EU-Agrarminister

Kompromiss im Kennzeichnungsstreit

Die EU-Landwirtschaftsminister haben sich am gestrigen Abend in Brüssel auf einen Kompromiss zur Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebens- und Futtermittel geeinigt.

Künftig sollen Lebens- und Futtermittel als gentechnisch verändert gekennzeichnet werden müssen, wenn sie mehr als 0,9 Prozent gentechnisch veränderter Bestandteile enthalten. Ursprünglich hatte die Europäische Kommission einen Schwellenwert von 1,0 Prozent vorgeschlagen. Die Entscheidung der Minister fiel mit qualifizierter Mehrheit nach langen und harten Verhandlungen. Bundesverbraucherministerin Renate Künast stimmte für den Kompromiss. Großbritannien lehnte die Regelung ab und beharrte auf einer Schwelle von 1,0 Prozent, während Luxemburg und Österreich einen niedrigeren Wert als 0,9 Prozent verlangten. Sie wissen dabei das Europäische Parlament hinter sich, das sich in erster Lesung im Juli für einen maximalen Anteil von 0,5 Prozent ausgesprochen hatte.

Der Streit um die Höhe des Schwellenwerts hatte bislang eine Einigung der Agrarminister über die von der Kommission vorgeschlagene neue Verordnung über gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel verhindert.

Die im Ministerrat erzielte Einigung sieht vor, dass der Schwellenwert in einem Ausschussverfahren gesenkt werden kann. Die Kennzeichnungspflicht wird unabhängig von der Nachweisbarkeit gentechnisch veränderter Bestandteile in dem jeweiligen Lebens- und Futtermittel gelten. Produkte von Tieren, die gentechnisch verändertes Futter erhielten, sollen nicht als Gen-Lebensmittel etikettiert werden müssen. Damit würde beispielsweise Milch von Kühen, die gentechnisch veränderte Soja gefressen haben, der Kennzeichnungspflicht nicht unterliegen.

EU-Verbraucherkommissar David Byrne äußerte die Hoffnung, dass sie von den Landwirtschaftsministern erzielte Einigung im weiteren Beratungsverfahren Bestand haben wird.

Schwellenwert für nicht zugelassen GVOs

Umstritten war bislang, wie mit unbeabsichtigten Beimischungen von nicht zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen (GVO) in Lebens- und Futtermitteln verfahren werden soll. Dies ist für Importe aus Drittstaaten von Bedeutung. Hier soll nun gelten, dass in der Europäischen Union noch nicht zugelassene GVO, die aber von wissenschaftlichen Ausschüssen der EU oder der Europäischen Lebensmittelbehörde (ELB) als risikolos bewertet wurden, in Lebens- und Futtermitteln in Spuren bis 0,5 Prozent enthalten sein dürfen. Diese Regelung soll nur gelten für GVOs, die bereits vor Inkrafttreten der neuen Verordnung risikobewertet wurden. Die Übergangsregelung soll auf drei Jahre beschränkt werden.

Zulassungsverfahren und Europäische Lebensmittelbehörde

Die juristisch umstrittene Rechtsgrundlage eines zentralen Zulassungsverfahrens für GVO in der Gemeinschaft auf Basis von Artikel 95 des EU-Vertrages versucht der Kompromiss zu umschiffen. Der Zulassungsantrag soll den national zuständigen Behörden vorgelegt werden, die wissenschaftliche Bewertung soll jedoch zentral durch die Europäische Lebensmittelbehörde erfolgen. Auf Grundlage der Bewertung durch die ELB wird die Kommission dann einen Entscheidungsvorschlag im so genannten Komitologie-Verfahren zur Beratung mit den Mitgliedstaaten in den zuständigen Ausschüssen vorlegen. Auf diese Weise soll eine monate- oder gar jahrelange Blockade von Zulassungsentscheidungen durch einzelne Mitgliedstaaten verhindert werden.

Umweltminister entscheiden über Rückverfolgbarkeit

Die politische Grundsatzvereinbarung der EU-Landwirtschaftsminister soll während einer der nächsten Ratssitzungen formal als „gemeinsame Position“ verabschiedet werden. Zuvor werden die EU-Umweltminister am 9. und 10. Dezember über das Rückverfolgbarkeitssystem beraten, das Voraussetzung für eine funktionierende Kennzeichnungsregelung ist. Anschließend wird das Europaparlament in zweiter Lesung über die beiden Dossiers entscheiden. Bis zum Inkrafttreten der neuen Verordnungen werden somit noch Monate vergehen.