Studentische Initiative für unabhängige Forschung

„Der Versuchsanbau war Wissenschaft zum Anfassen“

Anfang April haben Gentechnik-Gegner ein Versuchsfeld der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen (HfWU) besetzt. Die Hochschulleitung beugte sich dem Druck der Protestgruppen und kündigte an, für die kommenden fünf Jahre sämtliche Versuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen einzustellen. Die meisten Studierenden der Agrarwirtschaft können diesen Schritt nicht nachvollziehen. In einem offenen Brief fordern sie die Hochschulleitung dazu auf, die Forschung im Bereich der Gentechnik wieder aufzunehmen. BioSicherheit sprach mit Kathrin Mendler, Studentin der Agrarwirtschaft im 8. Semester und Sprecherin der studentischen Initiative.

Auf dem Versuchsfeld sollte untersucht werden, ob gentechnisch veränderter Bt-Mais weniger mit Pilzgiften belastet ist. Die Feldbesetzung ist kein Einzelfall: Gentechnisch veränderte Pflanzen werden an der HfWU bereits seit 1996 untersucht. Seither mussten sich die Agrarwissenschaftler fast jedes Jahr mit einer teilweisen Zerstörung ihrer Forschungsprojekte arrangieren.

Kathrin Mendler, Studentin der Agrarwirtschaft im 8. Semester und Sprecherin der studentischen Initiative

Stellungnahmen von Studierenden der Agrarwirtschaft:

Jan-Bernd Krieger, 7. Semester: „Dass sich ein Konzern finanziell am Forschungsprojekt der Hochschule beteiligt, heißt noch lange nicht, dass nicht objektiv geforscht wird. Wer als Zuhörer bei der Podiumsdiskussion über die Gentechnik teilgenommen hat, konnte sich auch hiervon überzeugen. Die einzigen, die nicht sachlich geblieben sind, waren die Gentechnik-Gegner. Und solche Personen, die durch rechtlich sehr fragwürdige Aktionen Forschungen behindern oder auch zerstören, werden durch den Abbruch der Versuche nur weiter gestärkt.“

Thomas Stehle, 8. Semester: „Im Bereich der Gentechnik, besonders bei der grünen Gentechnik, gibt es noch viele offene Fragen und Risiken. Obwohl ich persönlich gentechnisch veränderte Produkte meide, muss ich feststellen, dass die Produktion weltweit rasant zunimmt. Ich befürchte, dass die Gewinnerwartungen der Firmen einen Einfluss auf die von ihnen veröffentlichten Forschungsergebnisse haben. Deshalb möchte ich eine von den Firmen unabhängige Forschung, die meiner Meinung nach nur von Hochschulen und Universitäten beziehungsweise der öffentlichen Hand geleistet werden kann.“

Felix Grebhardt, 8. Semester: „Freiheit von Forschung und Lehre sind für mich unantastbare Grundrechte, die es in unserem Staat zu schützen gilt. Wenn diese Rechte mit Füßen getreten werden, dann sollte man sich dagegen zur Wehr setzen. Die Gentechnik kann, muss aber nicht, zur Schlüsseltechnologie im 21. Jahrhundert avancieren. Hier gilt es für Deutschland im Bereich der Forschung den Anschluss zur Spitze zu halten, um auch in Zukunft im globalen Wettbewerb bestehen zu können.“

Beate Roser, 8. Semester: „Es kann und darf nicht sein, dass an einer Hochschule die Forschung gestoppt wird, nur weil diese umstritten ist. Forschung ist immer ein Gebiet der Kontroversen und nur auf diesem Wege ist Fortschritt möglich. An Hochschulen kann dies auf unabhängige Weise geschehen. Gerade beim Thema Gentechnik ist die unabhängige Forschung wichtig. Wobei ich persönlich dieser Forschung nur zustimmen kann, wenn sie unter strengsten Sicherheitsbestimmungen, vor allem im Freiland, durchgeführt wird.“

Andreas Seeger, 8. Semester: „Ich finde das Besetzen des Feldes war eine unüberlegte und strafbare Aktion. Wenn nicht an einer Hochschule unabhängige Forschung betrieben wird, wo dann? Durch solche Aktionen wird bezweckt, dass nur noch große Gentechnik-Konzerne Forschung betreiben.“

bioSicherheit: Anfang April haben Gentechnik-Gegner ein Versuchsfeld der HfWU besetzt und für wissenschaftliche Freisetzungsexperimente weitgehend unbrauchbar gemacht. Was halten Sie von dieser Form des Protestes?

Kathrin Mendler: Schon die Jahre zuvor sind die Felder zerstört worden, indem der Mais nach der Aussaat niedergetrampelt und ausgerissen wurde. Es ist wichtig, dass Menschen ihre Meinung frei äußern, doch auf diese Art und Weise finde ich es absolut nicht in Ordnung. Man kann doch seinen Willen nicht durch die Beschädigung fremden Eigentums versuchen durchzubringen. Es ärgert mich, dass man so mit dem Eigentum anderer umgeht, um dann zu behaupten, es sei alles rechtens. Die Forschung wird durch die Zerstörung der Versuche eingeschränkt und hinterher beschweren sich genau diese Leute, dass dieser Themenbereich nicht ausreichend erforscht ist.

bioSicherheit: Die Feldbesetzer sehen in ihren Handlungen ein legitimes demokratisches Mittel, für ihre Überzeugung einzustehen. Sie sprechen von „friedlichem Protest“.

Kathrin Mendler: Für mich ist „friedlich“ etwas anderes als Äcker und Pflanzen zu zerstören. Sicher war es friedlich. Sie haben niemanden verletzt. Aber ich finde, fremdes Eigentum zu besetzen und zu zerstören, hat nichts mit Demokratie zu tun. Uns Studenten hat auch die Art und Weise, wie die Besetzer mit dem Acker umgegangen sind, sehr gestört. Vielleicht haben Sie die Bilder im Internet gesehen. Da wurden Gräben um den Turm herum ausgehoben, um eine Fahrrad-Ralley-Strecke zu errichten. Der Boden ist durch Trittbelastungen und die Fahrzeuge stark verdichtet. Das sorgt immer noch für Unmut unter den Studenten.

bioSicherheit: Die HfWU hat dem Druck der Protestgruppen nachgegeben und das Forschungsprojekt eingestellt, um einen „Imageschaden“ abzuwenden. Können Sie die Haltung der Hochschulleitung nachvollziehen?

Kathrin Mendler: Meine persönliche Meinung ist, dass der Abbruch des Forschungsprojektes dem Image viel mehr geschadet hat. Die Bevölkerung und eigentlich auch die Studenten haben von den internen Diskussionen zu diesem Thema nie etwas mitbekommen. In der Öffentlichkeit sieht man jetzt nur, dass die Versuche innerhalb kürzester Zeit abgebrochen wurden, nur weil es ein bisschen Widerstand gab. Und dieser Widerstand in Form der Feldbesetzung kam weder von unseren Studenten noch von Menschen aus der Gegend, sondern aus ganz Deutschland. Ich denke, und das hört man auch von anderen Studenten, dass der Stopp der Forschung unter diesen Umständen nicht gerade von Standhaftigkeit zeugt. Auf der anderen Seite kann ich die Hochschulleitung auch verstehen. Es ist jedes Jahr das Gleiche. Der Druck der Protestgruppen war diesmal besonders hoch. Trotz allem hätte man die Versuche nicht stoppen dürfen.

bioSicherheit: Sie haben gemeinsam mit anderen Studenten einen offenen Brief an die Hochschulleitung verfasst. Was war Inhalt des Briefes?

Kathrin Mendler: Wir wollten darauf aufmerksam machen, dass wir nicht damit einverstanden sind, dass aufgrund des Drucks durch die Feldbesetzer und Teile der Öffentlichkeit die Forschung eingestellt wird. Wir sind überzeugt, dass die Hochschulen eine der wenigen Institutionen sind, die im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften unvoreingenommen forschen können. Obwohl wir nur sehr wenig Zeit hatten und sicher noch mehr unterschrieben hätten, haben trotzdem von etwa 240 Agrarwirtschaftsstudenten 160 unterschrieben. Auch jetzt, knapp zwei Wochen nach unserer Briefübergabe an die Hochschule, ist das Ganze noch ein Hauptthema unter den Studenten. Ich denke, das macht die enorme Wichtigkeit deutlich.

bioSicherheit: An der HfWU dürfen künftig keine Freisetzungsexperimente mit gv-Pflanzen mehr durchgeführt werden. Was bedeutet das in der Praxis für Sie als angehende Agrarwissenschaftlerin?

Kathrin Mendler: Der Versuchsanbau in Oberboihingen war Wissenschaft zum Anfassen. Wir haben dort mit Professor Dr. Schier Übungen gemacht und konnten sehen, wie konventionelle Pflanzen aufgrund der Beschädigungen durch die Larve des Maiszünslers mit Pilzen befallen waren. Auf der anderen Seite waren die gentechnisch veränderten Pflanzen, die keinerlei Zünslerbefall hatten. Diese Pflanzen waren sichtlich vitaler und der Pilzbefall um einiges geringer. Ich denke, Professor Dr. Schier wird zwar weiter in seinen Vorlesungen Gentechnik lehren, weil es ein wichtiger Bestandteil des aktuellen Pflanzenbaus ist, aber man sieht es nur noch auf Bildern. Man kann es nicht mehr anfassen.

bioSicherheit: Die Feldversuche der HfWU wurden ja nicht zum ersten Mal zerstört. Hatte das Auswirkungen auf Forschung und Lehre?

Kathrin Mendler: Seit ich hier an der Hochschule bin wurde eigentlich jedes Jahr zumindest ein Teil der Versuche zerstört. Das bedeutet, dass die Versuche nur zum Teil ausgewertet werden können. Das ist natürlich schade. Wir Studenten würden schon gerne wissen, wie groß die Unterschiede zwischen konventionellem und gentechnisch verändertem Mais nun wirklich sind.

bioSicherheit: Die Gentechnik-Gegner setzen ihr Anliegen durch Feldbesetzungen medienwirksam in Szene und erreichen damit viel Aufmerksamkeit. Können Sie sich als Studenten und angehende Wissenschaftler mit ihren Argumenten in die Debatte einbringen?

Kathrin Mendler: Nein. Wir bekommen nicht die gleiche Aufmerksamkeit. Der offene Brief wurde von uns an einige lokale Zeitungen weitergeleitet und bei der Briefübergabe war neben der lokalen Presse sogar ein regionales Fernsehteam dabei, das ein paar Tage zuvor mehrere Berichte über die Besetzer ausgestrahlt hat. Im Fernsehen kam nicht einmal ein kleiner Bericht und auch sonst wurde unsere Aktion in den Medien immer nur am Rande erwähnt. Und dieses Wenige, was geschrieben wurde, war auch noch falsch. Wir haben weder für noch gegen Gentechnik Stellung bezogen, sondern uns nur für die Versuche eingesetzt. Trotzdem stand überall in der Presse, dass die Studenten für Gentechnik sind. Unsere Aussagen wurden völlig verzerrt dargestellt. Die Medien haben uns eigentlich auf die Seite der Befürworter gestellt, obwohl das so gar nicht stimmt. Den Brief haben nämlich auch Studenten unterschrieben, die von ihrer Überzeugung her gegen Gentechnik, aber für die Forschung sind.

bioSicherheit: Wie ist ihre persönliche Einstellung zur Grünen Gentechnik und zur Forschung in diesem Bereich?

Kathrin Mendler: Zu Beginn meines Studiums war ich grundsätzlich dagegen. Ich muss aber ehrlich zugeben, dass ich keine Ahnung hatte, worum es eigentlich geht und vor allem, wie es funktioniert. Jetzt hat sich das Ganze etwas geändert. Ich habe immer noch Zweifel, sehe aber durchaus die Vorteile dieser Technik und bin dank meines Studiums viel besser informiert. Ich kann aber gut verstehen, dass manche Menschen Ängste hegen. Um diese Ängste beseitigen oder auch bestätigen zu können, muss man die Technik grundlegend erforschen. Und zwar auch hier in Deutschland. Das ist ganz wichtig. Diese Forschung darf man nicht nur anderen Ländern überlassen. Und wenn diese grundlegenden Forschungsergebnisse für die breite Masse zugänglich sind, hat man eine ganz andere Diskussionsgrundlage. Dies sollte man bedenken. Ohne Forschung können wir nicht darüber diskutieren.

bioSicherheit: Über die Grüne Gentechnik wird in der Öffentlichkeit sehr emotional diskutiert. Welche Möglichkeiten sehen Sie, konstruktiver mit dem Thema umzugehen?

Kathrin Mendler: Ich denke, die Hochschulen haben hier durchaus eine große Verantwortung. Gentechnik ist ein komplexes Thema, das den Leuten verständlich gemacht werden muss, damit sie wissen, um was es geht und sich ihre eigene Meinung bilden können. Die Medien spielen dabei die wichtigste Rolle, denn vieles, was in den Medien zum Thema Gentechnik berichtet wird, ist sehr einseitig. In aller Regel werden nämlich nur die Gefahren dargestellt und die Chancen spielen in der Berichterstattung eine untergeordnete Rolle. Wenn diese überhaupt angesprochen werden. Würde man die Bevölkerung besser informieren, könnten die Menschen rationaler mit dem Thema umgehen. Ich denke, nur durch die enge Zusammenarbeit von Forschungseinrichtungen, Politik und Verbänden und den Medien kann sich in der Diskussion um die Gentechnik etwas bewegen.

bioSicherheit: Vielen Dank für das Gespräch.