Britische Studie zu Herbizid-Konzepten und Biodiversität

Differenzierter hinschauen

Sogar im Bundestag wird damit argumentiert: Die britischen Untersuchungen über den möglichen Einfluss von Herbizidkonzepten im Mais-, Raps- und Rübenanbau auf die Artenvielfalt haben auch in Deutschland für Aufsehen gesorgt. Gentechnik-Kritiker sehen sich bestätigt; Fachleute, die sich schon länger mit der Biodiversität auf Äckern und Feldern beschäftigen, warnen vor undifferenzierten Schlussfolgerungen. - bioSicherheit sprach dazu mit Dr. Bernd Hommel von der BBA Kleinmachnow.

Dr. Bernd Hommel, Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft; Kleinmachnow (später: Julius-Kühn-Institut / JKI)

Die BBA unterhält in der Nähe von Dahnsdorf (Brandenburg) weiträumige Versuchsfelder. Unter Praxisbedingungen werden verschiedene Anbaukonzepte untersucht und weiterentwickelt: Integrierter Pflanzenschutz, Ökologischer Landbau, aber auch Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen. Die BBA hat mehrjährige Erfahrung mit deren Begleit- und Sicherheitsforschung.

bioSicherheit: Wie ist ihr erster Eindruck zur britischen Studie?

Bernd Hommel: Die Studie halte ich auch für Deutschland für sehr bedeutend, da sie einen sehr umfassenden und praxisnahen experimentellen Ansatz wählte. In die Untersuchungen wurde eine große Bandbreite von Praxissituationen einbezogen. Damit liefert sie einen realistischen Hintergrund, um die verschiedenen Verfahren zur Unkrautregulierung zu vergleichen.

bioSicherheit: An der Biologischen Bundesanstalt in Dahnsdorf beschäftigen Sie sich schon seit längerem mit ähnlichen Fragestellungen. Sie haben dazu auch Versuche durchgeführt. Würden Sie für Deutschland ähnliche Ergebnisse erwarten wie für Großbritannien?

Bernd Hommel: Wir haben seit 1996 einige Erfahrungen mit herbizidresistentem Mais und Raps. Bei diesen Kulturen schätzen wir die Ergebnisse für die deutsche Landwirtschaft ähnlich ein. Bei Zuckerrüben erwarten wir jedoch eher geringere Unterschiede zwischen konventionellen und den neuen HR-Verfahren zur Unkrautbekämpfung. Wir sollten jedoch die Bewertung der neuen Herbizidresistenz- Konzepte mit gv-Pflanzen gerade im Hinblick auf Biodiversität und Individuendichte nicht als absolut setzen. Die britischen Kollegen haben über drei Jahre das neue Konzept mit den derzeit üblichen konventionellen Verfahren verglichen. Dies kann jedoch immer nur eine Momentaufnahme sein. Wenn in Sommerraps und Rübenfeldern bei konventionellen Sorten eine höhere Biodiversität und eine höhere Pflanzendichte in der Ackerbegleitflora gefunden wurde, dann spiegeln sich aus agronomischer Sicht darin oft die Wirkungslücken dieser Verfahren wider. Die Entwicklungen neuer Wirkstoffe und die in der Praxis üblichen Mischungen von mehreren Wirkstoffen hatten und haben aber als Ziel, diese Wirkungslücken möglichst zu minimieren. Hier könnte mit der neuen HR-Technik etwas gegengesteuert werden. Die britischen Ergebnisse für Mais deuten ja darauf hin.

bioSicherheit: Eine hohe Biodiversität auf Ackerstandorten kann man in der Sprache der landwirtschaftlichen Praxis auch vereinfacht als hohes Aufkommen von Restverunkrautung übersetzen. Hier handelt es sich um solche Pflanzen, die mit der Kulturpflanze konkurrieren und bei fehlender Kontrolle vor allem in Reihenkulturen wie Zuckerrüben und Mais zu hohen Ernteausfällen führen. Das heißt doch: Es kann gar nicht das Ziel der Landwirte sein, eine möglichst hohe Biodiversität auf ihrem Acker zu haben. Oder muss man dies differenzierter sehen?

Bernd Hommel: Hier müssen wir von konkurrierenden Zielen ausgehen. Aus agronomischer Sicht muss festgestellt werden, dass Biodiversität und Individuendichte, wie sie in der Studie gemessen wurden, bis zu dem Maße vom Landwirt toleriert wird - solange das für ihn kein ökonomisches Risiko darstellt, also nicht zu einem geringeren Ertrag oder Qualitätseinbußen führt. Auf der anderen Seite ist der Landwirt durchaus an einer gewissen Restverunkrautung interessiert, weil er damit seinen Boden vor Erosion schützt und Kosten spart durch eine weniger intensive Unkrautbekämpfung.

bioSicherheit: Hätten diese Zusammenhänge in der britischen Studie nicht stärker herausgearbeitet werden müssen?

Bernd Hommel: Meines Erachtens sollten weitere Auswertungen sich genau um diese Aspekte kümmern. Zu fragen ist etwa, ob nicht gerade Verfahren, die auf den Felder höhere Biodiversität und mehr Pflanzen - und das heißt: Restverunkrautung - hinterlassen, Probleme in den Folgekulturen verursachen. Eine solche Situation finden wir heute etwa auf unseren Rapsfeldern, wo über viele Jahre rapsverwandte Unkräuter selektiert wurden. In der Ackerbegleitflora verstecken sich ja auch Problemunkräuter, die dann bei starker Vermehrung in der Fruchtfolge mit einen erhöhten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln oder mit neuen Wirkstoffen bekämpft werden. Auch hier muss wesentlich differenzierter hingeschaut und argumentiert werden. Aber dafür war die britische Studie mit drei Jahren auch zu kurz.

bioSicherheit: Kann man die Ergebnisse dieser Studie nicht auch als wichtigen Beitrag zur Diskussion um umweltverträglichere Unkrautmanagementsysteme sehen?

Bernd Hommel: Durchaus – die britische Studie liefert aufgrund ihrer breiten Datenbasis erstmals auch umfangreiches Material zu den konventionellen Herbizidverfahren. So werden statistisch gesicherte Hinweise zur Anzahl der eingesetzten konventionellen Wirkstoffe, der Höhe der Wirkstoffmenge und der Anzahl an Überfahrten gegeben. Danach können die konventionellen Verfahren gegenüber den Herbizidresistenz-Verfahren als gleichwertig und bei Zuckerrüben sogar als unterlegen bewertet werden. Die Verminderung der ausgebrachten Wirkstoffe und -menge um ein Drittel und die Halbierung der Spritzfahrten in HR-Zuckerrüben sind nicht nur für die Landwirte wirtschaftlich interessant, sondern auch ein Beitrag zu Umweltverträglichkeit, insbesondere zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit. Bei einer Bewertung agronomischer Verfahren sind mehr Parameter als nur die Biodiversität auf dem jeweiligen Feld zu berücksichtigen.

bioSicherheit: Vielen Dank