Diskussion um MON863-Mais

„Statistisch signifikante Unterschiede treten in praktisch allen Fütterungsstudien auf“

Im März 2007 geriet der insektenresistente Bt-Mais MON863, der seit Januar 2006 in der EU als Lebens-und Futtermittel zugelassen ist, erneut in die Diskussion. Der französische Wissenschaftler Gilles-Eric Séralini hatte eine nochmalige Auswertung der von der Firma Monsanto im Zulassungsverfahren vorgelegten Fütterungsstudie an Ratten veröffentlicht und erneut Zweifel an der gesundheitlichen Unbedenklichkeit von MON863 geäußert. bioSicherheit befragte dazu Marianna Schauzu vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR).

Die Wissenschaftler um Séralini bewerteten die beobachteten statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den mit MON863 gefütterten Tieren und den Kontroll-Tieren als toxische Effekte und kamen zu dem Schluss, dass MON863 nicht als sicher eingestuft werden könne. Die Europäische Kommission bat daraufhin die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA um Stellungnahme und diese konsultierte die Mitgliedsstaaten.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das an der Sicherheitsbewertung gentechnisch veränderter Lebens- und Futtermittel beteiligt ist, kommt in seiner Stellungnahme zu dem Schluss, dass die erneute statistische Analyse die Ergebnisse der früheren Bewertungen von Mon863-Mais nicht in Frage stellt. Es betrachtet die aus diesem Mais hergestellten Lebens- und Futtermittel nach wie vor als ebenso sicher wie konventionelle Maisprodukte.

Dr. Marianna Schauzu vom Bundesinstitut für Risikobewertung

bioSicherheit: In der Fütterungsstudie, die mit den Antragsunterlagen für die Zulassung von MON863 vorgelegt wurde, waren statistisch signifikante Abweichungen in Blut und Urin der Versuchstiere bei Fütterung mit gv- Mais im Vergleich mit konventionellem Mais festgestellt worden. Im Gegensatz zu Séralini stufen Sie in ihrer Stellungnahme die Unterschiede als toxikologisch nicht relevant ein, sie lägen vielmehr im Bereich „natürlicher Schwankungsbreiten“. Wie kann es sein, dass in der Bewertung der gleichen Daten solche Unterschiede auftreten?

Marianna Schauzu: Eine 90-tägige Fütterungsstudie gilt als ausreichend sensitiv, um mögliche schädliche Wirkungen aufzudecken, die durch neu eingebrachte Substanzen sowie relevante Änderungen der natürlichen Inhaltsstoffe des Lebens- oder Futtermittels herbeigeführt werden könnten.

Wird ein statistisch signifikanter Unterschied zwischen Test- und Kontrolltieren festgestellt, bedeutet dies nicht unbedingt, dass es sich um einen bedeutenden Effekt handelt, wie die Übersetzung aus dem Englischen vermuten ließe. Statistisch signifikante Unterschiede in einzelnen Parametern treten in praktisch allen Fütterungsstudien auf und müssen grundsätzlich auf ihre toxikologische Relevanz geprüft werden. Im vorliegenden Fall hat diese Überprüfung keinen Hinweis auf ein mögliches Risiko für Verbraucher ergeben.

bioSicherheit: Wann sind Abweichungen aus Ihrer Sicht als toxikologisch relevant anzusehen?

Marianna Schauzu: Sowohl in der von Séralini et al. als auch in der von der Firma Monsanto vorgenommenen statistischen Auswertung der Fütterungsstudie wurden signifikante Unterschiede bei einzelnen Prüfparametern festgestellt. Diese waren meist gering. Die Werte lagen im Rahmen der historischen Kontrolldaten, die in früheren Studien mit Ratten desselben Stammes gewonnen wurden. Darüber hinaus führte die Fütterung mit MON863-Mais bei einzelnen Laborparametern zu gegensätzlichen Effekten bei männlichen und weiblichen Ratten, was nicht für einen durch den Testmais verursachten Effekt spricht. Vor allem folgten die Veränderungen aber keinem konsistenten Muster: Die Unterschiede zeigten keine Dosis-Abhängigkeit und/oder sie wurden nicht durch Unterschiede bei anderen Parametern, die auf einen Effekt im selben Organ hindeuten könnten, untermauert. Auch in den mikroskopischen Untersuchungen der Organe und Gewebe wurden keine Effekte beobachtet, die auf eine toxikologische Relevanz der statistisch signifikanten Unterschiede bei den Laborparametern schließen lassen.

bioSicherheit: Sie sagen in ihrer Stellungnahme, dass vom Antragsteller Monsanto auch weitere Daten von zusätzlichen Kontrollgruppen, die kommerzielle Maissorten erhalten hatten, sowie historische Kontrolldaten aus früheren Studien mit Ratten desselben Stammes in die Bewertung einbezogen wurden. Ein Vergleich mit diesen Daten sei für die Überprüfung der toxikologischen Relevanz notwendig. Welche Daten sind erforderlich für eine Bewertung?

Marianna Schauzu: Grundsätzlich sollte eine 90-tägige Fütterungsstudie an Nagern gemäß den international akzeptierten Empfehlungen, z.B. nach der entsprechenden OECD-Richtlinie, durchgeführt werden. Das Studiendesign und der Ablauf der durchzuführenden Prüfungen sind darin detailliert beschrieben. Zeigen sich statistisch signifikante Unterschiede zwischen den Test- und Kontrollgruppen, sind diese auf ihre toxikologische Relevanz zu prüfen. Neben den bereits genannten Aspekten der Dosisabhängigkeit eines Effekts sowie der notwendigen Abklärung möglicher Änderungen bei anderen organspezifischen Parametern ist dabei von Bedeutung, ob die Werte innerhalb der natürlichen Schwankungsbreiten liegen. Dazu werden üblicherweise die Werte mit den historischen Kontrolldaten für Ratten desselben Stammes verglichen. Bei Studien mit Erzeugnissen aus gentechnisch veränderten Pflanzen können Daten für zusätzliche Testgruppen, die mit den entsprechenden konventionellen Produkten gefüttert wurden, weitere relevante Informationen liefern.

Hinzu kommt, dass die 90-tägige Fütterungsstudie an Ratten nur ein Element des umfangreichen Untersuchungsprogramms ist, das gefordert wird, um die Frage zu beantworten, ob gentechnisch veränderte pflanzliche Produkte genauso sicher sind wie vergleichbare konventionelle Erzeugnisse. Im Rahmen dieses Untersuchungsprogramms werden z.B. die erzielten Veränderungen auf DNA- und Proteinebene analysiert. Neu gebildete Proteine werden auf ihr toxisches und allergenes Potenzial untersucht. Die gentechnisch veränderten Pflanzen werden in mehrjährigen Feldversuchen an verschiedenen Standorten mit der Ausgangslinie und mit konventionellen Sorten im Hinblick auf Veränderungen der agronomischen Eigenschaften verglichen. Relevante Inhaltsstoffe wie Proteine, Fette, Kohlenhydrate, Mineralstoffe, Vitamine und Mineralien sowie weitere für die jeweilige Pflanze charakteristische Stoffwechselprodukte wie Allergene und Toxine werden einer vergleichenden Analyse unterzogen, um festzustellen, ob die genetische Modifikation unbeabsichtigte Veränderungen verursacht hat. Wenn das der Fall ist, muss die gesundheitliche Relevanz der Unterschiede bewertet und ggf. müssen Fütterungsstudien durchgeführt werden. Im Fall von MON863-Mais gab es keine Hinweise auf unbeabsichtigte Veränderungen. Dennoch wurde eine 90-tägige Fütterungsstudie durchgeführt.

bioSicherheit: Anforderungen an Fütterungsstudien sind z.B. in OECD-Richtlinien festgelegt. Sie haben ja langjährige Erfahrungen mit der Bewertung von derartigen Studien. Fließen ihre Erfahrungen sowie die anderer Behörden in die Anforderungen mit ein? Sind diese Anforderungen ausreichend?

Marianna Schauzu: Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist eine der deutschen Behörden, die an der Sicherheitsbewertung gentechnisch veränderter Lebens- und Futtermittel im Rahmen der Zulassungsverfahren beteiligt sind. Die Ergebnisse unserer Bewertung fließen in die Stellungnahme ein, die vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) als federführender Behörde an die für die Sicherheitsbewertung zuständige EFSA übermittelt werden. Das BfR beteiligt sich auch an der Erarbeitung und Weiterentwicklung von Leitlinien zur Sicherheitsbewertung gentechnisch veränderter Organismen. Die derzeit geltenden Leitlinien erachtet das BfR als angemessen und ausreichend für die Sicherheitsbewertung gentechnisch veränderter Lebens- und Futtermittel.