Gentechnik-Gesetz im Bundesrat

Verhärtete Fronten

(02.04.) Der Bundesrat hat den Entwurf der Bundesregierung für ein neues Gentechnik-Gesetz mit der Mehrheit der CDU/CSU-geführten Bundesländer abgelehnt und sich für zahlreiche Änderungen ausgesprochen. Vor allem in den Kernpunkten Koexistenz und Haftung liegen die Auffassungen von Bundesregierung und Ländermehrheit weit auseinander.

Christian Wulff, Ministerpräsident Niedersachsen: „Der vorgelegte Entwurf ist ein Verhinderungsgesetz für die Nutzung neuer Technologien. Er schafft keine fairen Bedingungen für eine Koexistenz verschiedener Anbauformen.

Renate Künast, Verbraucher- schutzministerin: „Rund siebzig Prozent der Verbraucher und der Bauern sprechen sich gegen Anbau und Verzehr genmanipulierter Pflanzen aus. Mit dem Entwurf des Gentechnik-Gesetzes wollen wir Sicherheit geben, dass das, was gentechnikfrei produziert ist, auch gentechnikfrei bleibt.“

Fast einhundert Punkte des von der Bundesregierung vorgelegten „Gesetzes zur Neuordnung des Gentechnikrechts“ sollen nach dem Beschluss der Bundesrats-Mehrheit geändert werden. Sie betreffen die Kernpunkte des rot-grünen Gesetzentwurfs, die das Nebeneinander von Landwirtschaftsformen mit und ohne Gentechnik regeln sollen. Auch bei der Haftung für Schäden durch Auskreuzung und Beimischungen von GVOs in „gentechnikfreien“ Produkten stimmte der Bundesrat gegen die Vorschläge der Bundesregierung.

Auch die Bundesregierung hatte mögliche Schäden durch den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen ausschließlich ökonomisch definiert: Entschädigungspflichtig sind „Vermarktungsverluste“, wenn in Folge von Auskreuzungen und anderen Vermischungsvorgängen konventionelle oder ökologisch erzeugte Produkte als „gentechnisch verändert“ deklariert werden müssen und dadurch niedrigere Preise erzielen. Der Streit geht darum, wer und unter welchen Umständen für mögliche Schäden haftet.

  • Anders als im Gesetzentwurf will die Bundesrats-Mehrheit einen gv-Pflanzen anbauenden Landwirt nur dann in die Haftpflicht nehmen, wenn er gegen die Regeln guter fachlicher Praxis verstoßen hat. Diese sollen als Produktinformationen vom Saatguthersteller mitgeliefert werden. Hält sich ein Landwirt daran - indem er etwa Mindestabstände zwischen GVO- und konventionellen Feldern der gleichen Fruchtart beachtet -, kann er nicht persönlich haftbar gemacht werden.
  • Treten dennoch GVO-bedingte Schäden auf, ohne dass es ein Verschulden eines einzelnen Landwirts gibt, sind die fälligen Entschädigungen aus einem Ausgleichsfonds zu bezahlen. Nach den Vorstellungen des Bundesrates sollen sich Saatguthersteller, gv-Pflanzen anbauende Landwirte, aber auch der Bund an diesem Fonds beteiligen. Die Bundesregierung hatte in ihrem Gesetzentwurf eine gesamtschuldnerische Haftung der GVO anbauenden Landwirte vorgesehen.
  • Der Bundesrat hält ein zentrales Standortregister auf Bundesebene für ausreichend. In ihm werden Flächen, auf denen gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden, dokumentiert. Register auf Länderebene, wie sie Bundesregierung einführen will, seien nicht notwendig.
  • Den im Regierungsentwurf vorgesehenen „Sachkundenachweis“ beim Umgang mit gentechnisch verändertem Saat- oder Erntegut will der Bundesrat streichen.
  • Der Bundesrat hat die Bundesregierung aufgefordert, einen Schwellenwert für zulässige GVO-Beimischungen in Produkten festzulegen, die „ohne Gentechnik“ deklariert werden. Derzeit gelten etwa für Produkte des ökologischen Landbaus die gleichen Schwellenwerte wie für konventionelle Produkte.

Wenig Gemeinsamkeiten

Nicht nur beim Hauptstreitpunkt Koexistenz wollen die Bundesländer das neue Gentechnik-Gesetz nicht akzeptieren. Abgelehnt hat die Bundesratsmehrheit etwa den Vorschlag der Regierung, die Zentrale Kommission für Biologische Sicherheit aufzuteilen - in eine für gentechnische Anlagen und eine weitere für Freisetzungen und das Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Organismen. Die Länder wollen die derzeitige Regelung mit nur einer Sachverständigenkommission nicht ändern.

Zudem will der Bundesrat das Umweltbundesamt wieder als „Einvernehmensbehörde“ bei Freisetzungen vorsehen, obwohl die Verlagerung dieser Kompetenz auf das Bundesamt für Naturschutz gerade rechtskräftig geworden ist.

Noch ein weiteres Gesetz zur Gentechnik hat der Bundesrat abgelehnt. Damit sollten die EU-Verordnungen für gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel umgesetzt werden. Auch hier war die Bundesrats-Mehrheit gegen die Vorschläge der Bundesregierung und überwies das Gesetz an den Vermittlungsausschuss. Damit wird es vorerst keine Strafen für Verstöße gegen die ab 19. April geltenden Kennzeichnungsbestimmungen geben. Die neuen EU-Vorschriften zur Kennzeichnung und Zulassung von Leben- und Futtermitteln aus gentechnisch veränderten Pflanzen werden davon allerdings nicht berührt: Sie werden wie vorgesehen wirksam.

Zwischen Umweltverbänden und Ländermehrheit

Beim Gentechnik-Gesetz deutet sich nun ein langwieriges Beratungs- und Entscheidungsverfahren an. Als nächstes kann sich die Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates äußern. Danach hat der Bundestag und ein weiteres Mal der Bundesrat über das Gesetz zu beschließen. Wie auch immer der am Ende gefundene Kompromiss aussehen wird - der Bundesrat muss zustimmen. Die Akzente werden sich mehr in die Richtung verschieben, wie sie durch die Bundesrats-Mehrheit der CDU/CSU-geführten Länder vorgezeichnet ist.

Zugleich verschärfen außerhalb der Parlamente Anti-Gentechnik-Aktivisten, Umwelt- und Ökoverbände den Druck. Für sie ist schon der Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht streng genug, um die „gentechnik-freie“ Landwirtschaft vor den Auswirkungen der Grünen Gentechnik zu schützen.

Der Konflikt verschärft sich - und so schnell wird es keine politische Einigung geben. Bis dahin bleibt alles so wie es ist: Die EU-Freisetzungs-Richtlinie (2001/18), die Freisetzungen und das Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Pflanzen regelt, ist seit Oktober 2002 in Kraft. Sie gilt auch in jenen Ländern, die sie wie Deutschland noch nicht umgesetzt haben. Auch bei den praktischen Fragen eines GVO-Anbaus ändert sich bis zum Inkrafttreten eines neuen Gentechnik-Gesetze nichts: Konflikte werden nach geltendem Nachbarschaftsrecht und Bürgerlichem Gesetzbuch entschieden.