Bodenökologie

Reversible Prozesse

Ein Projekt der begleitenden Sicherheitsforschung zur T4-Lysozym-Kartoffel hat die Auswirkungen auf Knöllchenbakterien (Rhizobien) untersucht. In verschiedenen Labortests zeigten sich Rhizobien als sehr empfindlich gegenüber T4-Lysozym. In Gewächshaus und Freiland dagegen konnte keine Beeinträchtigung durch T4-Lysozym festgestellt werden. Die besonderen Bedingungen des Standortes, wie etwa die Sonneneinstrahlung beeinflussen die Bakterien weitaus mehr, so das Fazit von Projektleiterin Dr. Inge Broer. BioSicherheit hat mit ihr ein Gespräch geführt über das Risiko der Freisetzung transgener Pflanzen im Hinblick auf die Bodenökologie.

Innerer Kreis mit T4-Lysozym-Kartoffeln, äußerer Kreis mit nicht-transgenen Kartoffeln. Beide Kreise mit Wicken durchmischt.

Eingezäunte Kreise mit jeweils einem inneren Ring mit transgenen Kartoffeln und einem äußeren mit nicht-transgenen Kartoffeln. Dazwischen wurden Wicken gesät, um Kartoffeln und Wicken ganz dicht beieinander zu haben.

bioSicherheit: Also das, was Sie jetzt bei den Rhizobien gefunden haben, dass alle anderen Einflüsse viel größer sind als der Einfluss des Lysozyms, ist das verallgemeinerbar für andere transgene Pflanzen und Proteine, die möglicherweise in den Boden entlassen werden?

Inge Broer: Also ich denke, wenn ich im Labor nur einen minimalen oder kleinen Effekt sehe, dann habe ich keine Chance, im Freiland irgendwas zu sehen. Wenn ich im Labor einen drastischen Effekt sehe, dann ist es notwendig, das weiterzuverfolgen. Ich würde dann immer erst den Schritt machen, in den Blumentopf zu gehen mit steriler Erde, um zu kucken, was da passiert. Wenn mein Effekt da schon weg ist, brauche ich keine aufwendigen Versuche im Freiland zu machen.

bioSicherheit: Man könnte auch andersherum argumentieren, nämlich, wenn sich im Labor zeigt, es besteht ein Problem oder eine Gefahr, dann sollte man das Risiko, das im Freiland zu testen, gar nicht erst eingehen.

Inge Broer: Dann muss man natürlich definieren, was das für eine Gefahr ist. Wenn ich bakterielle Populationen im Boden ändere, dann ist das eigentlich immer ein reversibler Prozess. Also ich werde nicht, weil ich lokal was an der Population ändere, jetzt auf einmal dafür sorgen, dass eine bestimmte Sorte Bakterien ausstirbt. In den Randbereichen, da wo mein Protein nicht mehr hinkommt, wird dieses Bakterium selbst bei einer ganz drastischen Wirkung immer noch sein.

Wenn dann im nächsten Jahr dieser Acker umgepflügt wird und diese Bakterien werden gebraucht oder sie finden die entsprechenden Wachstumsbedingungen, dann werden sie sich wieder teilen und sie werden wieder zurück kommen. Also ich kann keine dauerhaften Effekte machen auf irgendwelchen Flächen durch das Anbauen einer bestimmten Pflanze. Natürlich, wenn ich einen Acker über Jahrzehnte mit bestimmten Chemikalien behandle, da kann ich dann schon dauerhafte Effekte machen, aber nicht mit dem Anbau einer Pflanze über ein Jahr.

bioSicherheit: Aber es wurde ja von kritischer Seite immer so argumentiert, dass man von der Mikroökologie des Bodens tatsächlich nichts versteht und nur wenige Organismen im Boden identifizieren oder kultivieren kann. Solange man kein vollständiges Wissen über die Mikroökologie des Bodens habe, solle man die Belastung durch Transgene nicht in Kauf nehmen.

Inge Broer: Ich kann dieses Argument nicht ernsthaft nachvollziehen. Natürlich kennen wir nicht den gesamten Boden, aber wenn man so argumentieren würde, dann müsste man sagen, ich darf den Boden auch nicht mehr pflügen, ich darf nicht mehr bestimmte Sorten anbauen, weil ich mit Sicherheit damit dramatische Änderungen mache in der Population.

bioSicherheit: Also wenn es durch welchen Einfluss auch immer, welche Technologie auch immer, empfindliche Schädigungen des Ökosystems Boden geben würde, würde man das als irgendwelche Folgeerscheinungen sehen müssen?

Inge Broer: Das ist natürlich auch die Frage der Definition von Schaden. Veränderungen in der Besiedlung des Bodens gibt es immer durch alle möglichen Dinge, die sind normal. Eine schädliche Veränderung kann meiner Ansicht nach nur eine solche sein, die das Pflanzenwachstum verschlechtert, wenn also z.B. Pathogene auftauchen oder Nützlinge fehlen.

bioSicherheit: Was ist denn aus der Lysozym-Kartoffel geworden?

Inge Broer: Dass es mit der Lysozym-Kartoffel nicht weiter gegangen ist, dafür gibt es denke ich zwei Gründe. Einmal die Patentsituation, vielleicht waren aber auch die Effekte, die man gesehen hat, also der Grad der Verbesserung nicht ausreichend. So gigantisch war das nicht, so beeindruckend, das ich diese Pflanzen jetzt - unter den schwierigen Bedingungen für die Zulassung transgener Pflanzen - vermarkten würde. Bakterielle Infektionen zu bekämpfen, ist ganz schwierig. Da kommt man auf Erfolgsraten von vielleicht zehn bis fünfzehn Prozent gesündere Kartoffeln.

Wenn das mit einer normalen Züchtungsstrategie erreicht würde, dann wäre das überhaupt keine Frage, wäre das sofort auf dem Markt, aber es ist eine transgene Pflanze.