EU-Parlament

Mehrheit für Aufhebung des GVO-Moratoriums

(21.11.2002) Das Europäische Parlament hat heute mit großer Mehrheit die Aufhebung des in der EU seit 1998 bestehenden De-facto-Moratoriums für die Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen gefordert.

In einer Stellungnahme unterstützt das Straßburger Parlament die von der EU-Kommission im Frühjahr präsentierte einheitliche Biotechnologie-Strategie. Die Parlamentarier begrüßen den Aktionsplan der Kommission zur Weiterentwicklung der Biowissenschaften und Biotechnologie. Sie halten die Auffassung für falsch, dass die Gentechnik in der Medizin überwiegend Chancen biete, in der Landwirtschaft hingegen hauptsächlich mit Risiken verbunden sei. In beiden Bereichen gebe es große Chancen, die genutzt werden sollten, aber auch erhebliche Risiken, die durch geeignete Vorschriften gemindert werden müssten, differenziert das EU-Parlament.

Schwellenwerte

Die Parlamentarier äußern sich auch zu der umstrittenen Frage der Kennzeichnungs-Schwellenwerte. Sie unterstützen die Einführung von Schwellenwerten für zufällige Spuren gentechnisch veränderter Stoffe in Lebens- und Futtermitteln, um dem Verbraucher Wahlmöglichkeiten zu eröffnen. Die Schwellenwerte sollten auf „ein angemessenes Niveau“ festgelegt werden, das in der Praxis anwendbar sei, und sich auf wissenschaftliche Bewertungen stützen. Als Voraussetzung müsse gelten, dass diese Stoffe gemäß den EU-Standards als unbedenklich eingestuft worden seien.

Konkrete Werte für die Festlegung von Kennzeichnungsschwellen nennt die Stellungnahme nicht. Damit der Verbraucher größtmögliche Transparenz und volle Wahlfreiheit erhalte, müssten Produkte, die gentechnisch verändertes Material enthielten oder daraus hergestellt worden seien, klar und eindeutig gekennzeichnet sowie rückverfolgbar sein, heißt es. Die Verbraucher müssten zuverlässig über gentechnisch veränderte Organismen aufgeklärt werden, damit sie bei der Auswahl eines Produktes über die notwendigen Informationen verfügten.

Umsetzung der Freisetzungs-Richtlinie

An die Mitgliedstaaten richtet das Plenum den Appell, die Freisetzungs-Richtlinie für gentechnisch veränderte Pflanzen baldmöglichst umzusetzen. Ferner fordert das EU-Parlament, der Gebrauch von gentechnisch veränderten Produkten und der Einsatz von Gentechnik in der Herstellung müsse mit einer Begleitforschung versehen werden, insbesondere im Hinblick auf die Langzeitwirkungen. Die Politik sollte in Abstimmung mit der Wirtschaft und der Forschung ein sorgfältig ausgearbeitetes Forschungs- und Begleitprogramm zum Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen auf den Weg bringen.

Die Stellungnahme des Europaparlaments fällt insgesamt sehr Biotechnologie-freundlich aus. Zahlreiche Änderungsanträge der grünen Fraktion wurden im Plenum abgelehnt. Die Stellungnahme ist rechtlich nicht bindend, sendet aber ein starkes politisches Signal an die europäischen Agrarminister, die am 28. November die Diskussion über neue Kennzeichnungsbestimmungen für gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel wieder aufnehmen. Auch an die Minister dürfte daher die Warnung der EU-Parlamentarier gerichtet sein, dem Abwandern von Wissenschaftlern (brain-drain) und einer Abhängigkeit von Einfuhren biotechnologischer Erzeugnisse entgegenzuwirken.