BMVEL-Forschungsprogramm zu Bt-Mais

„In den nächsten Jahren wollen wir unsere Versuche möglichst praxisnah gestalten.“

An sechs Standorten lässt das Bundesverbraucherministerium Anbauversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen durchführen. Erneut geht es um das Auskreuzungsverhalten von Mais, aber auch um mögliche Auswirkungen des Bt-Maisanbaus auf die biologische Vielfalt. In diesem Jahr sollen in erster Linie Untersuchungsmethoden entwickelt und getestet werden. Das eigentliche Versuchsprogramm ist ab 2006 geplant. bioSicherheit sprach dazu mit Dr. Gerhard Rühl, dem Koordinator des Programms.

Dr. Gerhard Rühl, Koordinator des BMVEL- Forschungsprogramms zur Sicherung der Koexistenz gentechnikfreier und Gentechnik verwendender Landwirtschaft und Schutz der Biodiversität; Institut für Pflanzenbau und Grünlandwirtschaft, FAL Braunschweig

Aussaat auf der Versuchsfläche Mariensee. Nach der Aussaat von Bt-Mais wird die Drillmaschine gereinigt. Saatkörner werden mit einer Plane aufgefangen.

Versuchsanlage in Wendhauen. Auf einer Fläche von 3,9 Hektar wird Bt-Mais ausgepflanzt. Konventioneller Mais wächst auf 9,9 Hektar. Hinzu kommen Flächen mit Sonnenblumen, Klee/Gras sowie Hanf zur Abtrennung der beiden Teilflächen.

Das BMVEL- Forschungsprogramm wird in drei Ressortforschungs- einrichtungen durchgeführt: Der Bundesanstalt für Züchtungsforschung an Kulturpflanzen (BAZ), der Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA) und der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL). Der Programmteil mit Untersuchungen zum Schutz der Biodiversität wurde vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) erarbeitet.

bioSicherheit: Das BMVEL startet dieses Jahr mit einem eigenen Forschungsprogramm zum Bt-Maisanbau. Was ist die Zielsetzung?

Gerhard Rühl: An verschiedenen Standorten in Deutschland werden mehrjährige Feldversuche durchgeführt. Dabei geht es um drei Schwerpunkte. Zum einen soll der Einfluss gentechnisch veränderter Pflanzen auf die Umwelt und die biologische Vielfalt untersucht werden. Zum anderen wollen wir uns damit beschäftigen, wie in der Praxis ein Nebeneinander von gentechnisch veränderten und konventionellen Kulturen realisiert werden kann. Der dritte Schwerpunkt wird sich mit ökonomischen und sozioökonomischen Konsequenzen des Anbaus von gentechnisch veränderten Pflanzen befassen.

bioSicherheit: Ein Schwerpunkt des Programms ist der Schutz der Biodiversität. Welche Fragestellungen stehen hier im Vordergrund?

Gerhard Rühl: Uns interessiert vor allem, ob sich das Bodenleben und die Vielfalt der auf dem Feld lebenden Insekten ändert, je nachdem ob gentechnisch veränderter oder konventioneller Mais angebaut wird. In diesem Jahr werden zunächst an zwei Standorten Voruntersuchungen durchgeführt. In erster Linie geht es darum, geeignete Methoden zu testen und weiterzuentwickeln, die dann im Versuchsprogramms ab 2006 eingesetzt werden sollen.

bioSicherheit: Das hört sich ja so an, als ständen wir in Bezug auf den Bt-Mais-Anbau ganz am Anfang. Inzwischen ist gerade dazu eine Vielzahl an Daten vorhanden. In den letzten Jahren wurden in Deutschland zahlreiche Forschungsprojekte gefördert, die sich mit den möglichen Auswirkungen des Bt-Maises auf Insekten, Schmetterlinge, Käfer, Blattläuse beschäftigt haben, aber auch zum Verhalten des Bt-Toxins im Boden. Gibt es aus Ihrer Sicht noch offene Fragen, die weiter untersucht werden müssten?

Gerhard Rühl: Ich stimme Ihnen zu, dass bereits umfangreiche Arbeiten zum Thema Biodiversität geleistet worden sind. Aus der Sicht des BMVEL ist es jedoch wünschenswert, bestimmte Teilaspekte auch langfristig zu überprüfen. Dafür eignen sich besonders die Forschungseinrichtungen des Ministeriums. Anders als bei den meist auf drei Jahre terminierten Projektförderungen können hier Untersuchungen über längere Zeiträume - und wenn nötig am gleichen Standort - durchgeführt werden. Wenn wir auf Basis der diesjährigen Voruntersuchungen das Programm für die nächsten Jahren erstellen, werden wir auch die Ergebnisse der BMBF-geförderten Forschungsprojekte berücksichtigen.

bioSicherheit: Eine weitere Zielsetzung des Forschungsprogramms ist die Präzisierung von Bedingungen zum Schutz der gentechnikfreien Produktion. Welche Fragestellungen stehen hier im Vordergrund?

Gerhard Rühl: In verschiedenen Versuchsanordnungen sollen Informationen zur Auskreuzung gewonnen werden. Uns interessiert, welchen Einfluss die Nutzung der Zwischenflächen, etwa ein niedrig wachsendes Klee-Gras-Gemisch oder hoch wachsende Sonnenblumen auf den Pollenflug hat. Gemessen wird in verschiedenen Entfernungen von der Pollenquelle. Die Probenahmepunkte sind so verteilt, dass mit den Daten eine Modellierung unterschiedlicher Feldgrößen und -geometrien möglich wird. An einigen Standorten werden die Versuche nicht nur mit Bt-Mais durchgeführt, sondern zusätzlich mit einem Gelbmais/Weißmais-System sowie mit einem weiteren System, bei dem die beiden Maistypen anhand eines molekularen Markers zu unterscheiden sind. Damit wollen wir prüfen, ob bestimmte Fragen zur Auskreuzung auch mit Testsystemen zu klären sind, bei denen der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen nicht erforderlich ist.

bioSicherheit: Warum nimmt man nicht den Bt-Mais als Marker? Die Weißmais-Variante ist doch wesentlich ungenauer.

Gerhard Rühl: Sie haben recht. Anders als beim molekularen Marker müssen wir jedoch beim Farbmais-System keine quantitative Auswertungsmethode entwickeln. Die Vorgabe war, alternative Testverfahren für Auskreuzungsuntersuchungen zu finden. Außerdem sollen die Ergebnisse älterer Studien zur Maisauskreuzung, die mit Farbmais durchgeführt wurden, besser eingeschätzt werden können.

bioSicherheit: Mittlerweile haben Anbauversuche in mehreren Ländern eine Menge Daten zum Auskreuzungsverhalten von Mais geliefert. Daraus resultieren Empfehlungen zu Abstandsflächen zwischen Feldern mit gentechnisch verändertem und konventionellem Mais. Wäre es da nicht sinnvoller, in die Praxis zu gehen und die Regeln zur Guten fachlichen Praxis zu konkretisieren?

Gerhard Rühl: Deshalb wollen wir in den nächsten Jahren bei unseren Versuchen möglichst praxisnah werden. Welchen Umfang das Programm aber annehmen wird, ist derzeit noch unklar. Das wird von den diesjährigen Ergebnissen abhängen und den politischen Rahmenbedingungen der nächsten Jahre.

bioSicherheit: Werden die Ergebnisse als Handlungsempfehlungen in den gesetzgeberischen Prozess einfließen?

Gerhard Rühl: Das Gentechnik-Gesetz sieht eine Verordnung zur Guten fachlichen Praxis beim Anbau von gentechnisch veränderten Kulturpflanzensorten vor. Die Ergebnisse des Forschungsprogramms sollen in deren Ausgestaltung einfließen, etwa bei der Festlegung von Mindestabständen und anderen pflanzenbaulichen Maßnahmen, die bei einem benachbarten Anbau von gentechnisch verändertem und konventionellem Mais zu beachten sind. Ferner wird untersucht, wie in der Praxis ein sachgerechter Umgang mit dem gentechnisch veränderten Pflanzenmaterial bei Saatgutlagerung, Aussaat, Ernte und Transport gewährleistet werden kann.

bioSicherheit: Das Programm soll durch hohe Transparenz gekennzeichnet sein. Wie stellen Sie dies sicher?

Gerhard Rühl: Von Beginn an wurde das Forschungsprogramm im BMVEL als Teil des gesellschaftlichen Diskurses um die Gentechnik gesehen. Für die beteiligten Wissenschaftler stellt sich deshalb in besonderer Weise die Aufgabe, das Programm mit wissenschaftlichen Kollegen zu diskutieren und die interessierten Verbände einzubinden. An den Bt-Mais-Standorten haben wir Informationsveranstaltungen durchgeführt, für die Öffentlichkeit, aber auch für Landwirte und Imker aus der Umgebung.

bioSicherheit: Vielen Dank für das Gespräch.