Horizontaler Gentransfer

Stabilität und Verhalten von DNA im Darm. Die FSA-Studien im Überblick

Ende Juli 2002 veröffentlichte die englische Lebensmittelbehörde FSA (Food Standards Agency) erste Ergebnisse mehrerer Studien, die sie vor einiger Zeit in Auftrag gegeben hatte. Dabei ging es um die Überdauerungsfähigkeit pflanzlicher DNA im Verdauungstrakt von Menschen und Säugetieren sowie ihre mögliche Aufnahme durch die im Darm lebenden Mikroorganismen.

Im Folgenden werden die wesentlichen Ergebnisse der einzelnen Studien zusammengefasst.

Studie 1: Überdauerungsfähigkeit von zugeführter DNA im Verdauungstrakt und die Möglichkeit der Aufnahme durch Bakterien

Survival of ingested DNA in the gut and the potential for genetic transformation of resident bacteria

Untersucht wurde die Stabilität von Transgen-DNA in einem dem Verdauungssystem nachgebildeten Labormodell (in vitro) und im Rattendarm (in vivo).

  • In vivo wird die DNA in sehr schnell abgebaut – die ersten 50 Prozent schon nach sechs Sekunden. Nach 60 Sekunden ist im Rattendarm die DNA-Ausgangsmenge um das 100fache reduziert.
  • Unter Laborbedingungen konnte gezeigt werden, dass es in seltenen Fällen bei bestimmten Bakterien, die sich in der Mundhöhle finden lassen, zu einer Aufnahme von freier Transgen-DNA kommen kann.
  • Eine Integration ins Bakteriengenom konnte nur dann festgestellt werden, wenn man die DNA-Sequenz so konzipiert hat, dass sich gleiche Abfolgen der DNA-Bausteine im Bakteriengenom wie auch in einem bestimmten Abschnitt der pflanzlichen Test-DNA befinden (sog. „homologe Sequenzen“). Dazu sind jedoch mehrere solcher homologen Sequenzen erforderlich. Ist davon in einem freien DNA-Fragment nur eine vorhanden, konnte gar keine Transformation von Bakterien beobachtet werden.

Studie 2: Überprüfung der mit der Verwendung von GVOs in Lebensmitteln verbundenen Risiken

Evaluating the risks associated with using GMOs in human foods (two reports)

Dieser Bericht schließt drei Forschungsprojekte ein.

(1) Das erste Projekt befasst sich mit der Wahrscheinlichkeit der Übertragung einer Antibiotika-Resistenz auf Mikroorganismen. Dabei ging es vor allem um die Entwicklung und Testung eines Modellsystems, mit dem sich feststellen lässt, ob ein horizontaler Gentransfer stattgefunden hat. Bisher ist ein Nachweis derartiger Markergeneschwierig, da Resistenzen gegen bestimmte Antibiotika bei Mikroorganismen ohnehin in der Natur weit verbreitet sind. Eine bereits vorhandene Resistenz ist kaum von einer zu unterscheiden, die über horizontalen Gentransferaus einer GVO-Pflanze neu erworben wurde.

(2) Ein zweiter Report berichtet über Versuche mit einem Simulationsmodell des menschlichen Verdauungssystems . Untersucht wurden Verbleib und Stabilität von Transgen-DNA aus Mais und Soja. Es zeigt sich ein unterschiedliches Abbauverhalten der verschiedenen DNA in den einzelnen nachgebauten Teilen des Verdauungssystems (Magen, Darm). Unabhängig davon sind jedoch nach etwa drei Stunden etwa 95 Prozent der Ausgangs-DNA abgebaut.

(3) Das dritte, an der Universität Newcastle durchgeführte Teilprojekt umfasst jene Versuche, deren Ergebnisse das Interesse der Öffentlichkeit weckten. Auch hier ging es um Stabilität und Verhalten von DNA aus gentechnisch veränderten Sojabohnen - nicht in einem Modellsystem, sondern im menschlichen Darm. Es ist vor allem diese Studie, die in der Öffentlichkeit diskutiert wird.

DNA-Nachweis ist kein Beweis für Gentransfer.

Verschiede Experten haben Zweifel, ob ein positiver PCR-Nachweis eines bestimmten DNA-Stücks aus der Pflanze allein ausreicht, um einen Gentransfer zu beweisen. Für Kornelia Smalla von der BBA Braunschweig, die sich seit vielen Jahren mit diesem Thema im Rahmen der Sicherheitsforschung beschäftigt, gibt es andere, plausiblere Erklärungen. Die nachgewiesene Transgen-DNA könne auch an den Bakterien haften oder von diesen als Nahrung aufgenommen worden sein.

Auch Rolf Einspanier von der TU München meldet Bedenken vor allem an der Methodik der Newcastle-Studie an. Ein Gentransfer sei nur dann erweisen, wenn gezeigt werden könne, dass das Resistenzgen aus der Pflanze in das Bakteriengenom integriert und dann auch biologisch aktiv sei. Der im Forschungsbericht dargestellte positive PCR-Nachweis, könne vielfältige andere und wahrscheinlichere Ursachen haben.

An der Studie wirkten sowohl Testpersonen mit normalem Verdauungssystem mit als auch solche mit einem künstlichen Darmausgang. Bei ihnen kann man den Zustand der DNA nach nur einem Teil des Verdauungsvorgangs verfolgen.

  • Bei zwölf Testpersonen mit einem regulären Verdauungssystem konnten in den Exkrementen keine Bestandteile der aufgenommenen transgenen Soja-DNA gefunden werden.
  • Drei von sieben Personen mit künstlichem Darmausgang hatten in dem untersuchten exkrementähnlichen Verdauungsbrei nachweisbare Reste der Transgen-DNA.

Weiter untersuchte die Gruppe in Newcastle, ob Mirkoorganismen aus dem Darm dieser Personen tatsächlich Pflanzen-DNA aufgenommen hatten. An bestimmten Bakterien konnten spezifische, aus der transgenen Pflanze stammende DNA-Fragmente mit Hilfe der PCR-Methode nachgewiesen werden. Ob das bloße Vorhandenensein von Transgen-DNA einen Gentransfer belegt, ist nicht eindeutig und unter Fachleuten strittig. Weder konnten einzelne, transformierte Bakterien isoliert werden, noch gelang ein Nachweis der Integration der Pflanzen DNA in das Erbgut dieser Bakterien.

Studie 3: Abschätzung des Risikos der Übertragung von Antibiotikaresistenzen von transgenen Pflanzen auf Mikroorganismen

Assessment of the risks of transferring antibiotic resistance determinants from transgenic plants to micro-organisms

Untersucht wurde die Freisetzung eines Resistenzgens gegen das Antibiotikum Ampicillin aus transgenem Mais und die Möglichkeit des Transfers auf Mikroorganismen bei Schafen und Hühnern.

  • Unter natürlichen Bedingungen konnte keine Freisetzung des Resistenzgens aus dem transgenen Pflanzenmaterial beobachtet werden.
  • In Modell-Systemen – Silagesaft, Schafspeichel und Pansensaft – verlor das Resistenzgen sehr schnell seine Funktionsfähigkeit und war nur in geringen Mengen nachweisbar. Allerdings verblieb es im Schafspeichel bis zu acht Minuten in einem Zustand, in dem es für eine Transformation von Mikroorganismen zur Verfügung stünde.
  • In Fütterungsversuchen mit Hühnern war das Resistenzgen nach der Passage durch den Magen im Verdauungstrakt nicht mehr nachweisbar.

Studie 4: Übertragung von Transgen-DNA und Antibiotikaresistenzen auf Pansen-Mikroorganismen

Dissemination of GM DNA and antibiotic resistance genes via rumen microorganisms

In der Untersuchung wurde der Verbleib von Transgen-DNA aus Mais in Silage sowie in Pansensaft und Speichel von Schafen verfolgt.

  • In einigen Versuchen wurden DNA-Fragemente aus den Fütterungspflanzen gefunden. Der Abbau der DNA erfolgt je nach Milieu unterschiedlich schnell.
  • Im Pansen wurde eine Bakterien-Art identifiziert, die in der Lage ist, fremde DNA aufzunehmen. Man fand heraus, dass dieser Aufnahmeprozess durch Pansensaft behindert wird, was einen Gen-Transfer unter natürlichen Bedingungen erschweren würde.
  • Im Laborversuch konnte gezeigt werden, dass in der Mundhöhle von Schafen vorkommende E.coli-Bakterien bestimmte DNA aufnehmen können.