Rot-Grünes Gentechnik-Gesetz

Bundesrat will „grundlegende Bearbeitung“

(09.07.) Mit der Mehrheit der unionsregierten Bundesländer hat der Bundesrat den von der rot-grünen Bundestagsmehrheit beschlossenen Gentechnik-Gesetzentwurf an den Vermittlungsausschuss überwiesen. Die Länder streben eine grundlegende Überarbeitung des Gesetzentwurfes an. Scheitert das Vermittlungsverfahren, kann der Bundestag die Vorstellungen des Bundesrates zurückweisen. Allerdings ist dafür die absolute Mehrheit der Abgeordneten ("Kanzlermehrheit") erforderlich. Schon drei Abweichler aus dem rot-grünen Lager könnten das Gesetz zu Fall bringen.

Matthias Berninger (B90/Grüne, Parlamen- tarischer Staatssekretär im BMVEL) verteidigte den Gesetzentwurf der Bundesregierung im Bundesrat. Er erinnerte daran, dass die Mehrheit der Landwirte und Verbraucher den Einsatz der Gentechnik ablehne.

Petra Wernicke (CDU, Landwirtschaftsministerin Sachsen-Anhalt): „Mit dem Gesetz der Bundesregierung soll der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen verzögert, erschwert und verhindert werden.“

Auf seiner Sitzung am 9. Juli folgte die Mehrheit des Bundesrates der Empfehlung seines Agrarausschusses, der sich mit großer Mehrheit gegen den vom Bundestag verabschiedeten Gesetzestext ausgesprochen hatte.

Am 18. Juni hatte die Bundesregierung alle Teile, die einer Zustimmung des Bundesrates bedurft hätten, aus ihrem Entwurf herausgelöst. Die übrigen Passagen wurden so umformuliert, dass sie ohne Zustimmung des Bundesrates durchgesetzt werden können. Anders als bei zustimmungs- pflichtigen Gesetzen muss bei dem abgeänderten Entwurf im Vermittlungs- ausschuss kein Kompromiss gefunden werden.

Bleibt die Bundesregierung bei ihrer Linie, kann der nur verzögern. Im Herbst könnte die rot-grüne Koalition ihr Gentechnik-Gesetz verabschieden.

Die unionsregierten Bundesländer kritisieren, dass mit den vorgesehenen Anbau- und Haftungsregeln der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen faktisch verhindert werde. Außerdem sei durch die Aufteilung der Gesetzes-Novelle in einen zustimmungspflichtigen und einen nicht zustimmungspflichtigen Teil das eigentliche Ziel des Gesetzes, die längst fällige Umsetzung der EU-Freisetzungsrichtlinie 2001/18 in deutsches Recht, nicht erreichbar. Wichtige Regelungen, beispielsweise zur Koexistenz und zu Verfahrensabläufen, müssten nachträglich zwischen Bundestag und Bundesrat ausgehandelt werden und würden so weiter verzögert.

Bundesrat: Die Änderungsliste

Der Bundesrat hob in seiner Stellungnahme unter anderem folgende Punkte hervor, die bei der „grundlegenden Überarbeitung“ zu ändern seien:

  • Genehmigungspflicht für Auskreuzungen aus Freilandversuchen: Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung würde jede Auskreuzung aus Freilandversuchen, die zu GVO-Einträgen in den Ernten benachbarter Felder führt, als „Inverkehrbringen“ gelten. Da bei experimentellen Versuchen eine Genehmigung zum Inverkehrbringen in der Regel nicht vorliegt, können die Verantwortlichen solcher Versuche auch für geringste GVO-Spuren haftbar gemacht werden. Bei einem derart unkalkulierbaren Haftungsrisiko sind Freisetzungsversuche kaum noch möglich. „Aus Gründen der Rechtssicherheit für alle Beteiligte“ fordert der Bundesrat, dass GVO-Einträge aus Freilandversuchen nicht als genehmigungspflichtiges Inverkehrbringen definiert werden.
  • Koexistenz und Haftung: Nach dem Bundesratsbeschluss soll ein Landwirt, der gentechnisch veränderte Pflanzen anbaut, nur dann für Einkommenseinbußen konventionell wirtschaftender Nachbarn aufgrund von GVO-Beimischungen haftbar gemacht werden können, wenn er gegen die Regeln der Guten Fachlichen Praxis verstoßen hat. Auch die die im Regierungsentwurf vorgesehene gesamtschuldnerische Haftung aller gv-Pflanzen anbauender Landwirte einer Region soll entfallen. GVO-bedingte Ertragsausfallschäden, die nicht auf schuldhaftes Verhalten einzelner Landwirte zurückzuführen sind, will der Bundesrat aus einem Haftungsfonds entschädigen.
  • Gute Fachliche Praxis und Sachkundenachweis: Anders als die Bundesregierung hält es der Bundesrat nicht für erforderlich, die Gute Fachliche Praxis für den Anbau gv-Pflanzen in Form einer Verordnung zu regeln. Dies sei zu aufwändig und zu laufe dem Bestreben nach Entbürokratisierung zuwider. Angesichts der je nach Pflanzenart unterschiedlichen Koexistenzmaßnahmen sollten die Saatgut-Hersteller verpflichtet werden, Landwirte in den mitzuliefernden Produktinformationen auf die notwendigen Regeln hinzuweisen. Auch auf spezielle Schulungen für GVO-anbauende Landwirte will die Bundesratsmehrheit verzichten.
  • Standortregister: Der Bundesrat spricht sich dafür aus, die flurstücksgenaue Bezeichnung der Felder mit gv-Pflanzen nur in den nicht öffentlichen Teil des auf Bundesebene geführten Standortregisters aufzunehmen. Dieser ist nur bei Nachweis eines berechtigten Interessen zugänglich. Öffentlich genannt werden die Gemeinden, auf deren Gebiet Felder mit gv-Pflanzen liegen.
  • ZKBS: Die Bundesländer halten die von der Bundesregierung vorgesehene Aufteilung der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit in zwei Ausschüsse – einen für gentechnische Arbeiten in geschlossenen Systemen und einen für den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen im Freiland – für sachlich nicht begründet. Die Aufteilung führe zu einem erhöhten Kosten- und Verwaltungsaufwand.
  • Vereinfachte Verfahren: Die von der Bundesregierung gestrichenen Verfahrenserleichterungen bei gentechnischen Arbeiten in geschlossenen Systemen und bei Genehmigungen für Freilandversuche sollten nach Ansicht des Bundesrates wieder in den Gesetzestext aufgenommen werden.