Novellierung Gentechnik-Recht

150 und 300 Meter Mindestabstand für gv-Mais

(08.08.07) Nach monatelangen Verhandlungen hat sich Landwirtschaftsminister Horst Seehofer mit seinen Koalitionspartnern aus CDU und SPD auf neue Regeln für den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen geeinigt. Das Kabinett hat den Änderungen beim Gentechnikrecht heute zugestimmt. Wie Seehofer bereits Ende Juli der Presse mitteilte, müssen Anbauflächen von gv-Mais und konventionellem Mais künftig mindestens 150 Meter voneinander entfernt liegen. Bei ökologischem Maisanbau in der Nachbarschaft soll ein doppelt so hoher Mindestabstand gelten. Weitere umstrittene Punkte wie die Haftungsregelungen und das öffentliche Standortregister bleiben weitgehend unangetastet. Erleichterungen für die "ohne Gentechnik"-Kennzeichnung von Lebensmitteln sollen folgen.

„Die einvernehmliche Zustimmung des gesamten Kabinetts ist ein Ja zu mehr Klarheit und Sicherheit bei der Gentechnik in Deutschland“ so Bundeslandwirtschafts-minister Horst Seehofer, der sein Gesetzespaket nach der Sommerpause Bundestag und Bundesrat vorlegen will.

Kernstück des Gesetzespaketes ist der Entwurf für eine Verordnung zur Guten Fachlichen Praxis beim Anbau von gv-Pflanzen. Die darin formulierten Anbauvorschriften sollen gewährleisten, dass Vermischungen zwischen gentechnisch veränderten und konventionellen oder ökologischen Ackerkulturen weitgehend verhindert werden. Spezielle Vorschriften für den Maisanbau finden sich in einem Anhang zur Verordnung, entsprechende Anbauvorschriften für Kartoffeln sollen laut Seehofer im Herbst folgen.

Abstände und sorgfältiges Arbeiten sollen Vermischungen verhindern

Uneins waren die Koalitionspartner CDU, CSU und SPD vor allem bei den Abstandsvorgaben, die von gv-Mais anbauenden Landwirten eingehalten werden müssen. Geeinigt hat man sich auf zwei verschiedene Abstandswerte: 150 Meter Mindestdistanz zu Ackerflächen mit konventionellem Mais und 300 Meter zu ökologischem Maisanbau.

Erklärt sich ein benachbarter Mais anbauender Landwirt damit einverstanden, kann der Mindestabstand auch verringert werden oder entfallen. Auch bei behördlichen Anbauversuchen kann der Mindestabstand unterschritten werden. Voraussetzung ist, dass vor der Blüte die männlichen Blütenstände (Fahnen) entfernt oder eingetütet werden, damit keine Pollen entweichen können.

Neben den Abstandsregeln werden Landwirte, die gv-Pflanzen anbauen, noch weitere Vorschriften beachten müssen:

  • Informationspflicht: ein Landwirt, der plant, gentechnisch verändertes Saatgut auszubringen, muss Nachbarbetriebe im Abstand von 300 Metern zum dafür vorgesehenen Feld über seine Anbauplanung informieren. Der Nachbar hat dann einen Monat Zeit zu antworten und seine eigenen Anbaupläne mitzuteilen.
  • Sorgfaltsmaßnahmen: Bei Aussaat, Lagerung und Transport muss der Landwirt darauf achten, dass gv-Saat- und Erntegut nicht mit konventioneller Ware vermischt werden. Dazu muss er beispielsweise geschlossene Behältnisse verwenden und die verwendeten Geräte sorgfältig reinigen, bevor sie wieder bei konventionellem Saat- bzw. Erntegut zum Einsatz kommen.
  • Durchwuchskontrolle: der gv-Pflanzen anbauende Landwirt muss nach der Ernte und in der folgenden Anbausaison kontrollieren, dass auf einem GVO-Feld, das im Folgejahr mit konventionellen Pflanzen bestellt wird, keine Saatreste neu auskeimen.
  • Aufzeichnungen: Landwirte müssen über den Anbau von gv-Pflanzen und die pflanzenbaulichen Maßnahmen Aufzeichnungen führen.
  • Fruchtfolge: Ein gv-Maisfeld darf frühestens zwei Jahre nach der gv-Mais-Ernte wieder mit konventionellem Mais bestellt werden.

Haftung und Standortregister unverändert

Mit dem Koalitionsvertrag hatte die aktuelle Bundesregierung angekündigt, auch das Gentechnikgesetz zu überarbeiten und einige der darin enthaltenen restriktiven Bestimmungen für die Nutzung gentechnisch veränderter Pflanzen abzumildern. Doch hier hat sich nicht viel getan. Vor allem an den umstrittenen Haftungsbestimmungen beim Anbau von gv-Pflanzen hat sich nichts geändert. Landwirte, die gv-Pflanzen anbauen, haften auch weiterhin gesamtschuldnerisch für Einkommenseinbußen konventionell wirtschaftender Nachbarn, auch wenn dem Einzelnen keine Schuld für GVO-Einträge nachgewiesen werden kann.

Unklar bleibt, wie der Haftungsfall im Detail definiert ist. Wirtschaftsverbände hatten von der Bundesregierung gefordert, den GVO-Kennzeichnungsschwellenwert von 0,9 Prozent eindeutig als Richtschnur für die Haftung festzulegen. Demgegenüber plädieren Umweltverbände dafür, einen Ausgleichsanspruch auch für geringere Vermischungen mit Material von gv-Pflanzen zu ermöglichen. Laut Minister Seehofer hatte jedoch eine Expertenanhörung ergeben, dass eine Änderung des Haftungsrechts weder sinnvoll noch praktikabel wäre.

Im öffentlichen Register für GVO-Anbauflächen sollen nach wie vor flurstücksgenaue Angaben zu den Flächen über das Internet einsehbar sein. Kritiker dieser Regelung hatten darauf hingewiesen, dass es für potenzielle Feldzerstörer zu einfach sei, Felder mit gv-Pflanzen im Standortregister zu identifizieren.

Erleichterung für Versuchsanbau

Neu ist dagegen eine Regelung, die vor allem die Freilandforschung betrifft: Wenn Material aus Freilandversuchen mit gv-Planzen in herkömmliche Ernten gerät, so soll diese in Zukunft nicht mehr unverkäuflich sein. Es ist aber sicherzustellen, dass die betroffenen Ernteprodukte nicht in Futter- oder Lebensmittel geraten. Eine Verwertung in Biogasanlagen wäre beispielsweise möglich.

Beratungen und Ergänzungen nach der Sommerpause

Das Kabinett hat dem Gesetzespaket am 8. August zugestimmt. Nach der Sommerpause können die Beratungen in Bundestag und Bundesrat beginnen.

Im Herbst will Landwirtschaftsminister Seehofer zudem eine Verordnung einbringen, die es vor allem Herstellern von tierischen Lebensmitteln wie Fleisch und Milch leichter machen soll, ihre Erzeugnisse mit der Kennzeichnung „ohne Gentechnik“ anzubieten. Die Kriterien hierfür sollen an die Formulierungen der neuen EU-Ökoverordnung angeglichen werden.