Mathematisches Modell zu gentechnisch verändertem Mais

Selbst bei flächendeckendem Anbau von Bt-Mais kaum Gefährdung für Schmetterlinge

Wissenschaftler aus fünf europäischen Ländern haben ein mathematisches Modell entwickelt, mit dem die Gefährdung von Schmetterlingen durch gentechnisch veränderten Bt-Mais abgeschätzt werden kann.

Gentechnisch veränderter Bt-Mais bildet in allen Pflanzenteilen und damit auch im Pollen Bt-Protein Cry1Ab. Dieses Protein wirkt spezifisch gegen den Schädling Maiszünsler, einen Schmetterling. Auch andere Schmetterlingsarten könnten durch Bt-Mais gefährdet sein.

Außer für einige Schädlinge wie den Maiszünsler ist Mais in Europa jedoch keine wichtige Futterquelle für Schmetterlinge. Deshalb kommen Schmetterlinge nur dann mit Bt-Protein in Berührung, wenn sie es mit dem Maispollen auf ihren Wirtspflanzen wie etwa der Brennnessel aufnehmen.

Schmetterlinge wie das Tagpfauenauge können mit Bt-Mais in Berührung kommen, wenn dessen Pollen auf ihren Nahrungspflanzen landet.

Tagpfauenauge. Für diese Schmetterlingsart wurde deren Empfindlichkeit bereits unter Laborbedingungen untersucht.

Neben die Pollenfallen wird je eine Brennnnesselpflanze im Topf gestellt.

Brennnessel sind Wirtspflanzen für verschiedene Schmetterlingsarten. Wachsen Brennnesseln in der Nähe von Bt-Mais-Felder, können Schmetterlinge Bt-Protein mit dem Pollenaufnehmen.

Bt-Mais während der Blüte. MON810-Mais ist die einzige gv-Pflanze, deren Anbau in der EU zugelassen ist. Nach zehn Jahren ist die 1998 erteilte Zulassung ausgelaufen und muss erneuert werden. Dabei wird auch die Umweltsicherheit von MON810 erneut und unter Berücksichtigung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse geprüft.

Wissenschaftler aus Deutschland, Großbritannien, Spanien, Italien und Ungarn haben in einer mathematischen Modellierung errechnet, in welchem Maße verschiedene Schmetterlingsarten mit Bt-haltigem Maispollen in Berührung kommen und ob die aufgenommene Pollenmenge groß genug ist, um den Schmetterlingen zu schaden.

Derzeit ist in der EU nur Bt-Mais MON810 zugelassen, tatsächlich angebaut wird er vor allem in Spanien. Einige europäische Länder, darunter Deutschland und Frankreich, haben die seit 1998 geltende EU-Zulassung ausgesetzt und damit den Anbau von MON810-Mais vorerst verboten. Im Sommer 2009 hatte das zuständige Expertengremium der EFSA im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Neu-Zulassung erneut die Sicherheit von MON810-Mais geprüft und dabei auch die Ergebnisse der nun veröffentlichten Modellberechnung zu möglichen Auswirkungen auf Schmetterlinge berücksichtigt.

Das Modell: Worst case-Annahmen

Für die Modellierung wurden drei Schmetterlingsarten ausgewählt, die beiden geschützten Arten Admiral und Tagpfauenauge sowie die Kohlmotte. Die Kohlmotte ist ein bedeutender Schädling für kultivierte Kreuzblütler wie Raps. In Laboruntersuchungen hatte sich die Kohlmotte als eine der empfindlichsten Arten gegenüber dem Bt-Protein Cry1Ab erwiesen.

Für Tagpfauenauge und Admiral wurde die weit verbreitete Brennnessel als Wirtspflanze zugrunde gelegt, für die Kohlmotte verschiedene Kreuzblütler wie Hirtentäschel oder Hederich. Der Einfachheit halber wurde jeweils nur ein Larvenstadium der drei Schmetterlingsarten betrachtet, bei Admiral und Tagpfauenauge das empfindlichste erste Larvenstadium (L1), bei der Kohlmotte L4-Larven, die in Laboruntersuchungen am empfindlichsten auf Bt-Protein reagierten.

Für eine möglichst realitätsnahe Modellierung wurden elf repräsentative europäische Maisanbaugebiete ausgewählt, davon sechs in Deutschland (Aachen, Berkatal, Bonn, Grebbin, Oderbruch, oberes Rheintal), in Italien zwei Regionen in der Po-Ebene, zwei in Spanien (Madrid und Ebrotal) sowie eine in Ungarn (Region Tolna).

Das Modell errechnet, welche Pollenmengen die Larven der drei Schmetterlingsarten unter verschiedenen Voraussetzungen aufnehmen. Um zu ermitteln, ob sie ausreichen, um Schmetterlinge tatsächlich zu schädigen, muss man wissen, welche Mengen an Bt-Protein bestimmte Wirkungen - etwa erhöhte Sterblichkeit oder verzögerte Entwicklung - hervorrufen. Dazu wurden publizierte Daten aus verschiedenen Fütterungsstudien im Labor sowie auch aus Pollenmessungen im Freiland ausgewertet. Dabei wurden auch die jeweils „ungünstigsten“ Daten berücksichtigt, bei denen die möglichen Beeinträchtigungen für die Schmetterlinge vermutlich am größten sind (worst case).

In die Modellberechnung flossen insgesamt elf verschiedene Parameter ein, um die Pollenexposition so abzubilden, wie sie unter natürlichen Bedingungen stattfindet.

Für die Modellierung wurden berücksichtigt:

  • verschiedene „physikalische Effekte“, etwa dass Pollen vom Regen abgewaschen wird, die Larven an der Unterseite der Blätter fressen und nicht an der Mittelrippe des Blattes, wo sich der meiste Pollen befindet;
  • die nur teilweise zeitliche Übereinstimmung von Maisblüte und empfindlichen Larvenstadien der Schmetterlinge;
  • die Dichte der Wirtspflanzen im Feld und am Feldrand;
  • die durchschnittliche Größe eines Maisfeldes in Hektar sowie die durchschnittliche Breite eines Feldrandes in Metern;
  • regionale räumliche Faktoren wie der Anteil der Felder in einer Region, die mit Mais bestellt werden, der Anteil der Wirtspflanzen, die in den Feldern und an den Feldrändern wachsen;
  • der Anteil an Bt-Mais MON810 an den Maisflächen. Da nur in Spanien Bt-Mais in nennenswertem Umfang angebaut wird und für die anderen EU-Ländern keine Prognosen möglich sind, wurde die Modellierung auch mit dem größten Anteil (80 Prozent) durchgerechnet, der möglich ist, wenn Bt-Mais uneingeschränkt angebaut werden dürfte.

Ergebnisse: Kaum erhöhte Sterblichkeit

Die mit diesem Modell abgeschätzten Auswirkungen auf Schmetterlinge waren sehr gering. In allen Regionen war die maximale errechnete Sterblichkeitsrate bei Tagpfauenauge und Admiral weniger als einer von 1572 Schmetterlingen, bei der Kohlmotte eine von 392. Im Mittel aller Regionen lag sie für Tagpfauenauge und Admiral bei einem von 5000, für die Kohlmotte bei einer auf 4367.

Wenn in der Simulation zusätzlich berücksichtigt wird, dass es beim Pollenflug zu sehr unterschiedlichen Ablagerungen und ungewöhnlich dichten Anhäufungen von Pollen kommen kann, dann steigt die Sterblichkeitsrate um nicht mehr als ein Drittel.

Die Autoren räumen ein, dass für einige der Faktoren nur eingeschränkt verfügbare Daten vorhanden waren, dennoch seien die Voraussagen ausreichend robust, da die Schätzungen eher übervorsichtig waren und worst-case-Szenarien abbilden. Zudem wurden die empfindlichsten Arten und Larvenstadien ausgewählt und der Bt-Mais-Anteil unrealistisch hoch angesetzt. Die tatsächliche Exposition könnte deutlich niedriger liegen.