Keine Annäherung in Sicht

(01.06.) Die Bundesregierung hat am 27. Mai ihren Entwurf für ein neues Gentechnik-Gesetz in den Bundestag eingebracht. In der Parlamentsdebatte prallten die gegensätzlichen Auffassungen von Koalition und Opposition aufeinander. Besonders umstritten sind nach wie vor die Punkte Haftung und Koexistenz. Verbraucherschutzministerin Renate Künast hat bereits angekündigt, dass sie notfalls das Gesetz in zwei Teile aufsplitten werde. So könnte die Bundesregierung die vorgeschlagenen Haftungsregelungen auch ohne Zustimmung des Bundesrates durchsetzen.

Gerda Hasselfeldt, CDU/CSU: „Mit diesem Gesetzentwurf ist ein Aufblähen der Bürokratie verbunden. Es wird zu mehr Verunsicherung und damit zu keiner Rechtssicherheit kommen. Die Haftungsregelungen sind willkürlich. Es wird nicht gefördert, sondern behindert und verhindert.“

Renate Künast, Verbraucher- schutzministerin: „Was wir brauchen, ist Sicherheit - Sicherheit für unsere Bäuerinnen und Bauern; denn sie müssen wissen, was auf ihren Feldern los ist, und sie müssen entscheiden können, welche Chancen sie nutzen wollen und welche nicht.“

Inhaltlich brachte die erste Lesung des Gesetzentwurfs kaum Neues. Die rot-grüne Bundesregierung will mit dem novellierten Gentechnik-Gesetz die „gentechnik-freie“ Landwirtschaft schützen und dazu Anbauvorschriften sowie spezielle Haftungspflichten für GVO-anbauende Landwirte erlassen. Die Opposition hält die vorgeschlagenen Auflagen für zu streng. Sie befürchtet, dass diese den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen und die Forschung im Bereich der Grünen Gentechnik unmöglich machen werden.

Beide Seiten hielten sich gegenseitig vor, das Gesetzgebungsverfahren verzögert zu haben. Die Bundesregierung, so der Vorwurf der Opposition, hätte schon bis zum Herbst 2002 ein Gesetz vorlegen und damit die Freisetzungsrichtlinie der EU (2001/18) in deutsches Recht umsetzen müssen. Die Koalitionsfraktionen werfen ihrerseits den unionsregierten Bundesländern vor, das neue Gesetz im Bundesrat zu blockieren und damit zu verhindern, dass Rechtssicherheit für konventionell arbeitende und GVO-anbauende Landwirte geschaffen wird.

Sowohl Regierung wie Opposition fühlten sich in ihren Positionen durch den im Mai gestarteten Erprobungsanbau mit gv-Mais bestätigt. Die Redner der Koalitionsfraktionen kritisierten, das von der Landesregierung Sachsen-Anhalts initiierte Anbauprogramm versuche Fakten zu schaffen, bevor Anbauvorschriften und Begleitforschung ausreichend geregelt seien. Unions- und FDP-Fraktion betonten, der gv-Mais-Anbau sei rechtmäßig. Das Bundessortenamt habe ihn schließlich genehmigt. Die Bundesregierung hätte es dagegen in den vergangenen Jahren versäumt, mit einem eigenen Erprobungsanbau Erfahrungen beim Nebeneinander von gv-Pflanzen und konventionellem Anbau zu sammeln.

Extra-Gesetz für Haftung?

Nach einer Expertenanhörung am 14. Juni wird sich zwei Tage später der Parlamentsausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft mit dem Gesetz beschäftigen und eine Beschlussempfehlung erarbeiten. Darüber werden in zweiter und dritter Lesung der Bundestag und danach der Bundesrat abstimmen. Die Positionen liegen jedoch so weit auseinander, dass eine Einigung zwischen diesen beiden Gremien sehr unwahrscheinlich ist. Vermutlich wird man auch im Vermittlungsausschuss keinen Kompromiss finden.

In einem Interview mit der Berliner Morgenpost kündigte Verbraucherschutzministerin Renate Künast an, dass sie in dem Fall die Haftungsfrage in einem Extra-Gesetz – ohne Zustimmung des Bundesrates – regeln könne. Das Gleiche gelte für das Standortregister, in dem alle GVO-Felder künftig eingetragen werden sollen. Die Festlegung einer „Guten Fachlichen Praxis“ für den Anbau von gv-Pflanzen sei dagegen nicht ohne die Länder möglich.

Auskreuzung - wer haftet?

Beim Haftungsstreit geht es um die Frage, nach welchen Kriterien gv-Pflanzen anbauende Landwirte ihre konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Nachbarn entschädigen müssen, wenn diese aufgrund von Auskreuzungen oder anderen Vermischungen ihre Ernten als „gentechnisch verändert“ kennzeichnen und deshalb Einkommenseinbußen hinnehmen müssen. Dafür werden derzeit vor allem zwei Modelle diskutiert:

  • Gesamtschuldnerische Haftung: Wenn nicht festzustellen ist, von welchem GVO-Feld die Vermischungen stammen, dann sollen nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung alle benachbarten GVO-Anbauer „gesamtschuldnerisch“ haften. Ein Verschulden müsste ihnen nicht nachgewiesen werden. Die Oppositionsfraktionen und die Bundesländer dagegen fordern, dass ein GV-Pflanzen anbauender Landwirt nur dann haftbar gemacht werden kann, wenn er gegen die Regeln der „Guten Fachlichen Praxis“ verstoßen hat.
  • Haftungsfond: Der Bundesrat favorisiert eine Fondslösung. Vermarktungsverluste, die nicht auf das Verschulden einzelner Landwirte zurückgeführt werden können, sollen aus einem Haftungsfond ausgeglichen werden. In diesen Fond, so der Vorschlag der Länder, sollen Saatguthersteller, GVO-anbauende Landwirte und der Bund Beiträge einzahlen. Ministerin Künast lehnt es jedoch ab, hierfür Steuermittel zu verwenden.