Gentechnisch veränderter Raps: Pollenverbreitung und Auskreuzung

„Die hohe Zahl der Wildbienenarten hat uns überrascht.“

Wenn der Raps blüht, dann wimmelt es auf den Feldern. Unzählige Insektenarten konnten Stefan Kühne und seine Mitarbeiter identifizieren. Es sind die Insekten, die den Rapspollen über große Entfernungen verfrachten. Ob konventioneller oder gentechnisch veränderter Raps macht keinen Unterschied. - bioSicherheit im Gespräch mit Stefan Kühne von der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA) in Kleinmachnow.

Dr. Stefan Kühne; BBA Kleinmachnow (Später: JKI): „Die Ausbreitung des Rapspollens auf Blüten außerhalb der Felder erfolgt in erster Linie durch Insekten.“

Der Versuch auf dem Gelände der BBA in Dahnsdorf (Brandenburg) 1998/99: 16 Parzellen, Fruchtfolge Winterraps, Roggen, Mais und Weizen. Die Raps-Parzellen wurden unterteilt: Ein Hälfte mit herbizidresistentem gv-Raps, die andere mit der gleichen konventionellen Rapssorte.

Weibchen der Wildbiene Lasioglossum sexnotatum an einer Rapsblüte

Weibchen der Wildbiene Lasioglossum sexnotatum an einer Rapsblüte: „Wir konnten fünfundzwanzig Kuckucksbienenarten nachweisen.“

Verschiedenen Nisthilfen für die Wildbiene (Osmia rufa)

Verschiedenen Nisthilfen für die Wildbiene Osmia rufa: „Dieselben Bienen besuchen transgenen wie konventionellen Raps. Einen Unterschied fanden wir nicht.“

Wabe der Honigbiene (Apis mellifera) mit Larven und Pollen

Wabe der Honigbiene mit Larven und Pollen

bioSicherheit: Sie haben 1998 und 99 auf dem Gelände der BBA in Dahnsdorf Versuche mit gentechnisch verändertem herbiziresistentem Raps durchgeführt. Dabei haben Sie sich vor allem für Pollenausbreitung und Auskreuzung interessiert. Unabhängig davon, ob der Raps gentechnisch verändert ist oder nicht – der Pollen wird durch Wind und Insekten verbreitet. Können Sie kurz zusammenfassen, was Sie dazu herausgefunden haben?

Stefan Kühne: Von Ende April bis Anfang Juni blüht der Raps und wir alle erfreuen uns am herrlichen Gelb der Felder. Unzählige Insekten werden angelockt und stürzen sich auf diese ergiebige Pollen- und Nektarquelle: vor allem Honigbienen und viele Wildbienenarten, aber auch Schwebfliegen, Marienkäfer und Florfliegen, die wir zu den wichtigsten Nützlingen in den Rapsfeldern zählen. Ebenfalls häufig anzutreffen sind Schmetterlinge, insbesondere die Weißlinge sowie Pflanzenwespen, Stechwespen und Haarmücken. Dann gibt es noch die ganze Gruppe der Rapsschädlinge etwa den Rapsglanzkäfer oder verschiedene Rüsselkäfer. Durch die Insekten kann nun der im Haarkleid haftende Pollen gezielt auf andere Blüten auch außerhalb des Feldes und gegen die Windrichtung verfrachtet werden.

Ganz anders die Windverdriftung des Pollens. Sie wird sehr stark durch Windrichtung, Temperatur und Niederschlag beeinflusst. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Pollenkonzentration in der Luft schon mit kurzer Entfernung vom Feldrand stark abnimmt. In zehn Metern Entfernung vom Feldrand betrug sie nur noch 4,5 Prozent der Pollenfracht als auf dem Feld selbst. Zwar kann Pollen auch über große Entfernungen verdriftet werden, aber die Wahrscheinlichkeit, dass ein Pollenkorn aus der Luft in zwei Kilometer Entfernung eine Blüte bestäubt, ist eher gering. Berücksichtigt man demgegenüber den Aktionsradius z. B. der Erdhummel von bis zu zwei Kilometer und der Honigbiene von fünf bis maximal vierzehn Kilometer, so wird deutlich, dass die Ausbreitung des Rapspollens auf Blüten außerhalb der Felder in erster Linie durch die Insekten erfolgt.

bioSicherheit: Sie haben sich genauer angeschaut, welche Insekten die Rapsblüten besuchen und so zur Verbreitung des Pollens beitragen. Besonders interessiert haben Sie sich für Bienen. Wie viele Arten haben Sie gefunden und wie ist ihr Verhalten? Gibt es dabei Unterschiede zwischen konventionellen und transgenen Rapspflanzen?

Stefan Kühne: Besonders die hohe Zahl der Wildbienenarten hat uns überrascht. Insgesamt konnten wir in der kurzen Zeit der Rapsblüte 94 verschiedene Arten feststellen. Sechs davon zählen sogar zu den bundesweit stark gefährdeten Bienenarten. Die Wildbienen haben sehr unterschiedliche Lebensweisen. Die sechzehn nachgewiesenen Hummelarten sind wie die Honigbiene Staaten bildend und bauen ihre Nester zum Teil in Erdhöhlen, wo sie verlassene Mäuselöcher nutzen.

Die meisten Wildbienen leben jedoch solitär, das heißt sie leben einzeln und ohne Hofstaat mit Arbeiterinnen. Sie füttern ihre Larven auch nicht unmittelbar, wie es zum Beispiel die Hummeln tun. Der gesammelte Pollen wird zusammen mit einem Ei in einer Brutzelle verstaut und steht dann der schlüpfenden Larve als Nahrungsproviant zur Verfügung.

Eine solche Brutfürsorge leistet die Rote Mauerbiene (Osmia bricornis) . Sie nistet oberirdisch in Spalten und Ritzen alter Mauern oder in abgestorbenen hohlen Pflanzenteilen. Während ihrer Sammelflüge bleibt das Nest dieser Bienen unbewacht, und so nutzen sogenannte Kuckucksbienen die Abwesenheit aus, um unbemerkt in die fremde Brutzelle einzudringen um sie zu parasitieren. Fünfundzwanzig verschiedene Kuckucksbienenarten, die oftmals auf bestimmte solitäre Bienenarten spezialisiert sind, konnten wir nachweisen.

Um festzustellen, welche Blüten durch eine Biene besucht werden, haben wir insgesamt 129 Individuen verschiedener Arten auf der Versuchsfläche gefangen, mit einem Farbpunkt markiert und wieder freigelassen. Es zeigte sich, dass dieselben Bienen sowohl transgenen als auch konventionellen Raps oder auch andere Kreuzblütler besuchen. Ein Unterschied zwischen den Blütenbesuchen bei diesen Pflanzen war nicht festzustellen.

bioSicherheit: Bienen verbreiten nicht nur Pollen, sie nehmen ihn auch als Nahrung auf. Haben Sie untersucht, ob Pollen aus GVO-Raps eine besondere Wirkung auf die Bienen hat?

Stefan Kühne: Einen Teilaspekt dieser Problematik untersuchen wir zur Zeit in Zusammenarbeit mit Dr. Tebbe von der Forschungsanstalt für Landwirtschaft in Braunschweig. Wir haben für diese Untersuchungen ein Honigbienenvolk, mehrere Erdhummelvölker sowie mehrere tausend solitäre Mauerbienen an der Versuchsfläche angesiedelt. Eine große Zahl der Bienen haben transgenen Rapspollen gesammelt und an ihre Nachkommen verfüttert. Im Bienendarm leben eine Vielzahl von Mikroorganismen, die bei der Verdauung der Nahrung eine wichtige Rolle spielen. Sind diese Mikroorganismen in der Lage, das veränderte Gen aus dem Rapspollen in ihre eigene DNA einzubauen? Wir haben dazu aus den Bienenlarven die Därme präpariert und den Braunschweiger Kollegen für diese Untersuchungen zur Verfügung gestellt. Die abschließenden Ergebnisse erwarten wir Anfang 2004.

Da die genetische Eigenschaft der Herbizidresistenz keine Bedeutung für die Bienen hat, dienten unsere Untersuchungen als Modell, um die Ausbreitungswege der Transgene zu studieren. Wenn wir diese kennen, können wir auf mögliche Gefahren bei der Einführung anderer transgener Eigenschaften hinweisen. Sollte etwa insektenresistenter Raps kommerziell angebaut werden, wäre es nicht zu akzeptieren, wenn viele Blüten besuchende Insektenarten und ihre Brut durch Insektengifte im Pollen und Nektar gefährdet würden. Hier sind die Züchter von Anfang an aufgefordert, die Genexpression im Pollen zu unterbinden.

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