ABIC-Konferenz 2004 in Köln

Rationalität und Radikalkritik

(15.09.) Drei Tage lang war Köln Gastgeber einer der weltweit wichtigsten Fachkonferenzen zur Agro-Biotechnologie. Wissenschaftler, Unternehmen und politische Entscheidungsträger aus aller Welt beschäftigten sich mit den weiteren Perspektiven der Grünen Gentechnik. Vor dem Messegelände, dem Tagungsort der ABIC, kam es zu Protestaktionen.

ABIC-Messe. Nicht nur Unternehmen, auch Regionen präsentierten sich auf der ABIC-Messe mit ihren auf die Biotechnologie ausgerichteten Wirtschaftsförderungs- konzepten. (Im Bild: Stand des Bundeslandes Sachsen- Anhalt)

Unter Glas. Ausgestellt wurden auch einzelne transgene Pflanzen - allerdings in einem Glaskasten nach den Anforderungen der Sicherheitsstufe 1.

Blickfang Maiskolben. „Natürlich“ ist gv-Mais für die etwa fünfzig Demonstranten vor dem Messegelände nicht. Doch eine Erklärung, was denn unter „Natur-Mais“ zu verstehen sei, blieben sie schuldig.

Eine andere Welt. Der Protest gegen Agro-Gentechnik ist eher eine Chiffre für radikale Systemkritik.

ABIC goes Europe: Mit der Entscheidung, die alle zwei Jahre stattfindende ABIC (Agricultural Biotechnology International Conference) erstmals außerhalb Nordamerikas abzuhalten, erhofften sich die Veranstalter neue Impulse für die Agro-Biotechnologie in Europa. Doch sowohl die Konferenz selbst wie die Gegenveranstaltungen der Gentechnik- Kritiker zeigten erneut, wie schwierig das politische Umfeld für die Agro-Biotechnologie vor allem in Europa immer noch ist.

Die nächste ABIC-Konferenz tagt 2006 im australischen Melbourne.

Landesregierung: Ja und nein

Eröffnet hatte die ABIC-Konferenz NRW-Wirtschaftsminister Schartau (SPD) mit der Ankündigung, sein Bundesland wolle einer der europaweit führenden Standorte der Biotechnologie werden. Er rief zu einer „sachgerechten Diskussion“ und „emotionslosen“ Abwägung auf. Zusammen mit anderen Organisationen und Unternehmen zählt Schartaus Ministerium zu den Sponsoren der Konferenz.

Seine Kabinettskollegin, die grüne Umweltministerin Bärbel Höhn, hatte es sich dagegen nicht nehmen lassen, eine von Misereor, Greenpeace und anderen Anti-Gentech-Gruppen organisierte Gegenveranstaltung zu besuchen. Aus ihrer Sicht sei die Aussaat von gv-Pflanzen ein nicht mehr „zu kontrollierender Freisetzungsversuch“. Agro-Biotechnologie verstärke die Abhängigkeit der Bauern und sei „keine Lösung für den Hunger in der Welt“.

Höhn, die nicht als offizielle Rednerin zu der Veranstaltung eingeladen war, wurde dort jedoch nicht nur als Verbündete begrüßt. Einige der Sprecher, vor allem aus den Reihen der Anti-Globalisierungs-Aktivisten von Attac, BUND-Jugend und lokalen Gruppierungen warfen ihr vor, sie und die grünen Minister in Berlin „erlauben den Anbau von genmanipulierten Pflanzen“.

Protest als System-Kritik

Mit dem Gentechnik-Gesetz „gibt Künast das Land für Monsanto und die anderen Konzerne frei“ wettert Lothar Gothe, ein ergrauter Bio-Bauer aus dem Kölner Umland, am Tag darauf auf der Gegenkundgebung vor dem Messegelände, wo die ABIC-Konferenz tagt. Er scheut sich nicht, vom „Endsieg der Biotechnologie“ und von der „Endlösung“ zu sprechen, die angeblich von den Konzernen, der EU und der WTO geplant werde.

„Das Volk wird zu Genfood gezwungen“, ruft Maria Mies, emeritierte Professorin an der Fachhochschule Köln den etwa fünfzig Demonstranten zu. Für sie und die anderen Protestler ist jedes Gen, jeder DNA-Schnipsel aus einer gentechnisch veränderten Pflanze, die in die „freie Natur“ gelangen, eine unkontrollierbare Gefahr, schlimmer noch als die Atomtechnologie. Jedes „Gen“ ist aber auch Ausdruck der Herrschaft der Konzerne, die gegen den Willen der Verbraucher und der Landwirte die Gentechnik durchsetzen.

Für die Aktivisten vor der Messe ist es die rot-grüne Bundesregierung, die das Verbot der Gentechnik aufgehoben hat. Dafindet es keine Beachtung, dass die extensiven Koexistenzregeln im rot-grünen Gentechnik-Gesetz faktisch die Anwendung der Agro-Gentechnik verhindern.

Ein Kordon von Sicherheitskontrollen hält den Protest und die Teilnehmer der ABIC-Konferenz auf Distanz. In den Messehallen werden die Parolen draußen mit unverständigem Kopfschütteln abgetan. Zu wirr, irrational und radikal erscheinen ihre Parolen, um sich ernsthaft damit auseinander zu setzen. Für die Besucher drinnen ist es eine Selbstverständlichkeit: Wenn gentechnisch veränderte Pflanzen zugelassen sind, dann gelten sie wissenschaftlich erwiesen als sicher. Ein Gen, das aus einer gv-Pflanzen auskreuzt, ist ein normaler Vorgang, der hier niemanden beunruhigt.

Doch: viele der Europäer wissen aus Erfahrung, dass Radikalkritik wie sie vor der Messe zu hören ist, in der Gesellschaft durchaus auf Resonanz trifft: Für viele Konsumenten ist das „Gen“ Träger einer ungewissen Gefahr, der man lieber ausweicht, um auf der „sicheren Seite“ zu sein.

Europa: schwieriger Spagat . Die europäische Biotechnologie- Strategie, die Manuel Hallen von der EU-Kommission vor der ABIC erläutert, muss einen schwierigen Spagat versuchen: Einerseits will Europa das große wissenschaftliche und wirtschaftliche Potenzial der Agro-Biotechnologie nutzen, andererseits sollen „ethische Bedenken aufgenommen“ werden. Information und Dialog mit der Gesellschaft sind für Hallen nicht Beiwerk, sondern zentrale Elemente der EU-Strategie.

Für viele Gäste aus USA und Kanada wie Michael Phillips von der BIO (Biotechnology Industriy Organization) erscheint das eher eine Kapitulation vor „grünen Aktivistengruppen“. In den USA leitet sich der Rechtsrahmen allein aus wissenschaftlichen, rationalen Grundsätzen ab. Wissenschaftler und staatliche Behörden genießen hohes Vertrauen. Wahlfreiheit, Kennzeichnung, Koexistenz und Vorsorgeprinzip - inzwischen Kernelemente der europäischen Gesetzgebung - sind aus Sicht vieler nicht-europäischer ABIC-Teilnehmer politische Zugeständnisse an eine irrationale Öffentlichkeit.

Von zwei Seiten wird die ausbalancierte Biotechnologie-Strategie der EU in die Zange genommen: Dort die Nordamerikaner und die wissenschaftsbasierten und handelspolitischen Grundsätze der WTO, hier eine Gesellschaft, die in vielen Mitgliedstaaten von einer tiefen Skepsis gegenüber der Grünen Gentechnik geprägt ist und sich von rationalen Argumenten kaum überzeugen lässt.

Schnelle und einfache Lösungen wird es in Europa nicht geben - daran hat die ABIC-Konferenz erwartungsgemäß wenig ändern können.