oktober stellte John Dalli, EU-Kommissar für Gesundheit und Verbraucherschutz, die Ergebnisse zweier externer Gutachten vor, die die EU-Kommission vor längerer Zeit in Auftrag gegeben hatte. Eines befasste sich mit der Anbauzulassung für gv-Pflanzen, das andere mit der Zulassung und Kennzeichnung von Lebens- und Futtermitteln aus GVO. Anfang 2011 waren beide Gutachten fertig und wurden von der Kommission einer „internen strategischen Bewertung“ unterzogen.

Für die Gutachten wurden zahlreiche Vertreter aus Biotechnologiefirmen, Agrarverbänden, Handelsverbänden, Forschungseinrichtungen und Umweltverbänden befragt. Die Befragungen ergaben auf allen Seiten Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Situation, was etwa die Zulassung von GVO für den Anbau betrifft. Hier gibt es seit Jahren eine Blockadesituation: Die Kommission schlägt regelmäßig auf Grundlage der wissenschaftlichen Sicherheitsbewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) die Zulassung vor, im Ministerrat kommt anschließend keine qualifizierte Mehrheit dafür oder dagegen zustande.

Die Gutachten kamen zu dem Ergebnis, dass die GVO-Gesetzgebung in der EU nicht grundlegend verändert werden müsse, mahnten jedoch Verbesserungen an. Aktuelle Schwierigkeiten bei der Umsetzung würden dadurch verursacht, dass Vertreter der Mitgliedsstaaten vielfach Zweifel an der wissenschaftlichen Sicherheitsbewertung anführen, tatsächlich aber politische Ziele verfolgen würden. Um diesen Konflikt zu entschärfen, schlagen die Gutachter vor, den Mitgliedsländern bei der Entscheidung über den Anbau von GVO einen größeren Entscheidungsspielraum zuzugestehen. Außerdem müsse die Zulassung für die Einfuhr von Lebens- und Futtermitteln aus GVO beschleunigt werden, da weltweit immer mehr gv-Pflanzen angebaut würden. Darüberhinaus müssten einheitliche Regeln zur Umweltbeobachtung von gv-Pflanzen formuliert werden.

John Dalli sagte, die Berichte zeigten, dass die EU-Kommission „auf dem richtigen Weg“ sei. So werde sie in Kürze die Anforderungen an die Zulassungen für Importe von GVO-Lebens- und Futtermitteln „präzisieren“. Dann könnten die Verfahren deutlich beschleunigt werden und würden nicht mehr länger dauern als international üblich.

Dalli nutzte die Gelegenheit, um erneut den Reformvorschlag der Kommission zur Anbauzulassung von GVO in den Mittelpunkt zu rücken. Dieser sieht vor, dass die Sicherheitsbewertung von gv-Pflanzen weiterhin zentral durch die EFSA auf Basis wissenschaftlicher Kriterien erfolgt, die Mitgliedsstaaten aber die Möglichkeit haben sollen, den Anbau zugelassener Pflanzen beispielsweise aus sozioökonomischen oder ethischen Gründen zu verbieten. Ladislav Miko, Generaldirektor für Gesundheit und Verbraucherschutz, wiederholte Dallis bereits Mitte Oktober geäußerte Befürchtung, dass der Reformvorschlag am Widerstand der Regierungen scheitern werde und dass die Mitgliedsstaaten offenbar keine politische Verantwortung übernehmen wollten. Die Regierungen sind mehrheitlich der Ansicht, dass die rechtliche Grundlage für nationale Anbauverbote nicht tragfähig ist, um etwa eventuelle Handelsstreits vor der Welthandelsorganisation durchzustehen. Das europäische Parlament, das ein Mitentscheidungsrecht hat, stimmte hingegen im Juli 2011 dafür, die Mitgliedsländer über den Anbau von GVO entscheiden zu lassen. Nach einem Bericht des Nachrichtendienstes von Dow Jones sind jedoch vorerst keine weiteren Beratungen im Ministerrat geplant.