SiFo-Projekt: Resistenzentwicklung des Maiszünslers

Gustav-Adolf Langenbruch im Interview: Wir haben bisher kein resistentes Tier gefunden

Bt-Mais produziert selbst zu seinem Schutz einen Stoff, der gegen seinen Hauptschädling, den Maiszünsler, hochwirksam ist. Doch Pflanzenschädlinge sind anpassungsfähig. Die Befürchtung: Beim großflächigen Anbau von Bt-Mais könnten sich resistente Maiszünsler schnell vermehren, da sie einen Überlebensvorteil haben. Ein Forschungsprojekt der Biologischen Bundesanstalt (BBA) in Darmstadt erarbeitet Methoden zur Überwachung der Resistenzentwicklung des Maiszünslers. Resistente Zünsler sollen frühzeitig entdeckt werden, damit Gegenmaßnahmen ergriffen werden können. BioSicherheit sprach mit Gustav Adolf Langenbruch vom Institut für biologischen Pflanzenschutz der BBA.

Dr. Gustav-Adolf Langenbruch (dritter von rechts stehend) im Kreise von Mitarbeitern und Hilfskräften der BBA-Institute in Darmstadt und Kleinmachnow

bioSicherheit: Herr Dr. Langenbruch, in den USA wurde kürzlich eine Studie veröffentlicht, wonach bis heute dort trotz langjährigem Anbau von Bt-Pflanzen noch kein einziger resistenter Schädling aufgetreten ist. Viele Experten hat das ziemlich überrascht. Wie ihre amerikanischen Kollegen suchen Sie in Deutschland nach Maiszünslern, die gegen Bt-Mais Resistenzen entwickelt haben. Was sind ihre bisherigen Ergebnisse?

Langenbruch: Wir haben bisher auch kein resistentes Tier gefunden. Zur Zeit wird in unserem Labor die Nachzucht der auf Bt-Maispflanzen gefundenen Larven des letzten Jahres getestet. Einige Tiere der F2-Generation haben zwar den Biotest mit dem Bt-Toxin überlebt, aber in der nachfolgenden Generation sind dann die meisten Tiere gestorben. Bei den überlebenden Tieren haben wir beobachten können, dass sie fast keine Eier mehr legen. Das ist eine direkte Nebenwirkung der Aufnahme von Bt-Toxin.

Aber wir haben auch unerwartete Schwierigkeiten bei der Suche nach resistenten Tieren, weil in Bt-Maisfeldern mehr Pflanzen als ursprünglich angenommen stehen, die kein oder nur wenig Bt-Toxin in ihren Zellen produzieren. So finden wir eine Anzahl lebender Larven im Bt-Maisfeld, die aber nicht resistent sein müssen. Wir testen nach Möglichkeit alle Tiere. Das ist allerdings sehr arbeitsaufwendig.

bioSicherheit: Gibt es noch andere Strategien, resistente Tiere zu finden und ihre Resistenzmechanismen zu untersuchen?

Langenbruch: Wir haben auch versucht, im Labor durch kontinuierliche Gaben von Bt-Mais bzw. des darin enthaltenen Bt-Toxins eine Resistenz gegen dieses Toxin zu provozieren. Das ist allerdings nicht so einfach. Die Tiere sind durch die Bt-Toxingaben einem außerordentlichen Stress ausgesetzt. Unter solchen Bedingungen schlagen dann Krankheitserreger zu, z.B. Mikrosporidien. Das sind Mikroorganismen, die viele Organe der Raupen befallen . Sie vermehren sich schnell und schwächen die Raupen bis hin zu ihrem Absterben. Die Mikrosporidien vernichten daher u.U. ganze Laborzuchten.

Selbst wenn es aber gelingen würde, resistente Tiere in Laborzuchten zu bekommen, ist diese Methode nur begrenzt aussagekräftig, denn die im Labor entstandenen Resistenzen müssen nicht mit denen identisch sein, die im Feld relevant sind.

Refugien/ Hoch-Dosis-Strategie:

In den USA sind die Farmer verpflichtet, in Nachbarschaft zu den Bt-Feldern auch Felder mit Nicht-Bt-Pflanzen zu bestellen. Die Anlage solcher Refugienflächen gilt dort als die wichtigste Maßnahe, um die Entstehung Bt-resistenter Schädlinge zu vermeiden und ihre Ausbreitung zu verzögern. Diese Flächen sorgen dafür, dass „normale“, nicht-resistente Schädlinge überleben, die sich dann - falls vorhanden - mit resistenten Schädlingen aus dem benachbarten Bt-Maisfeld paaren können. Wenn von rezessiven Resistenzgenen ausgegangen wird, können aber gemischt-erbige Nachkommen (mit nur einem Resistenzallel) im Bt-Mais nicht überleben. Um das sicherzustellen, sollen Bt-Pflanzen das Bt-Toxin in weitaus höheren Mengen enthalten, als zum Abtöten nicht-resistenter (und nicht-reinerbig-resistenter) Insekten erforderlich wäre

Vererbung der Resistenzgene

Wenn ein resistenter Falter (rot) sich mit einem nicht-resistenten Falter paart, haben alle daraus entstehenden Raupen nur ein Resistenzgen (symbolisiert durch einen rotes Rechteck) und sind nicht Bt-resistent.

Erst in der zweiten Generation (F2-Generation) könnten resistente Nachkommen (rote Raupe) mit zwei Resistenzgenen entstehen.

bioSicherheit: Was bedeuten die bisherigen Ergebnisse für die weitere Arbeit? Keine resistenten Tiere gefunden, also doch eher Entwarnung?

Langenbruch: Die amerikanischen Ergebnisse haben auch mich in der Tat überrascht, aber resistente Tiere können jederzeit noch auftauchen. Wir müssen weitersuchen. Eine Sache sollte man sich dabei auch vor Augen führen: Der Maiszünsler kommt ursprünglich aus Mitteleuropa und wurde vor 1920 in die USA verschleppt. Die dortige Population geht auf relativ wenige Tiere zurück. Deshalb können Resistenzgene zwar in den europäischen Populationen vorhanden sein, diese sind jedoch möglicherweise nie nach Nordamerika gelangt. Viele Wissenschaftler in den USA betonen daher, dass man nach Europa schauen muss, um das wahre Potenzial für eine Resistenzentwicklung beobachten zu können.

bioSicherheit: Wie häufig könnten denn Resistenzgene bei den Maiszünslern vorkommen?

Langenbruch: Wir haben bisher ja kein einziges Tier mit Resistenzgenen gefunden. Mit statistischen Methoden können wir aber berechnen, wie hoch nach unserer Datenlage die maximale Häufigkeit von solchen Resistenzgenen ist. Demnach ist die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines einzigen Resistenzallels kleiner als 6,9 x 10-2. Voraussetzung für eine Resistenzverhinderung durch die Hochdosis-Refugien-Strategie ist aber eine Wahrscheinlichkeit von weniger als 1 x 10 – 3. Somit konnten wir bisher nicht nachweisen, dass diese Voraussetzung in Deutschland gegeben ist.

bioSicherheit: Was würde denn passieren, wenn das erste resistente Tier im Feld von ihnen gefunden würde?

Langenbruch: Das wäre ein Paukenschlag, aber natürlich müsste man erst mal schauen, was für eine Art von Resistenz wir gefunden hätten. Sollte es eine dominante Resistenz sein, so könnten auch alle Tiere mit nur einem einzigen Resistenzallel die Bt-Maisfelder bevölkern. Sehr viel wahrscheinlicher ist aber eben ein rezessives Resistenzgen. Dann überleben nur Tiere, die gleichzeitig zwei Resistenzallele tragen. Wenn die Resistenzallele in der Population noch selten sind, würde hier die Refugien-Hoch-Dosis-Strategie durchaus eine Möglichkeit bieten, die Ausbreitung der Resistenz zumindest stark zu verlangsamen. Resistenz ist auch nicht gleich Resistenz. Aus Laborversuchen wissen wir, dass es da riesige Unterschiede geben kann. Es gibt Fälle von „leichter“ Resistenz, bei denen die Tiere im Vergleich zu ihren Artgenossen eine etwa 10-fache Bt-Toxinmenge noch vertragen konnten. Aber es gibt auch Tiere, die noch die 10.000-fache Menge überstehen. Und es gibt auch Fälle, in denen sich aus Populationen mit einer leichten Resistenz innerhalb kurzer Zeit hochresistente Populationen entwickelt haben.

Dann kann noch etwas anderes bei der Prognose für die Ausbreitung der entsprechenden Resistenz eine wichtige Rolle spielen: Die allgemeine Fitness dieser Tiere. Häufig ist eine Resistenz für das Tier nicht umsonst zu haben, sondern sie ist gepaart mit negativen Eigenschaften. So könnte beispielsweise die Vermehrungsrate reduziert sein. Man muss also in jedem Fall neu untersuchen, wie groß die Wahrscheinlichkeit einer Verbreitung einer bestimmten Resistenz ist.

bioSicherheit: Wo sehen Sie generell Schwachstellen in der heutigen Praxis, die Verbreitung von Resistenzen gegen Bt-Pflanzen zu verlangsamen oder ganz zu verhindern?

Langenbruch: Landwirte in den USA müssen beim Anbau von Bt-Pflanzen mindestens auf 20 Prozent der Fläche konventionelle Pflanzen anbauen, die nicht mit Insektiziden behandelt werden dürfen. Das sind die notwendigen Refugienflächen, die für das verbindliche Resistenzmanagement vorgeschrieben sind. Doch wer kontrolliert die Einhaltung dieser Vorschriften? Nach dem, was man aus den USA hört, gehen viele Landwirte in der Praxis damit sehr nachlässig um. Die Aufgabe, das zu überwachen, sollte nicht allein bei den Herstellerunternehmen der Pflanzen liegen. Der Bacillus thuringiensis (Bt) ist eine sehr wichtige, besonders schützenswerte, natürliche Ressource für den Pflanzenschutz, die auf keinen Fall aufs Spiel gesetzt werden darf.

bioSicherheit: Könnte eine aufkommenden Resistenz gegen eine bestimmte Bt-Pflanze die Pflanzenschutzmaßnahmen bei anderen Pflanzen tangieren?

Langenbruch: Die Antwort ist ja, vor allem im Ökoanbau. Beispielsweise ist der Maiszünsler in den USA teilweise auch ein Kartoffelschädling. Bei einer Resistenz des Maiszünslers gegen Bt-Mais wäre daher dort in gewissen Anbaugebieten auch der biologische Kartoffelanbau von dieser Resistenz betroffen.

Ein anderes Beispiel sind Kohlschädlinge. Verschiedene Kohlarten haben die gleichen Schädlinge, dazu gehören Kohlweißlinge, Kohlmotte und Kohleule. Eine Resistenz dieser Schädlinge gegen eine Bt-Kohlart würde daher im Ökoanbau ernste Bekämpfungsprobleme bei allen Kohlarten mit sich ziehen. Denn der Ökoanbau, dass muss man wissen, ist stark auf Bt-Pflanzenschutzmittel angewiesen. Hier gibt es kaum gute Bekämpfungsalternativen. Daher sollte man generell bei der Anwendung der Bt-Technologie die kreuzweise Kombination von Schädlingen und Kulturarten im Auge behalten.

bioSicherheit: Wie sehen sie die Zukunft der Bt-Technologie?

Langenbruch: Aus dem zuvor gesagten plädiere ich für eine vorsichtige Verwendung der Bt-Technologie. Man sollte die bei einer transgenen Linie einer Pflanzenart erhaltenen Untersuchungsergebnisse nicht unüberlegt auf andere transgene Linien dieser Pflanzenart oder gar auf transgene Linien anderer Pflanzenarten übertragen. Bei dem zur Zeit in Deutschland aktuellen Bt-Mais, der das Toxin Cry 1Ab produziert, sind die potenziellen Probleme noch überschaubar. Von den beiden zur Verfügung stehenden biologischen Maiszünsler-Bekämpfungsmethoden würde das Bt-Pflanzenschutzmittel durch eine solche Maiszünslerresistenz betroffen. Es würde gegen diese Maiszünsler vermutlich weniger wirksam sein. Die Verwendung der Schlupfwespe Trichogramma, die zur Zeit in Deutschland auf 10 000 Hektar Maisfläche eingesetzt wird, wäre aber nicht gefährdet. Auch wenn diese Methode immer noch weiter verbessert wird, kann sie ohne weiteres einen Wirkungsgrad von 70-80 Prozent erreichen, vor allem bei schwächeren Populationen. Damit steht sie dem chemischen Pflanzenschutz manchmal kaum nach. Sie ist zwar teurer, aber dem Staat ist es mit Umweltschutz wirklich ernst, so dass er hier einen finanziellen Ausgleich schafft.

Aber lassen Sie mich noch einen anderen Gedankengang aufgreifen. Man sollte sich nicht einseitig bei der Bekämpfung der Maiszünsler auf Bt-Mais stürzen. Es gibt ein Repertoire von Maßnahmen von Bodenbearbeitung, Ernteverfahren bis Fruchtwechsel, die diesen Schädling einigermaßen unter Kontrolle halten können.

Doch eine Option für die Verwendung von Bt-Mais halte ich für sehr bedenkenswert. Ich halte grundsätzlich den Bt-Mais für die schärfste Waffe gegen den Maiszünsler, die wir haben. Der Wirkungsgrad dieser transgenen Pflanze gegen den Schädling beträgt 99,9 Prozent. Bekanntermaßen breitet sich der Schädling immer weiter in Richtung Norden aus, mittlerweile hat er Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt erreicht. Daher kann ich mir vorstellen, dass durch den Anbau eines durchgängigen Gürtels aus Bt-Mais an der Wanderungsgrenze dieses Schädlings sein Vordringen zumindest stark verlangsamt werden kann. Große Maisanbaugebiete wie das Münsterland und Teile von Niedersachsen könnten dadurch auf lange Sicht vor dem Schädling geschützt werden. Das könnte funktionieren.

bioSicherheit: Herr Dr. Langenbruch, wir danken für das Gespräch.