Wann gibt es die Haftpflichtversicherung beim Anbau von gv-Pflanzen?

„Der Schadenseintritt muss vom Zufall abhängig sein.“

Landwirte, die gv-Pflanzen anbauen, haften für wirtschaftliche Schäden, die durch GVO-Enträge auf Nachbarfeldern entstehen. Eine Versicherung dafür gibt es derzeit nicht. Die neue Bundesregierung hat angekündigt, das Gentechnik-Gesetz zu überarbeiten und dabei auch die Bedingungen für die Haftung beim Anbau von gv-Pflanzen zu ändern. Langfristig soll es eine Versicherungslösung für GVO-Landwirte geben. - bioSicherheit sprach darüber mit Nils Hellberg vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft.

Nils Hellberg, Leiter der Abteilung Allgemeine Haftpflicht und Kreditversicherung beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungs- wirtschaft e.V. (GDV)

bioSicherheit: Unter den Bedingungen des gegenwärtigen Gentechnik-Gesetzes bieten die Versicherungsunternehmen Landwirten, die gv-Pflanzen anbauen, keine Haftpflichtversicherung an. Warum?

Nils Hellberg: Die Gründe liegen in der Ausgestaltung der Haftung nach § 36a des derzeitigen Gentechnik-Gesetzes. Danach haften Landwirte, die gv-Pflanzen anbauen, als Gesamtschuldner, und zwar selbst dann, wenn der GVO-Eintrag auf einem Feld gar nicht vom unmittelbaren Nachbarn verursacht wurde, sondern von einem Dritten. Es reicht also schon die Vermutung aus, dass der GVO anbauende Nachbar den Schaden verursacht hat. Der GVO-Landwirt haftet ganz hart verschuldensunabhängig gesamtschuldnerisch mit Beweislastumkehr. Selbst dann, wenn er eigentlich alles richtig gemacht hat, hat er faktisch keine Möglichkeit, sich zu entlasten.

Wie verschiedene europäische Studien belegen, ist es zumindest bei bestimmten Pflanzenarten für den betreffenden Verursacher unvermeidbar, dass es ungewollt zu Vermischungen oder GVO-Einträgen auf den Nachbarfeldern kommt. Der Schaden tritt also zwangsläufig ein, ohne dass der GVO-Landwirt ihn verhindern kann. Im Rahmen einer Haftpflichtversicherung können wir Versicherungsschutz aber grundsätzlich nur bei zufällig eintretenden Schäden bieten. Unter den Bedingungen des Gentechnik-Gesetzes sind GVO-Einträge zwangsläufige Schäden und daher als unternehmerisches Risiko anzusehen. Dieses muss der GVO-Landwirt selbst tragen, er kann sich nicht auf Kosten der Risikogemeinschaft entlasten.

bioSicherheit: Die neue Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag festgelegt, das Gentechnik-Gesetz zu ändern. Unter welchen Bedingungen wäre aus Ihrer Sicht eine Haftpflichtversicherung möglich?

Nils Hellberg: Grundvoraussetzung ist zunächst, dass man für eine Haftung sorgt, die den Schadenseintritt vom Zufall abhängig macht. Das heißt: Ein Landwirt, der gv-Pflanzen anbaut, würde nur dann haften, wenn er sich nicht an die Regeln der Guten fachlichen Praxis – die noch zu definieren sind – gehalten hat. Erst wenn eine Haftung an eine Verletzung der Sorgfaltspflichten gekoppelt ist, haben wir es mit einer verschuldensabhängigen Haftung zu tun.

Ein weiterer wichtiger Schritt wäre, dass man zum Grundsatz des Kausalitätsnachweises zurückkommt anstelle der jetzt geltenden Verursachungsvermutung. Es ist ein Grundgedanke des deutschen Zivilrechts, dass der potenziell Geschädigte nachweisen muss, wer für den Schaden verantwortlich ist.

bioSicherheit: Muss man nicht auch nach verschiedenen Kulturpflanzenarten differenzieren? Bei Mais hat es zahlreiche Studien zu Pollenflug und GVO-Einträgen gegeben. Man weiß, nach zehn, zwanzig Metern liegen die Einträge mit hoher Wahrscheinlichkeit unter den Schwellenwerten. Spielt das in Ihren Überlegungen eine Rolle?

Nils Hellberg: Wir meinen, dass es für die Konstruktion einer verschuldensabhängigen Haftung wichtig ist, verlässliche und praktikable Kriterien der Guten fachlichen Praxis zu entwickeln. Hier wird man je nach Fruchtart zu differenzierten Regelungen kommen, etwa bei den Abstandsflächen. Nur müssten die auch naturwissenschaftlich unstreitig sein. Davon scheinen wir gegenwärtig noch weit entfernt zu sein.

bioSicherheit: Was ist aus Ihrer Sicht ein Schaden, gegen den sich ein GVO-Landwirt absichern könnte? Nach dem Gentechnik-Gesetz sind GVO-Einträge bis 0,9 Prozent nicht zu kennzeichnen und daher nicht als wirtschaftlicher Schaden anzusehen. Was ist, wenn ein konventioneller Landwirt sich gegenüber seinen Abnehmern verpflichtet, strengere Grenzwerte einzuhalten?

Nils Hellberg: Ob nach dem Gentechnik-Gesetz tatsächlich nur GVO-Einträge über 0,9 Prozent als wirtschaftlicher Schaden anzusehen sind, ist sehr unklar. Wünschenswert wäre eine klare Regelung, nach der ein wirtschaftlicher Ertragsausfall geltend gemacht werden kann. Daher ist ein verlässlicher Schwellenwert erforderlich. Vertragliche Vereinbarungen unterhalb dieses Schwellenwerts wären nicht hinreichend objektivierbar. Entsprechende Ertragsausfälle können nicht über eine Versicherung abgedeckt werden.

bioSicherheit: Die neue Bundesregierung strebt langfristig eine Versicherungslösung an, welche den geplanten Ausgleichsfonds ablöst. Gibt es da bereits konkrete Überlegungen? Wie sehen Sie die zeitlichen Perspektiven einer Versicherungslösung?

Nils Hellberg: Wir wissen vom Wunsch der Saatguthersteller und der Pflanzenzüchter nach einer Versicherungslösung. Seit längerem führen wir intensive Gespräche, auch mit der Politik. Schon aus Eigeninteresse der Versicherungswirtschaft überlegen wir, mittel- und langfristig eine Versicherungslösung anzubieten. Aber bevor das vorstellbar ist, müssen eine ganze Reihe von Voraussetzungen erfüllt sein. Die Haftungsmodifikationen, die derzeit im Gespräch sind, sind sicher ein Schritt in die richtige Richtung, aber dürften noch nicht ausreichen, um eine Versicherungslösung greifbar erscheinen zu lassen. Gegenwärtig ist es noch zu früh, um einen Zeitpunkt zu nennen, wann der Ausgleichsfonds durch eine Versicherungslösung ersetzt werden könnte. Erst müssen wir die geplanten Haftungsmodifikationen im Einzelnen kennen. Auch sind weitere Untersuchungen notwendig, um gesicherte Erkenntnisse zum Auskreuzungs- und Vermischungsverhalten der gv-Pflanzen zu erhalten.

bioSicherheit: Vielen Dank für das Gespräch.