MON863-Mais: Gericht verfügt Offenlegung aller Unterlagen

Keine Geheimnisse in Sicherheitsfragen

(24.06.2005) Nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster mussMonsanto wichtige Unterlagen aus dem Zulassungsverfahren für den gentechnisch veränderten Mais MON863 offen legen. Unter Berufung auf Geschäftsgeheimnisse hatte das Agrobiotech-Unternehmen nur einen Teil der Dokumente zugänglich machen wollen. Hintergrund des Streits sind Diskussionen um die von Monsanto durchgeführten Fütterungsversuche mit MON863-Mais. Die Richter in Münster bestätigten damit eine Entscheidung der Kölner Vorinstanz.

Käfer an einem Maiskolben
durch Diabrotica-Fraß umgekippte Maispflanzen

Der gv-Mais MON 863 besitzt eine Resistenz gegen den Maiswurzelbohrer, der in den USA, aber auch zunehmend in Europa große Schäden verursacht. Der Käfer befällt die Wurzeln (Bild Mitte), so dass die Pflanzen umknicken (unten). Der Maiswurzelbohrer ist bisher vor allem in Osteuropa verbreitet. Er ist inzwischen auch in der Schweiz und Frankreich aufgetaucht.
Fotos: Mihaily Czepo, aufgenommen in Ungarn 2003.

Verdächtig oder normale Streuung? Anzahl der weißen Blutkörperchen in männlichen Ratten nach 14 Wochen (1000 / Mikroliter Blut) Dargestellt sind Tiere, die eine MON863-Diät erhalten haben sowie eine Kontrollgruppe mit der unveränderten Ausgangslinie (control). Weitere Gruppen erhielten verschiedene Maissorten (5-10, zusammengefasst unter population).

Monsanto hatte gegen die in Deutschland zuständige Gentechnik-Behörde, das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) geklagt. Das Unternehmen berief sich dabei auf das Recht, Teile der Genehmigungsunterlagen als vertraulich einzustufen, falls Geschäftsgeheimnisse verletzt werden könnten. Greenpeace hatte jedoch von der Behörde die Herausgabe der vollständigen MON863-Unterlagen verlangt. Das Gericht in Münster wertete das Informationsrecht der Öffentlichkeit höher als den Vertrauensschutz des Unternehmens. Nach Auffassung der Richter nehme das Gentechnik-Gesetz die „Beurteilung der vorhersehbaren Wirkungen, insbesondere der schädlichen Auswirkungen auf menschliche Gesundheit und Umwelt“ vom Geheimnisschutz aus.

Streit um Unterlagen, Diskussion um Sicherheit

Hintergrund des Streits sind Diskussionen um die von Monsanto durchgeführten Fütterungsversuche mit MON863-Mais. Im Kern geht es darum, ob die einzelnen Befunde bei den Versuchstieren, die mit MON863 gefüttert wurden, im Rahmen der üblichen „biologischen Streuung“ liegen oder ob sie als Indizien für gesundheitliche Gefahren zu werten sind. Insgesamt vierhundert Ratten waren in die Versuche einbezogen: Eine Gruppe hatte über 90 Tage eine Diät mit MON863-Mais erhalten, eine andere die gentechnisch nicht veränderte Ausgangssorte. Weitere Ratten erhielten verschiedene andere Maissorten. Ausgewertet wurden Körper- und Organgewichte, negative Effekte im Blutbild, mikroskopische Gewebeuntersuchungen und pathologische Befunde. Auffällig war, dass in der MON863-Gruppe die männlichen Tiere nach vierzehn Tagen eine erhöhte Anzahl weißer Blutkörperchen im Blut aufwiesen (siehe Grafik). Auch das Gewicht der Nieren lag bei diesen Tieren unter dem Durchschnitt.

Seit Beginn des Zulassungsverfahrens lag den Behörden die mehr als tausend Seiten umfassende Dokumentation zu den Fütterungsversuchen vor. Öffentlich zugänglich war die gesetzlich vorgeschriebene Zusammenfassung der Antragsunterlagen. Später stelle Monsanto noch eine Kurzfassung der Fütterungsversuche zusammen.

„Genau so sicher wie konventioneller Mais. “ Kleine Chronik der wissenschaftlichen Beratungen

Am 2. April 2004 beschloss das zuständige Gentechnik-Expertengremiums der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) die erste Stellungnahme zum MON863-Mais. Darin kommen die Experten zu dem Schluss, die bei den Versuchstieren gefundenen Abweichungen seien „toxikologisch nicht relevant“ und bewegten sich in einer statistisch nicht ungewöhnlichen Bandbreite. Die EFSA hatte keine Bedenken, die Zulassung von MON863 zu empfehlen.

Zu ähnlichen Schlussfolgerungen wie die EFSA waren auch Behörden anderer EU-Länder gekommen, etwa das damals in Deutschland zuständige Robert-Koch-Institut (RKI).

Vor allem in Frankreich äußerten Wissenschaftler Zweifel. Daraufhin wurden die Versuchstiere noch einmal eingehend untersucht. Doch auch weitere Gewebe-, Zell- und Organuntersuchungen ergaben kein anderes Bild: Die Bandbreite der Daten lag innerhalb der normalen biologischen Variabilität. Der Verdacht, die erhöhte Zahl von weißen Blutkörperchen bei einigen MON863-Ratten sei ein Indiz für „echte Entzündung“, bestätigte sich nicht.

Nun schlossen sich auch die Experten der französischen Behörden der Sicherheitsbewertung der EFSA an. Auch sie sahen keine offenkundigen Anzeichen für eine gesundheitliche Gefährdung durch MON863-Mais.

Am 20. Oktober 2004 beriet das EFSA-Expertengremium (GMO-Panel) erneut über den MON863-Mais und bekräftigte die Schlussfolgerungen aus dem Frühjahr: Die Fütterungsversuche lieferten keine Hinweise, dass MON863-Mais für Menschen oder Tiere schädlich sein könnte.

Doch die Zweifel in der Öffentlichkeit waren damit nicht beendet. Greenpeace und andere Kritikergruppen forderten die Herausgabe der vollständigen Fütterungsstudie. Monsanto weigerte sich und nährte damit den Verdacht, die Sicherheit von MON863 sei, anders als es Behörden und Unternehmen behaupteten, keinesfalls erwiesen.

Die EFSA sah sich gezwungen, am 24. Mai 2005 noch einmal zu erklären, ihre Sicherheitsbewertung stütze sich auf die vollständige, 1139 Seiten umfassende Fütterungsstudie. Danach sei der MON863-Mais „genau so sicher wie das konventionelle Pedant.“

Greenpeace hält den MON863-Mais weiterhin für „gefährlich“. Auf einer Pressekonferenz am 22. Juni in Berlin wurde die Bundesregierung aufgefordert, gegen eine Zulassung zu stimmen. Professor Eric-Gilles Seralini, ein französischer Wissenschafter, sagte dort, angesichts der auffälligen Ergebnisse sei es notwendig, die Versuche zu wiederholen.

Zulassungsentscheidung weiter offen

Am 24.Juni beriet der EU-Ministerrat über den Antrag, den Import von MON863-Mais und die Verarbeitung zu Lebens- und Futtermitteln in der EU zu genehmigen. Weder für die Zustimmung, noch für die Ablehnung fand sich die erforderliche qualifizierte Mehrheit. Deutschland stimmte für die Zulassung, gab jedoch zu Protokoll, dass die Bundesregierung „weitere Untersuchungen der Gesundheitsverträglichkeit dieser Maislinie für erforderlich hält.“ Nun kann die EU-Kommission eine Entscheidung treffen. Sollte sie eine Zulassung empfehlen, können die Mitgliedstaaten diesen Vorschlag nur mit qualifizierter Mehrheit zurückweisen.