Zeitplan für GVO-Zulassungen

Saatgut: EU-Kommission lenkt ein

(24. Oktober) Im Streit um die Festlegung von Schwellenwerten für gentechnisch verändertes Saatgut hat die Europäische Kommission in dieser Woche eingelenkt. Sie will den Mitgliedstaaten nun doch mehr Mitspracherechte einräumen. Gleichzeitig legte die Kommission ihren Zeitplan für die ersten Zulassungen von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) in der Europäischen Union seit 1998 offen.

Im Mittelpunkt des Saatgut-Streits steht der Vorschlag der EU-Kommission, gestaffelte Schwellenwerte für die unbeabsichtigte Beimischung von GVO in herkömmlichem oder ökologischem Saatgut festzulegen. Geplant sind Grenzwerte von 0,3 Prozent für Raps, 0,5 Prozent für Zuckerrüben, Mais und Kartoffeln sowie 0,7 Prozent für Sojabohnen. Unterhalb dieser Schwellen müsste eine Beimischung nicht gekennzeichnet werden.

Diese Regelung wollte die Kommission ursprünglich in einem so genannten Verwaltungsausschuss-Verfahren durchsetzen. Dabei hätten die im EU-Saatgutausschuss versammelten Vertreter der Mitgliedstaaten den Vorschlag der Kommission nur mit einer qualifizierten Mehrheit aufhalten können. Gegen dieses Verfahren hatten sich jedoch unter anderem die italienische und die deutsche Regierung sowie Abgeordnete des Europäischen Parlaments ausgesprochen und niedrigere Schwellenwerte gefordert. Bundesverbraucherministerin Renate Künast plädiert beispielsweise für einen Wert an der Nachweisgrenze von 0,1 Prozent.

Nach anfänglichem Zögern änderte die Kommission jetzt ihren Kurs: Der Richtlinienvorschlag soll nun im „Regelungsausschuss-Verfahren“ beraten werden. Das bedeutet in der Praxis, dass die Kommission eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten für ihren Vorschlag braucht, um ihn durchsetzen zu können. Wenn ihr das nicht gelingt, wird über das Dossier „eine Etage höher“ im Ministerrat verhandelt. In Brüssel wird nicht ausgeschlossen, dass die Kommission die Grenzwerte senken muss, um die notwendige Unterstützung durch die Mitgliedstaaten zu erhalten.

Zeitplan für neue Zulassungen

In einem Arbeitsdokument legte die Kommission den Regierungen der EU-Länder jetzt auch einen detaillierten Zeitplan für die Wiederaufnahme der GVO-Zulassungen vor. Für acht gentechnisch veränderte Produkte sind noch Zulassungsanträge gemäß der Novel Food-Verordnung (258/97) anhängig. Auch wenn am 7. November die neue Verordnung über gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel in Kraft treten wird, werden zwei dieser Altanträge noch nach dem in der Novel Food- Verordnung festgelegten Verfahren bearbeitet, weil für sie bereits vor Inkrafttreten der Neuregelung eine abschließende wissenschaftliche Bewertung vorlag. Es handelt sich dabei um den Zuckermais Bt11 des Unternehmens Syngenta sowie den Monsanto-Mais GA 21.

Für die Syngenta-Sorte Bt11 will die Kommission am 10. November oder am 12. Dezember dieses Jahres einen Entscheidungsvorschlag zur Genehmigung vorlegen, für GA21 in der ersten Hälfte des Jahres 2004. Bei den übrigen noch unter der Novel Food-Verordnung gestellten Zulassungsanträgen will die Kommission keine Prognose wagen, weil die Verfahren noch in einem früheren Stadium sind.

Im Rahmen der ebenfalls neuen, seit Oktober 2002 rechtskräftigen Freisetzungsrichtlinie (2001/18) wurden in der EU bisher insgesamt 21 Zulassungsanträge für die GVO-Vermarktung gestellt. Elf davon beschränken sich auf die Einfuhr und Verarbeitung, die übrigen erstrecken sich auch auf den Anbau innerhalb der Gemeinschaft.

Am weitesten fortgeschritten ist der Antrag für den herbizidtoleranten Monsanto-Mais NK603. Hier rechnet die EU-Kommission im Dezember mit einer wissenschaftlichen Stellungnahme des Expertengremium für GVOs der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). NK603 soll importiert und verarbeitet, nicht aber in der EU angebaut werden. Die wissenschaftliche Stellungnahme soll als Grundlage für eine Entscheidung über den Antrag im Regelungsausschuss Anfang Februar 2004 dienen. Des Weiteren soll die GVO-Expertengruppe der EFSA demnächst um eine Stellungnahme zu dem Monsanto-Raps GT73 gebeten werden.

Auf der Agenda

Am 4. Dezember will die Kommission die Mitgliedstaaten im Regelungsausschuss-Verfahren über die Einführung einheitlicher Identifikationscodes für GVO abstimmen lassen. Mit Hilfe dieser Codes soll die Rückverfolgbarkeit gentechnisch veränderter Lebens- und Futtermittel sichergestellt werden. Ebenfalls im Dezember soll sich der Ständige Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit mit Durchführungsbestimmungen für die Vorbereitung von Zulassungsanträgen, für die Behandlung bereits existierender GVO-Produkte und für Übergangsmaßnahmen im Falle der unbeabsichtigten Beimischung von nicht zugelassenen GVO befassen.

Signalwirkung

Der Zeitplan der Europäischen Kommission für die weitere Behandlung der eingereichten Zulassungsdossiers ist sicher alles andere als unumstößlich. Das hat gerade in dieser Woche die plötzliche Wende in der Entscheidung über die Saatgut-Schwellenwerte gezeigt. An die Mitgliedstaaten, die Handelspartner der EU sowie die Welthandelsorganisation (WTO) sendet die Brüsseler Behörde mit diesem Zeitplan jedoch das Signal: Die EU wird die Prüfung und Zulassung gentechnisch veränderter Organismen nach den Vorgaben ihres neuen Rechtsrahmens konsequent verfolgen.