EPTA-Projekt

„Transgene Pflanzen für den Non-Food-Bereich beinhalten neue Herausforderungen, bei der Zulassung und auch bei der Gestaltung der Koexistenz.“

In einem gemeinsamen Projekt haben verschiedene europäische Einrichtungen der Technikfolgen-Abschätzung (TA) sich damit beschäftigt, ob und wie sich die Rahmenbedingungen für die Nutzung der landwirtschaftlichen Gentechnik in Europa geändert haben und ob sich daraus neue Herausforderungen für den Umgang mit gentechnisch veränderten Pflanzen und Nahrungsmitteln ergeben. Ergebnisse und Schlussfolgerungen des EPTA (European Parliamentary Technology assessment)-Projektes werden in einem nun vorliegenden Endbericht vorgestellt. bioSicherheit sprach mit Rolf Meyer, dem Koordinator des Projektes.

Die an dem Projekt beteiligten acht TA-Einrichtungen werteten insgesamt 29 TA-Projekte und Diskurse zur Grünen Gentechnik aus den beteiligten Ländern aus. Darauf aufbauend wurde ein Fragebogen entwickelt, der an 183 Experten, die mit der Entwicklung, Bewertung und Regulierung von transgenen Pflanzen befasst sind, versendet wurde. Von diesen haben 71 Experten (aus Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Norwegen, Österreich, der Schweiz und dem Vereinigten Königreich) den Fragebogen beantwortet.

PD Dr. Rolf Meyer vom Institut für Technikfolgen-abschätzung und Systemanalyse (ITAS) sowie vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) koordinierte das Projekt

Die EPTA ist ein Zusammenschluss von parlamentarischen TA-Einrichtungen verschiedener europäischer Länder. Austausch und Koordination in Fragen sozialer, ökonomischer und ökologischer Folgen neuer wissenschaftlich-technischer Entwicklungen. Beobachtung und Analyse wissenschaftlich-technischer Trends und der damit zusammenhängenden gesellschaftlichen Entwicklungen.

bioSicherheit: Was war der Anlass, ein Projekt zu diesem Thema seitens der parlamentarischen TA-Einrichtungen zu initiieren?

Rolf Meyer: Zwei Gründe waren entscheidend für die Durchführung des gemeinsamen Projektes zu gentechnisch veränderten Pflanzen und Nahrungsmitteln. Zum einen sind in den letzten Jahren von parlamentarischen Einrichtungen zur Technikfolgen-Abschätzung (TA) in Europa zahlreiche Projekte zu diesem Themenkomplex durchgeführt worden. Darin spiegelt sich der hohe gesellschaftliche und politische Stellenwert wieder, den die Debatte um die Grüne Gentechnik einnimmt. Das Interesse war, den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskussionsstand in europäischen Ländern zu vergleichen, um über die nationalen Ergebnisse hinausgehend einen europäischen Stand der Diskussion herauszuarbeiten.

Zum anderen stand am Anfang die Wahrnehmung durch die TA-Einrichtungen, dass trotz der Neufassung der EU-Regulierungen zur Gentechnik viele Akteure aus unterschiedlichen Gründen nach wie vor unzufrieden sind und gleichzeitig neue Herausforderungen auf die Regulierung zukommen. Deshalb spielte der Blick in die Zukunft im Projekt eine entscheidende Rolle. Diese Einschätzung hat sich in der Zwischenzeit bestätigt: Im Rahmen der französischen Präsidentschaft wurde im Herbst 2008 die Diskussion über transgene Pflanzen auf europäischer Ebene wieder aufgegriffen und durch den Ministerrat sind u.a. sozio-ökonomische Aspekte in die Debatte um die Regulierung eingeführt worden.

bioSicherheit: Sie haben bei der Analyse der zukünftigen Nutzung transgener Pflanzen neue Einflussfaktoren gefunden. Welche Faktoren sind dies?

Rolf Meyer: Im Rahmen der Untersuchung wurden eine ganze Reihe von Faktoren identifiziert, die entweder fördernd oder hemmend auf eine zukünftige Nutzung transgener Pflanzen wirken. Für die Zukunft als besonders wichtig wird die steigende Nachfrage nach Bioenergie und Biomasse eingeschätzt. Auch wenn im Moment infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise die Aufmerksamkeit für Biokraftstoffe verschwunden ist, werden Energiepflanzen und andere nachwachsende Rohstoffe mit dem nächsten Aufschwung – und steigenden Energiepreisen – schnell wieder an Bedeutung gewinnen.

Im Bericht wird darauf hingewiesen, dass transgene Pflanzen für den Non-Food-Bereich voraussichtlich von den Verbrauchern weniger kritisch wahrgenommen werden, weil einerseits der sensible Bereich Nahrungsmittel nicht direkt betroffen ist und andererseits positive Umweltwirkungen mit einer industriellen und energetischen Biomassenutzung verbunden sein können.

Der Bericht stellt heraus, dass die Zukunft von transgenen Pflanzen in Europa nicht alleine oder sogar nicht in erster Linie durch Detailentscheidungen bei der Regulierung bestimmt wird, sondern stark davon abhängt, für welche Form einer nachhaltigen Landwirtschaft sich Europa entscheidet und welche Rolle darin transgene Pflanzen einnehmen könnten.

bioSicherheit: Sollten Ihre Prognosen in Bezug auf Nachfrage, Anbau und Züchtungsfortschritt bei gentechnisch veränderten Pflanzen eintreten, ergeben sich nach Ihrer Analyse daraus auch neue Herausforderungen für das europäische System der Regulierung. Welche sind dies?

Rolf Meyer: Derzeit befinden sich eine Reihe von transgenen Pflanzen in der Entwicklung, die verschiedene neue Eigenschaften wie höheren Nährwert, Nutzungen im Bereich Energie oder Arzneimittel beinhalten. Es bestehen Aussichten, dass diese neuen Pflanzen in den nächsten zehn Jahren in Europa zur Verfügung stehen und zugelassen werden. Aber insbesondere transgene Pflanzen für den Non-Food-Bereich beinhalten auch neue Herausforderungen, sowohl bei der Zulassung als auch bei der Gestaltung der Koexistenz. So werfen etwa transgene Pflanzen zur Herstellung von Arzneimitteln – so genannte plant-made-pharmaceuticals – neue Sicherheitsfragen auf, weil sie aufgrund der Expression von Arzneistoffen unbedingt von den Nahrungsmittelketten ferngehalten werden müssen. Dies wird vermutlich neue Kriterien in der Risikobewertung, neue Anforderungen im Risikomanagement und der Koexistenzgestaltung sowie Anpassungen bei den Haftungsregelungen notwendig machen.

bioSicherheit: Die Haltung der Öffentlichkeit gilt für Sie als wichtiger Einflussfaktor. Ihre Analyse lässt keine klare Entwicklung der zukünftigen gesellschaftlichen Akzeptanz gegenüber transgenen Pflanzen erkennen - dennoch - für einzelne Bereiche stellen Sie positive Tendenzen fest.

Rolf Meyer: Wir kommen zu dem Ergebnis, dass die Haltung der Öffentlichkeit auch in Zukunft einen entscheidenden Einfluss behalten wird. Dabei wird von der Mehrheit der befragten Experten eingeschätzt, dass die Akzeptanz von transgenen _Non-Food-_Produkten in den nächsten zehn bis 15 Jahren steigen wird, während die Akzeptanz für transgene Nahrungsmittel sich nicht verbessern wird. Aussagen zur zukünftigen öffentlichen Haltung sind allerdings mit erheblichen Unsicherheiten verbunden, weil beispielsweise die Akzeptanz von transgenen Energiepflanzen entscheidend von der zukünftigen gesellschaftlichen Wahrnehmung von Biokraftstoffen abhängt.

Gewährleistung der Wahlfreiheit und hochwertige Verbraucherinformationen ebenso wie Verbrauchernutzen und Umwelt- und Gesundheitsrisiken sind entscheidende Faktoren, die die zukünftige Verbraucherakzeptanz beeinflussen.

bioSicherheit: Mit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags am 1. Dezember erhalten die nationalen wie auch das europäische Parlament größeren Einfluss auf die europäische Gesetzgebung. Welche Themen könnten das europäische Parlament bei der Regulierung der landwirtschaftlichen Gentechnik stärker interessieren?

Rolf Meyer: Ein ungelöstes Problem ist das Verhältnis von einheitlicher EU-Regulierung und nationalen bzw. regionalen Handlungsspielräumen. Hier gibt es widerstrebende Vorstellungen, einerseits eine Stärkung der EU-weiten Entscheidungen (z.B. durchEFSA und Kommission) und andererseits mehr Entscheidungskompetenz auf nationaler oder sogar regionaler Ebene (z.B. für gentechnikfreie Regionen) im Sinne der Subsidarität. Dies könnte ein wichtiger parlamentarischer Diskussionspunkt sein.

bioSicherheit: Vielen Dank für das Gespräch