EU-Kommission: Standortbestimmung GVO-Politik

Zulassungen auch ohne Mehrheit der Mitgliedstaaten

(23.03.2005) Die neue, erweiterte EU-Kommission von José Manuel Barroso will die unter Romano Prodi begonnene GVO-Politik fortsetzen. Nach einer ersten Standortbestimmung kündigte die Kommission an, zügig weitere Zulassungen für gv-Pflanzen und daraus hergestellte Lebens- und Futtermittel auszusprechen. Die Kommission ermahnte die Mitgliedsländer, sich aktiver an den Genehmigungsverfahren zu beteiligen.

Kommissionspräsident José Manuel Barroso: Kein Stillstand bei GVO- Zulassungen

Markos Kyprianou (Zypern), Kommissar für Gesundheit und Verbraucherschutz

Erstmals diskutierte die Barroso-Kommission gestern über die von ihr einzuschlagende GVO-Politik. Grundlage war ein Positionspapier, das von den sechs für Gentechnik und GVO-Produkte zuständigen Kommissaren ausgearbeitet worden war. Das Papier stellt fest, dass eine Mehrheit der Verbraucher in fast allen EU-Ländern GVO-Lebensmittel ablehnt. Daran haben auch die neuen GVO-Rechtsvorschriften der EU kaum etwas geändert. Für die Kommission gelten diese als die weltweit strengsten: Sie garantieren eine fallweise Sicherheitsbewertung auf hohem wissenschaftlichen Niveau und bieten den Konsumenten Wahlfreiheit durch eine umfassende Kennzeichnung.

Bisher hat sich jedoch nur in Spanien nennenswerter Anbau von gv-Mais entwickelt.

Passive Mitgliedsländer: Die Kommission entscheidet

Unzufrieden zeigt sich die Kommission mit den Entscheidungsprozessen bei Zulassungen von GVOs und GVO-Produkten. Alle dreizehn Entscheidungsvorschläge, die von der EU-Kommission seit dem Ende des Moratoriums 2004 vorgelegt wurden, erhielten weder im „Ständigen Ausschuss“ noch im Ministerrat die erforderliche qualifizierte Mehrheit. Eine kleine Gruppe von Ländern stimmte in der Regel für die Zulassungen, eine größere Gruppe war grundsätzlich dagegen. Die Mehrheit der Mitgliedstaaten enthielt sich.

Kommt keine qualifizierte Mehrheit zustande, hat nach den Europäischen Verträgen die Kommission die Entscheidungskompetenz.

Da sich diese politische Situation kurzfristig kaum ändern wird, will die Barroso- Kommission auch künftig die Verantwortung für Zulassungsentscheidungen übernehmen, auch wenn sie dabei nicht von einer Mehrheit der EU-Länder unterstützt wird. Die Kommission erinnerte die Mitgliedstaaten daran, sich aktiver an den Zulassungsverfahren zu beteiligen und dafür zu sorgen, dass sie mit klaren, wissenschaftlich fundierten Entscheidungen beendet werden.

Zügige Zulassungen

Nun wird erwartet, dass die Kommission, in der auch die neuen Mitgliedstaaten vertreten sind, eine Reihe von Zulassungsverfahren zur Entscheidung bringen wird. Zunächst dürfte die Einfuhr von herbizidresistentem Raps (GT73) zugelassen werden, über den sich der Ministerrat nicht verständigen konnte.

Bis zum 18. April muss die Kommission auch darüber entscheiden, welche der noch unter den alten Rechtsvorschriften erteilten Zulassungen weiterhin gültig bleiben sollen. Dazu muss die Kommission prüfen, ob die jeweiligen GVO-Produkte auch den neuen Sicherheitsanforderungen entsprechen.

Koexistenz: Entscheidung Ende des Jahres

Nicht festgelegt hat sich die Kommission bei der Frage der Koexistenz. Bis Ende des Jahres soll ein Bericht über die von den Mitgliedstaaten erlassenen Koexistenzregelungen vorliegen. Auf dieser Basis will die Kommission entscheiden, ob es EU-weit einheitliche Vorschriften zur Koexistenz von GVO- und konventionellem Anbau in der Landwirtschaft geben soll.