Neue EU-Verordnungen im Ministerrat

Brüsseler Dickicht

Entscheidungen der Europäischen Union sind nicht immer leicht nachzuvollziehen. Gerade in den letzten Tagen haben widersprüchliche Meldungen über Beschlüsse der Umwelt- und Agrarminister zum Export und zur Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) die Runde gemacht. Die Bilanz: wenig Bewegung, kaum Fortschritte.

In der vorigen Woche haben sowohl die europäischen Landwirtschaftsminister und – drei Tage später – auch die EU-Umweltminister über das Gentechnikrecht beraten. Drei verschiedene Rechtstexte lagen ihnen vor:

  • Ein Verordnungsentwurf zur Umsetzung des Protokolls über die biologische Sicherheit, das so genannte Cartagena-Protokoll.
  • Ein Verordnungsentwurf zur Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit von GVOs [KOM/2001/182].
  • Ein Verordnungsentwurf über gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel [KOM/2001/425]

Bei der Umsetzung des Cartagena-Protokolls kamen die zuständigen EU-Umweltminister immerhin ein Stück voran. Sie erzielten eine politische Einigung, unter welchen Voraussetzungen GVOs künftig aus der Europäischen Union exportiert werden dürfen. Die Umweltminister schlossen sich weitgehend der Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom September an.

Allerdings lockerten sie das vom Parlament gewünschte Ausfuhrverbot für gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel, die in der EU nicht zugelassen sind. Das grundsätzliche Exportverbot schränkten die Minister insoweit ein, als eine Ausfuhr möglich sein soll, wenn das Empfängerland über die Gründe der Nichtzulassung in der EU informiert wurde und der Lieferung zugestimmt hat. Die geplante Ausnahme von GVO-Exporten zu Forschungszwecken von der allgemeinen Anmelde- und Genehmigungspflicht fand die Zustimmung der Umweltminister.

Nun wird diese politische Einigung zu einem verbindlichen „gemeinsamen Standpunkt“ des EU-Ministerrates ausformuliert. Während einer der nächsten Sitzungen wird dieser Standpunkt dann ohne weitere Diskussion beschlossen. Anschließend geht der Verordnungsentwurf zur zweiten Lesung zurück in das Europaparlament. Übrigens: Deutschland enthielt sich im Ministerrat der Stimme – mangels einer einheitlichen Position der Bundesregierung zu diesem Thema.

Wesentlich zäher gestaltete sich im Umweltrat die Diskussion der geplanten neuen Verordnung über die Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit von gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermitteln . Nach einer regen Aussprache beschlossen die Umweltminister, dass dieses Dossier noch nicht entscheidungsreif sei. Jetzt werden die Gespräche auf Arbeitsebene fortgesetzt. Der dänische Umweltminister Hans Christian Schmidt, der noch bis zum Jahresende den Vorsitz im EU-Umweltrat innehat, ist trotz allem optimistisch, dass seine Kollegen im Dezember über den Verordnungsentwurf abstimmen werden. Ab Januar übernimmt Griechenland den Vorsitz.

Die EU-Agrarminister waren bei ihrer Sitzung zum Wochenauftakt nicht erfolgreicher. Die Landwirtschaftsminister sind für die Verordnung über gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel zuständig, die so genannte Novel-Food-and-Feed-Verordnung. Auch sie gingen in der vorigen Woche ohne konkreten Beschluss auseinander, werden den Entwurf aber voraussichtlich schon im November erneut erörtern.

Neben dem Streit um den Grenzwert für eine Kennzeichnung von GVO-Beimischungen gewinnt dabei eine juristische Feinheit zunehmend an Bedeutung: Die große Mehrheit der Mitgliedstaaten will ein zentrales europäisches Zulassungsverfahren für gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel. Dazu müsste jedoch nach Meinung des juristischen Dienstes des Ministerrates die Rechtsgrundlage der Verordnung geändert werden. Was sich zunächst nach bloßer Verfahrenstechnik anhört, birgt politische Brisanz. Der Ministerrat könnte die Verordnung in diesem Fall nur einstimmig beschließen - statt mit qualifizierter Mehrheit. Mit anderen Worten: Ein einziger Mitgliedstaat könnte die neuen Vorschriften mit seinem Nein blockieren. Die Entscheidungsfindung bleibt also spannend.