Berlin: Koalitionsfraktionen einigen sich

Strengere Koexistenz-Regeln, laschere Vorschriften bei der „ohne Gentechnik“-Kennzeichnung

Der Weg für das neue Gentechnik-Gesetz scheint frei: In einer weiteren Verhandlungsrunde haben Vertreter von Union und SPD noch bestehende Streitpunkte beigelegt. Die Vorschriften zur Sicherung der Koexistenz des Anbaus von gentechnisch verändertem und konventionellem Mais sind noch einmal verschärft worden. Auch bei der "ohne Gentechnik"-Kennzeichnung von Lebensmitteln hat man sich geeinigt.

Peter Bleser, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: „Erfreulich ist, dass die Landwirte in Deutschland zur neuen Aussaat endlich auf klare Regeln zum Umgang mit gentechnisch veränderten Pflanzen zurückgreifen können.“

Ulrich Kelber, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD: „Mit der jetzt gefundenen Regelung werden die Märkte für gentechnikfreie Produkte gesichert und die Wahlfreiheit für Verbraucherinnen und Verbraucher auch auf Dauer erhalten.“

Wie in dem im August vom Bundeskabinett angenommen Gesetzentwurf vorgesehen, bleibt es bei einem Sicherheitsabstand von 150 Metern zwischen Feldern mit gv- und konventionellem Mais. Bei Öko-Mais beträgt dieser Abstand sogar 300 Meter. In zahlreichen Feldversuchen hat sich gezeigt, dass bei diesen Abständen mögliche Einträge von gv-Mais in konventionelle Nachbarfelder sehr gering sind und weit unterhalb des Schwellenwerts von 0,9 Prozent liegen. Bis zu diesem Anteil sind nach EU-Recht zufällige GVO-Einträge ohne Kennzeichnung erlaubt.

Grundsätzlich sollen benachbarte Landwirte sich auf geringere Abstandsflächen zwischen Feldern mit gv- und konventionellem Mais verständigen können als die vorgeschriebenen 150 bzw. 300 Meter. Nun haben die Koalitionsfraktionen Vorschriften für die genauen Modalitäten ausgehandelt, die künftig für solche Absprachen gelten sollen. So muss etwa der gv-Mais anbauende Landwirt seinen Nachbarn förmlich über alle möglichen Rechtsfolgen informieren. Die Absprache muss in das Standortregister eingetragen werden. Außerdem soll die Ernte des konventionell wirtschaftenden Betriebs aus der 150 Meter-Zone auch bei minimalen GVO-Einträgen gekennzeichnet werden, da diese nicht mehr als „zufällig und technisch unvermeidbar“ angesehen werden.

„Ohne Gentechnik“: Gentechnisch hergestellte Futterzusätze sind erlaubt

Ausgeräumt wurde noch ein weiterer Streitpunkt - die Kennzeichnung von Lebensmitteln, die „ohne Gentechnik“ erzeugt werden.

Nachdem sich Vertreter von CDU/CSU und SPD am Sonntag Abend auf einen Kompromiss geeinigt hatten, wurde die Öffentlichkeit zunächst nur lückenhaft und widersprüchlich informiert. Selbst in der offiziellen Pressemitteilung der Bundesregierung über die „Kennzeichnung gentechnikfreier Lebensmittel“ wurden die Kriterien nicht klar benannt, die solche Produkte erfüllen müssen.

Inzwischen hat Landwirtschaftsminister Seehofer dem Bundestag einen Beschlussvorschlag vorgelegt. Danach darf bei tierischen Lebensmitteln wie Milch, Fleisch und Eiern bereits dann mit einem „ohne Gentechnik“-Etikett geworben werden, wenn das Futter keine gentechnisch veränderten Pflanzen wie Soja oder Mais enthält. Futtermittelzusätze dürfen auch dann verwendet werden, wenn sie mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen hergestellt wurden. Solche Zusätze - vor allem Aminosäuren, Enzyme oder Vitamine - sind in vielen Futtermischungen enthalten. In der Begründung des Ministerium heißt es, solche gentechnisch hergestellten Zusätze sollten „im Sinne einer ausgewogenen Tierernährung“ verwendet werden dürfen. Solche Fermentationsprodukte „werden unter den kontrollierten Bedingungen des geschlossenen Systems umwelt- und ressourcenschonend hergestellt.“

Bei Lebensmitteln dürfen solche Zusatzstoffe jedoch nicht verwendet werden. Hier schließt das „ohne Gentechnik“-Etikett gentechnisch hergestellte Zusatzstoffe, Enzyme oder Aromen grundsätzlich aus, wenn sie mit gv-Mikroorganismen hergestellt wurden. Ausnahmen sind nur bei solchen gentechnisch hergestellten Zusatz- und Hilfsstoffen möglich, die nach der EU-Ökoverordnung zugelassen sind und bei denen keine „gentechnikfreien“ Alternativen verfügbar sind. Bisher gibt es jedoch solche Zusatzstoffe nicht, die trotz gentechnischer Herstellung mit dem „ohne Gentechnik“-Etikett vereinbar wären.

Umwelt- und Verbraucherverbände begrüßten die geplante „ohne Gentechnik“-Kennzeichnung. Die Verbraucher erhielten „endlich eine Wahlfreiheit für oder gegen den Einsatz gentechnisch veränderter Futtermittel“, so der Verbraucherzentrale Bundesverband. Kritik kam dagegen aus der Lebens- und Futtermittelwirtschaft. Es sei „Verbrauchertäuschung“, wenn sich die Verbraucher nicht sicher sein könnten, dass Produkte, die mit dem Hinweis „ohne Gentechnik“ angeboten werden, tatsächlich ohne gentechnisch hergestellten Stoffe erzeugt wurden, so der BLL, Dachverband der Lebensmittelwirtschaft. Es sei dem Verbraucher nicht vermittelbar, wenn der „bewusste und zielgerichtete Einsatz gentechnischer Verfahren“ ausgerechnet bei jenen Lebensmitteln erlaubt sei, die mit dem „ohne-Gentechnik“-Etikett werben.

Die Änderungen beim Gentechnik-Gesetz und dem EG-Gentechnik-Durchführungsgesetz - dort wird die Kennzeichnung „ohne Gentechnik“ geregelt - soll zusammen mit der Verordnung für eine Gute Fachliche Praxis im Lauf der kommenden Anbausaison in Kraft treten. Ende Januar ist die abschließende Abstimmung im Bundestag geplant. Im Februar könnte dann der Bundesrat das Gesetz endgültig auf den Weg bringen.