Herbizidresistente Pflanzen und Artenvielfalt

Weniger Unkraut, weniger Schmetterlinge

Der Anbau herbizidresistenter gv-Pflanzen könnte sich negativ auf die Artenvielfalt der Agrarökosysteme auswirken. Mit dieser Kernaussage löst eine von der britischen Regierung in Auftrag gegebene Untersuchung neue Diskussionen um die Zukunft gentechnisch veränderter Pflanzen in Europa aus.

Maisdschungel, Maispflanze

Mehr Vielfalt durch herbizidresistenten Mais? Die Herbizide werden zu einem bestimmten Zeitpunkt eingesetzt und so dosiert, dass zwischen den Maispflanzen verschiedene Unkrautarten wachsen können.
Foto: Versuchsfeld der BBA in Dahnsdorf

Etwa 8,5 Millionen Euro hat sich die britische Regierung die Studie kosten lassen. Sechzig Felder, über das ganze Königreich verteilt, wurden mit Mais, Raps, Futter- und Zuckerrüben bepflanzt: Die eine Hälfte eines Feldes wurde mit konventionellen Sorten bestellt; Unkräuter wurden mit handelsüblichen Herbiziden bekämpft.

Auf der jeweils anderen Hälfte wuchsen Pflanzen mit gentechnisch vermittelten Herbizidresistenzen. Gegen die Unkräuter dort spritzte man die passenden Komplementärherbizide. Diese wirken, im Gegensatz zu den auf den konventionellen Parzellen verwendeten Herbizidpräparaten, ausschließlich über die Blätter der Pflanzen und werden im Boden schnell abgebaut. Bei Mais und Raps wurde das LibertyLink-System (Wirkstoff Glufosinat) verwendet, bei Rüben das RoundupReady-System (Wirkstoff: Glyphosat).

Die britische Regierung hatte die Studie in Auftrag gegeben, um damit eine Entscheidungsgrundlage für den Umgang mit GVO-Pflanzen zu bekommen.

Nach dreijährigen Untersuchungen wurden auf einer spektakulären Pressekonferenz am 16. Oktober 2003 in London die Ergebnisse für Mais, Raps und Rüben vorgestellt. Insgesamt acht Studien erschienen in den Philosophical Transactions, dem Journal der Royal Society.

HR-Raps und Rüben: Wirksam, aber weniger Arten

Bei Raps und Rüben erwiesen sich die aus herbizidresistenten Pflanzen und passendem Komplementärherbizid bestehenden HR-Systeme als effizient.

  • Am Ende der Anbausaison standen auf den Feldern mit HR-Pflanzen weniger Unkräuter. Ihre Biomasse, aber auch die Zahl der zu Boden fallenden Samen lag deutlich unter den Vergleichszahlen der konventionell bestellen Felder.
  • Die geringere Menge an Unkräutern auf den HR-Raps- und Rübenfeldern führt zu einem geringeren Nahrungsvorkommen für Insekten, die von diesen Pflanzen fressen.

Dieses wirkte sich wiederum auf die in der Nahrungskette folgenden Räuber aus. So wurden in HR-Feldern weniger Schmetterlinge und Bienen (bei Rüben) beobachtet.

Eine Ausnahme sind Springschwänze (Collembolen), die sich von abgestorbenem Pflanzenmaterial ernähren. Sie finden auf HR-Feldern ein größeres Nahrungsangebot.

Mais: Artenvielfalt durch geringere Wirkung

Bei Mais wirkte das HR-System offenbar weniger effizient als konventionelle Herbizide.

  • Biomasse und Samenproduktion der Unkräuter waren auf HR-Maisfeldern während der gesamten Anbausaison höher als auf den konventionellen.
  • Davon profitieren bestimmte Insektenarten, etwa Laufkäfer, die sich von heruntergefallenen Samen ernähren. Auch Bienen und Schmetterlinge kamen in HR-Maisfeldern häufiger vor.

Auf den konventionell bewirtschafteten Nachbarflächen und Randstreifen, die in die Untersuchung einbezogen worden waren, fanden sich ähnliche Ergebnisse wie auf den Versuchsfeldern selbst.

Herbizide: Auf die Dosierung kommt es an

Die jeweiligen Konzepte zur Unkrautbekämpfung wurden nicht vorgegeben, sondern von den Landwirten, welche die Felder bestellten, ausgewählt. Auf den konventionellen Parzellen differierte die Anzahl der verwendeten Herbizid-Wirkstoffe wie der Spritzvorgänge. Nach Ansicht der Autoren der Studie repräsentieren die über ganz Großbritannien verteilten Felder das ganze Spektrum der landwirtschaftlichen Praxis. Auf einigen Äckern mit HR-Pflanzen wurde die jeweiligen Komplementärherbizide nur ein Mal ausgebracht, auf anderen mehrfach.

Da die Wirkstoffe Glufosinat und Glyphosat nur über die Blätter wirken, besitzen sie keine Dauerwirkung. Gerade bei Rüben und Mais laufen aber Unkräuter noch geraume Zeit immer wieder auf und konkurrieren mit der Kulturpflanze. Das führt bei Landwirten oft dazu, mehrfach Herbizide anzuwenden.

Die Menge der Herbizide und die Zahl ihrer Anwendungen ist gerade bei HR-Systemen jedoch von großem Einfluss auf die Artenvielfalt der Ökosysteme. So zeigte eine breit angelegte Untersuchung mit herbizidresistenten Zuckerrüben (RoundupReady) in Dänemark, dass auf den Felder die Artenvielfalt bei Pflanzen und Tieren erheblich größer ist, wenn die Herbizide so dosiert werden, dass nicht alle Unkräuter verschwinden. Entscheidend ist auch der Zeitpunkt, wann die Herbizide ausgebracht werden.

Bei dieser vom NERI-Institut (National Environmental Research Institute) in Roskilde/DK durchgeführten Studie hatten Anbausysteme aus GVO-Zuckerrüben und Komplementärherbizide einen positiven Einfluss auf die Biodiversität der Agrarökosysteme.

Auch Michael Crawley, der eine 1990 begonnene, über zehn Jahre dauernde Langzeitstudie zu ökologischen Effekten transgener Pflanzen durchgeführt hatte, wies während der Präsentation der aktuellen Studie in London darauf hin, wie wichtig Herbizideinsatz und Unkrautmanagementsystem sind. „Werden die Landwirte das HR-System so einsetzen, dass alle Unkräuter verschwinden, oder werden sie bereit sein, Unkräuter auf ihren Feldern zu tolerieren? Wenn sie Herbizide entsprechend geringer dosieren, wird das die Artenvielfalt bei Wildpflanzen und Tieren erhöhen“.