Wirkung von Bt-Toxin auf Nichtzielorganismen

Florfliegen nun doch nicht gefährdet

Mit einer neuen Testmethode konnte an der Eidgenössischen Forschungsanstalt FAL Reckenholz gezeigt werden, dass Florfliegenlarven nicht durch Bt-Toxin geschädigt werden. Einige Jahren zuvor hatte noch eine ähnliche Studie aus dem gleichen Forschungsinstitut Hinweise auf eine direkte Schädigung der Tiere ergeben.

Ein große Sorge beim Anbau von insektenresistenten Bt-Maispflanzen sind mögliche negative Effekte auf so genannte Nicht-Zielorganismen. Dazu gehören Nützlinge wie Marienkäfer, der Ahlenläufer (ein Käfer), die gegürtelte Schwebfliege oder die Florfliege, die als „Räuber“ im Feld helfen, die Zahl der Schädlinge gering zu halten.

Diese Tiere können entweder direkt z.B. durch den Pollen von Bt-Mais oder indirekt durch ihre Beutetiere, die sich von diesem Mais ernähren, in Kontakt mit dem Bt-Toxin kommen.

Florfliegenlarven sind bedeutende Nützlinge. Sie werden auch Blattlauslöwen genannt, weil sie im Laufe ihrer Entwicklung mehrere hundert Blattläuse vertilgen. Aber sie fressen auch an verschiedenen anderen Beutetierarten. Mit den Mundwerkzeugen durchdringen sie die Haut der Beutetiere oder etwa auch die Schale von Schmetterlingseiern und saugen diese aus. Die Larven durchlaufen in ihrer Entwicklung drei Larvenstadien, d.h. sie häuten sich zweimal, bevor sie sich dann verpuppen.

Die erwachsenen Tiere haben filigrane, netzartige Flügel und goldglänzende Augen. Sie ernähren sich hauptsächlich von Honigtau, Nektar und Pollen. Ihre hellgrüne Farbe wechselt im Herbst zu gelblich-braun.

Die Weibchen legen im Laufe ihres Lebens bis zu 700 Eier an den Unterseiten von Blättern ab.

Bild aus einer Videodokumentation über Florfliegen, die am Institut für Phytopathologie der Universität Kiel entstanden ist.

Erste Studie (Angelika Hilbeck u.a., 1998/99):

Fütterungsversuche mit Florfliegenlarven über alle drei Larvenstadien Es gab drei Versuchsreihen:

direkte Fütterung von Bt-Toxin, eingemischt in ein künstliches Nährmedium speziell für Florfliegenlarven. Die durchschnittliche Gesamtsterblichkeit betrug 57% im Unterschied zu30% bei den Kontrolltieren, die nicht mit Bt gefüttert wurden.

Fütterung mit Raupen, die Bt-Mais gefressen hatten. Durchschnittliche Sterblichkeit: 59% im Vergleich zu 37% bei der Kontrolle ohne Bt.

Fütterung mit Raupen, die Bt-Toxin in Kunstfutter gefressen hatten. Durchschnittliche Sterblichkeit bei verschiedenen Bt-Konzentrationen zwischen 55 und 78% gegenüber 26% bei der Bt-freien Kontrolle.

Zweite Studie (Jörg Romeis u.a., 2003): Es wurden u.a. folgende Versuchsreihen durchgeführt:

Florfliegenlarven im ersten Larvenstadium (L1) wurden mit einer Zuckerlösung mit und ohne Bt-Toxin gefüttert.
Kein direkter Effekt des Bt-Toxins zu erkennen. Auch nicht bei einer 10000-fach höheren Bt-Konzentration bezogen auf die Menge, die Florfliegenlarven aufnehmen, wenn sie mit Bt-Mais gefütterte Raupen fressen.

Die Florfliegenlarven im ersten Stadium (L1) wurden 6 Tage mit einer Zuckerlösung mit und ohne Bt-Toxin gefüttert. Danach wurden Insekteneier als hochwertiges Futter angeboten.
Die Entwicklung in die nächsten Larvenstadien wurde nicht durch die Bt-Toxingaben im ersten Larvenstadium negativ beeinflusst.

Florfliegenlarven im ersten Stadium (L1) wurden mit hochwertiger Nahrung (Insekteneier) oder mit einer minderwertigen Nahrung (Schmetterlingsraupen) gefüttert. In den nachfolgenden Larvenstadien (L2 und L3) wurde ausschließlich eine Zuckerlösung mit und ohne Bt-Toxin angeboten.
Es wurden in keinem Fall Effekte durch das Bt-Toxin auf die älteren Larvenstadien gefunden, auch wenn die Larven durch Fütterung mit einer minderwertigen Nahrung während des L1-Stadiums zusätzlich gestresst waren.

Signifikante Effekte

Während Untersuchungen bei den meisten Nützlingen keinerlei Schädigungen durch das Bt-Toxin nachweisen konnten, wurde vor etwa sieben Jahren in einer Studie der FAL eine höhere Sterblichkeit bei Florfliegenlarven nach direkter Fütterung mit Bt-Toxin - eingemischt in ein künstliches Nährmedium - festgestellt. Diese war im Vergleich beinahe doppelt so hoch wie bei Tieren, die nicht mit der Bt-Toxin-Nahrung gefüttert wurden.

Diese Ergebnisse deuteten auf eine direkte toxische Wirkung hin. Das war sehr überraschend, da man bis dahin davon ausging, dass das Bt-Toxin nur bei Schmetterlingen wie dem Maiszünsler, einem Hauptschädling von Maispflanzen, wirksam ist.

Darüber hinaus zeigte eine weitere Versuchsreihe, bei der die Florfliegenlarven mit Schmetterlingsraupen gefüttert wurden, die Bt-Mais gefressen hatten, eine ähnlich hohe Mortalität bei den Tieren. Das war ein beunruhigendes Ergebnis, da die Bt-Toxinmenge im Bt-Mais deutlich geringer ist als beim Versuch mit dem künstlichen Nährmedium. Die Vermutung war, dass das Toxin über die Nahrungskette in seiner Wirkung noch gesteigert wird.

Neuer Versuch mit Bt-Zuckerlösung

Um eine mögliche toxische Wirkung des Bt-Toxins auf Florfliegenlarven zu überprüfen, wurde nun von der FAL Reckenholz ein neuer Test zur direkten Fütterung der Florfliegenlarven mit Bt-Toxin entwickelt.

Statt eines Kunstfutters wurde eine einfache Zuckerlösung verwendet und darin Bt-Toxin gelöst. Die Nahrungsaufnahme wurde durch Wiegen der Tiere auf einer Mikrowaage überprüft und die aufgenommene Toxinmenge mit einer biochemischen Methode bestimmt. Selbst bei einer 10.000 mal größeren Bt-Toxinmenge als sie die Florfliegenlarven beim Verzehr von mit Bt-Mais gefütterten Raupen aufnehmen würden, wurde kein schädigender Effekt auf die Tiere gefunden.

Eine weitere Versuchsreihe zeigte, dass die Entwicklungszeiten der Larven im zweiten und dritten Stadium nicht durch eine Bt-Toxingabe während des ersten Larvenstadiums beeinflusst wurden.

Ein dritter Versuch zeigte, dass die beiden nachfolgenden Larvenstadien durch Fütterung mit der Bt-Zuckerlösung nicht negativ beeinflusst wurden, auch wenn die Tiere zuvor im ersten Larvenstadium eine minderwertige Nahrung erhalten hatten. Bei solchen gestressten Tieren hätte man noch am ehesten negative Effekte durch das Bt-Toxin erwarten können.

Verminderte Nahrungsqualität statt toxischer Wirkung?

Die vormals beobachteten negativen Effekte sind nach Einschätzung der Autoren der aktuellen Studie vermutlich eher auf eine verminderte Nahrungsqualität zurückzuführen, als auf eine direkte toxische Wirkung des Bt-Toxins.

Ihre Erklärungsansätze für die sehr unterschiedlichen Ergebnisse:

  • In der ersten Studie wurde nicht kontrolliert, ob und wie viel die Florfliegenlarven von dem angebotenen Futter auch wirklich gefressen hatten. Unregelmäßigkeiten im Versuch wären nicht aufgefallen.
  • Kunstfutter und Zuckerlösung könnten unterschiedliche Wirkungen auf Zusammensetzung und Aktivität von Verdauungsenzymen haben mit entsprechenden Folgewirkungen auf den Abbauprozess und damit auf die Entgiftung des Toxins. Doch mittlerweile zeigen auch andere Untersuchungen, dass das Bt-Toxin bei Florfliegenlarven prinzipiell nicht toxisch wirken kann und daher auch nicht vom Tier „entgiftet“ werden muss. Denn damit das Bt-Toxin toxisch wirken kann, muss es an Rezeptoren im Mitteldarm der Tiere binden können. Es konnte von einer niederländischen Forschergruppe gezeigt werden, dass die Florfliegen keine solchen Bindestellen besitzen.
  • In der ersten Studie wurde ein komplexes Kunstfutter verwendet, dessen Inhaltsstoffe von der Herstellerfirma nicht vollständig bekannt gegeben wurden. Möglicherweise hat es Wechselwirkungen zwischen Inhaltsstoffen dieses Futters mit dem Toxin gegeben. Dadurch verursachte physikalische oder chemische Veränderungen beim Kunstfutter könnten dessen Nahrungsqualität - die ohnehin nicht optimal war - weiter verschlechtert haben. Für eine solche Annahme spricht, dass sich bei den früheren Versuchen im ersten Larvenstadium zunächst auch kein negativer Effekt gezeigt hatte. Erst nach längerer Stressphase unter suboptimalen Ernährungsbedingungen stellten sich die negative Effekte ein.

Blattläuse bevorzugt

Auch die beobachtete hohe Mortalität bei Verzehr von mit Bt-Pflanzenmaterial gefütterten Raupen scheint demnach eher ein indirekter Effekt zu sein. Die durch den Bt-Mais vorgeschädigten Raupen sind von minderer Nahrungsqualität für die Florfliegenlarven und führen zu einem erhöhten Stress bei den Tieren.

Die Vermutung, dass das Bt-Toxin in den Schmetterlingsraupen in eine aktivere Form umgewandelt werden könnte, ist wenig wahrscheinlich. Die Autoren der neuen Studie haben aus den mit Bt-Mais gefütterten Raupen das Bt-Toxin extrahiert und an Maiszünslerraupen verfüttert. Dabei wurde keine erhöhte toxische Aktivität des Bt-Toxins festgestellt.

Unter natürlichen Feldbedingungen bevorzugen Florfliegenlarven ohnehin Blattläuse als Nahrung und nicht Schmetterlingsraupen. Die Blattläuse jedoch werden nicht durch das Bt-Toxin geschädigt, da diese Tiere aus einem Leitungssystem der Maispflanzen (dem Phloem) Saft saugen, das kein Bt-Toxin enthält. Eine andere Untersuchung hat zudem gezeigt, dass die Schmetterlingsraupen im Bt-Maisfeld dem Räuber in der Mehrzahl erfolgreich entfliehen können.

Die Ergebnisse der aktuellen Laborexperimente werden durch fünf Feldstudien bestätigt, bei denen ebenfalls keine negativen Effekte des Bt-Maises auf Florfliegen beobachtet werden konnten. Die Forscher der FAL sehen daher keine Hinweise mehr, dass der Bt-Mais für Florfliegen ein ernstzunehmendes Risiko darstellt.