ISBCA-Symposium Davos. Jörg Romeis im Gespräch

„Die Bt-Technologie hat dem integrierten Pflanzenschutz neue Impulse gegeben.“

In zahlreichen Ländern werden gentechnisch veränderte Mais- und Baumwollpflanzen angebaut, die infolge neu eingefügter Gene bestimmte, gegen Schadinsekten gerichtete Wirkstoffe (Bt-Toxine) produzieren. Können diese Bt-Pflanzen einen Beitrag leisten zum Integrierten Pflanzenschutz? - Das war zentrales Thema einer Sektion auf dem diesjährigen internationalen Symposium zur Biologischen Schädlingskontrolle vom 12. bis 16. September in Davos. Anders als auf dem Vorgänger-Symposium 2002 in Hawaii, als nur vorläufige Einschätzungen möglich waren, konnten nun Auswertungen langjähriger Feldversuche in USA, Australien und China vorgestellt werden. – bioSicherheit sprach mit Dr. Jörg Romeis, der zusammen mit seinem amerikanischen Kollegen Anthony Shelton das Tagungsprogramm zu diesem Thema vorbereitete.

Diesmal in der Schweiz. Das zweite internationale ISBCA-Symposium (International Symposium Biological Control of Arthropods) fand vom 12.- 16. September 2005 in Davos statt.

220 Teilnehmer aus 52 Ländern. Im Vordergrund standen Beiträge aus USA, Australien und China. Hier hat der Anbau von Bt-Pflanzen inzwischen hohe Flächenanteile erreicht. Durch Bt-Baumwolle konnten in China und Australien bei bei den Pflanzenschutzmittel deutliche Einsparungen erzielt werden. (Foto: KCS Convention Service)

Der Integrierte Pflanzenschutz (Integrated Pest Management, IPM) stellt eine wichtige Komponente einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Landwirtschaft dar. Die Grundsätze: Chemischer Pflanzenschutz soll gezielt und sparsam eingesetzt werden. Alle Maßnahmen sind auf ein nachhaltiges biologisches Gleichgewicht von Schädlingen und Nützlingen auszurichten.

Dr. Jörg Romeis, Mitorganisator des Symposiums zur Biologischen Schädlingskontrolle in Davos, beschäftigt sich mit Projekten zur Abschätzung der Effekte von transgenen Pflanzen auf Nicht-Zielorganismen.

bioSicherheit: Können Sie uns die Zielsetzungen des Integrierten Pflanzenschutzes und der Biologischen Schädlingskontrolle kurz erläutern?

Jörg Romeis: Der Integrierte Pflanzenschutz, auch Integrated Pest Management (IPM) genannt, versucht vereinfacht gesagt alle zur Verfügung stehenden Maßnahmen einzusetzen, um den Pestizideinsatz bei der Bekämpfung von Schädlingen zu verringern. Das Ziel ist ein umweltfreundlicher und nachhaltiger Pflanzenschutz. Die Biologische Schädlingsbekämpfung als eine der Maßnahmen versucht über die Förderung und die Freisetzung von Nützlingen die Schadorganismen einzudämmen. In der Diskussion um die Umweltverträglichkeit der Bt-Technologie schauen wir uns deshalb sehr genau deren Auswirkungen auf die Nützlingsfauna an. Das Ergebnis vergleichen wir mit dem Zustand auf den konventionellen Nicht-Bt-Feldern.

bioSicherheit: Die Bt-Technologie nimmt für sich in Anspruch, zielgerichtet und nützlingsschonend Schädlinge zu bekämpfen und chemischen Pflanzenschutz einzusparen. Dies sind wichtige Komponenten des IPM-Konzeptes. Ist die Bt-Technologie mit den Zielen des Integrierten Pflanzenschutzes vereinbar?

Jörg Romeis: Generell ja! Wir müssen uns aber die verschiedenen Kulturarten gesondert ansehen und auch regional differenzieren. Bt-Sorten bei Baumwolle, Süßmais oder bei Mais in Spanien ersetzen die Breitspektrum-Insektiztide, die üblicherweise zur Bekämpfung der Schadschmetterlinge verwendet werden. Alle vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass die Verminderung des Insektizid-Einsatzes durch den Bt-Anbau deutliche positive Folgen für Nützlinge hat. Anders in den USA: Dort hat der Bt-Mais-Anbau den Einsatz von Insektiziden kaum reduziert. Dies ist darauf zurückzuführen, dass zur Bekämpfung des Hauptschädlings (Maiszünsler Ostrinia nubilalis) aus ökonomischen und technischen Gründen kaum Insektizide eingesetzt wurden.

bioSicherheit: In welchen Ländern und bei welchen Kulturen wird die Bt-Technologie im Zusammenhang mit IPM-Programmen diskutiert?

Jörg Romeis: Da fällt mir als Erstes Australien ein. Bis vor kurzem setzte man dort bei der Bekämpfung von Schadschmetterlingen fast nur auf Insektizide. Als dann Bt-Baumwolle angebaut wurde, ging der Insektizideinsatz um fast 60 Prozent zurück. In der Saison 2004/05 kam two-gene cotton mit zwei Varianten des Bt-Toxins hinzu. Dadurch reduzierte sich der Insektizideinsatz sogar um 95 Prozent. In Australien gilt die Bt-Technologie inzwischen als wichtiger Baustein für ein nachhaltiges IPM-Programm. Gary Fitt, der als Wissenschaftler daran beteiligt ist, hat dazu in Davos einen Vortrag gehalten. Bei Anbau von Bt-Pflanzen war die Nützlingsfauna um das Drei- bis Vierfache erhöht gegenüber den konventionellen Kulturen. Mit dem Einsatz von Bt-Baumwolle hat nach seiner Auskunft ein Umdenken in Australien stattgefunden. Die Bt-Technologie hat dem IPM-Gedanken einen neuen Impuls gegeben.

bioSicherheit: Gibt es auch Argumente gegen eine Integration der Bt-Technologie in IPM-Programmen?

Jörg Romeis: Als ein wichtiges Argument wird das mögliche Auftreten von Resistenzen in den Zielschädlingen angeführt. Sollte dies der Fall sein, müsste wieder auf Insektizide zurückgegriffen werden. Derartige Resistenzen sind aber bisher in Feldpopulationen in mehrjährigem, grossflächigem Anbau noch nicht aufgetreten.

Auch ist es ein weit verbreiteter Irrglauben, dass konventionelle Bt-Spritzmittel automatisch ihre Wirkung verlieren, wenn Schädlinge Resistenzen gegen die in den transgenen Pflanzen gebildeten Bt-Toxine entwickeln. Denn - wir haben es mit zwei grundlegend unterschiedlichen Produkten zu tun. Klassische Bt-Spritzmittel enthalten neben verschiedenen Varianten der Bt-Toxine auch noch eine Reihe anderer insektizider Inhaltsstoffe. Alle Studien, die bis heute vorliegen zeigen, dass Schadschmetterlinge, die im Labor auf eine Resistenz gegenüber einem bestimmten Bt-Toxin hin selektiert wurden, unverändert sensitiv gegenüber Bt-Spritzmitteln sind.

Wenn wir uns den Anbau von Bt-Baumwolle in den USA und in China ansehen, so fällt auf, dass dort der Einsatz von Insektiziden stark zurückgegangen ist. Allerdings treten gelegentlich Sekundärschädlinge auf. Das sind vor allem Wanzen und Blattläuse. Das Auftreten von neuen Schädlingen wird gerne gegen Bt-Pflanzen ins Feld geführt. Genau das Gegenteil ist aber der Fall. Bt-Pflanzen wirken zielgerichtet ausschließlich auf Schmetterlings-Raupen. Mit dem Wegfall von Breitspektrum-Insektiziden, die gegen die Schadschmetterlinge eingesetzt werden, gewinnen nun Schädlinge die Oberhand, die früher von diesen Insektiziden unter Kontrolle gehalten wurden.

bioSicherheit: Welche Verbesserungen schlagen Sie vor, um die Bt-Technologie IPM-verträglich zu machen?

Jörg Romeis: Es ist nötig, an der nachhaltigen Nutzung von Bt-Pflanzen zu arbeiten. Ich denke da an Bt-Pflanzen mit zwei insektiziden Genen, die sich in ihrer Wirkungsweise unterscheiden. Die neuen two-gene Bt-Baumwollpflanzen sind ein wirksamer Weg, um der Resistenzbildung von Schädlingen vorzubeugen. Eine weitere Verbesserung sehe ich darin, die Bildung der Bt-Toxine gezielt über spezielle Promotoren zu steuern. So kann man sicherstellen, dass die Toxine nur dort gebildet werden, wo man sie auch braucht. Ein Beispiel dafür ist ein neuer Bt-Mais, der eine Resistenz gegen den Maiswurzelbohrer (Diabrotica) aufweist. Die Larven dieses Schädlings fressen nur an den Maiswurzeln. Es würde also völlig ausreichen, wenn das Bt-Toxin nur dort gebildet wird.

bioSicherheit: Welches Fazit ziehen Sie aus der Tagung?

Jörg Romeis: Die Bt-Technologie ist relativ neu und wir betrachten sie daher verständlicherweise mit einer guten Portion Vorsicht oder vielleicht sogar Skepsis. Wir müssen die Risikoanalyse, die im Vorfeld einer Kommerzialisierung neuer Bt-Pflanzen gemacht wird, weiter verbessern, um Unsicherheiten zu verringern. Hier helfen die Erfahrungen aus langjährigen Feldversuchen im großflächigen Anbau. Die Ergebnisse einer Reihe von mehrjährigen Freilandversuchen in den USA und in Australien sind gerade publiziert worden. Alle bis heute vorliegenden Ergebnisse zeigen deutlich, dass Bt-Pflanzen die Nützlingsfauna nicht beeinträchtigen, ganz im Gegensatz zu den konventionellen Insektiziden. Ich sehe daher eine gute Kompatibilität von Bt-Pflanzen mit der Biologischen Schädlingsbekämpfung und dem IPM-Konzept. Im Moment wird nur gefragt: Was passiert, wenn wir Bt-Pflanzen einsetzen? Es sollte auch die Frage erlaubt sein: Was passiert, wenn wir Bt-Pflanzen nicht einsetzen und so weiter machen wie bisher?