Gv-Raps: Pollenflug und Auskreuzung

„Es kommt immer darauf an, ob neue Eigenschaften einen Vorteil verleihen.“

Vor dem Hintergrund eines möglichen Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen haben britische Agrarökologen im Auftrag der Europäischen Umweltagentur (EEA) eine Studie über das Auskreuzungsverhalten erstellt. Vor allem deren Aussagen zum Raps werteten Gentechnik-Kritiker als erneute Belege, die Umweltrisiken gentechnisch veränderter Pflanzen seien nicht beherrschbar.

bioSicherheit sprach mit Dr. Jeremy Sweet vom National Institute of Agricultural Botany (NIAB) in Cambridge, einem der beiden Autoren der EEA-Studie.

bioSicherheit: In Belgien wurden einige Freilandversuche mit transgenem Raps im Hinblick auf das Auskreuzungsrisiko nicht mehr bewilligt. Dabei berief man sich auch auf Ihren EEA-Report. Auch Greenpeace fordert ein Freisetzungsverbot. Die Umweltorganisation stuft gentechnisch veränderten Raps als hoch riskant ein, da sich seine Gene leicht auf andere Pflanzen übertragen, und sieht darin unter anderem eine Bedrohung der Artenvielfalt. Ist transgener Raps gefährlich?

Sweet: In dem EEA-Report wird transgener Raps nicht als „hoch riskante Pflanze“ eingestuft, sondern es wird lediglich beschrieben, dass bei Raps generell ein hohes Risiko für eine Genübertragung durch Pollenflug vorhanden ist. Besser ausgedrückt heißt das: Die Wahrscheinlichkeit, dass Gene aus dem Raps in nah verwandte Pflanzen gelangen, ist im Vergleich zu anderen Kulturpflanzen hoch. Dies bedeutet aber nicht, dass allein dadurch negative Auswirkungen auf die Umwelt, eine direkte Gefahr, abgeleitet werden könnte.

„Nicht die Häufigkeit ist entscheidend, sondern die Wirkung.“

bioSicherheit: Wann kann aus einer Pollenübertragung ein echtes Umweltproblem werden?

Sweet: Nicht die Häufigkeit der Genübertragung mittels Pollenflug ist entscheidend. Es muss vielmehr die Frage gestellt werden, wie sich die ausgekreuzten Gene verhalten und was sie in anderen Pflanzen bewirken – also die Konsequenzen einer Genübertragung auf andere Pflanzen sind zu betrachten – das ist der entscheidende Punkt bei der Sicherheitsbewertung.

bioSicherheit: In welche Wildpflanzen kann sich nun Raps besonders gut einkreuzen?

Sweet: Was wir gefunden haben, ist, dass sich der Raps mit insbesondere zwei Wildarten kreuzen kann, mit dem Rübsen und dem Hederich. Untersuchungen in Frankreich haben gezeigt, das nach einer Kreuzung von Raps und Hederich die entstandenen Hybride nur eine gewisse Zahl von Generationen überleben. Dann baut sich eine Inkompatibilität in diesen Pflanzen auf, die Pollen- und Samenproduktion sinkt. Am Ende gehen diese Pflanzen verloren. Eine Introgression von Rapsgenen in den Hederichbestand findet daher wohl nicht statt.

„Kreuzungen von Raps und Hederich überleben nur eine gewisse Zahl von Generationen.“

bioSicherheit: Und wie verhält es sich mit dem Rübsen als Kreuzungspartner?

Sweet: Hier haben Untersuchungen in Dänemark und Großbritannien zeigen können, dass Gene vom Raps relativ häufig in den Rübsen gelangen können. Hier muss untersucht werden, was die Konsequenzen von Fremdgen-Übertragungen aus transgenem Raps sein können, also was die Fremdgene im Rübsen bewirken können.

bioSicherheit : Welche gentechnisch übertragenen Gene sind Ihrer Meinung nach besonders kritisch und müssen mit Vorsicht bei Rapspflanzen verwendet werden?

Sweet: Das sind jene Gene, die Raps durchsetzungsfähiger machen können. Einige Krankheits- und Schädlingsresistenzgene könnten so etwas hervorrufen. Es kommt aber immer darauf an, ob die neuen Eigenschaften wirklich den Pflanzen einen Vorteil verleihen. Wir untersuchen zur Zeit die Faktoren, die das Überleben und die Vermehrung von Raps und Rübsen bestimmen. An sich sind diese Pflanzenarten von Natur aus nicht sehr durchsetzungsfähig gegenüber anderen Pflanzenarten. Sie sind so genannte Pionierpflanzen, die sich nur auf gestörten Flächen für eine Zeit halten können. Hier können erst größere Veränderungen bei den Eigenschaften dieser Pflanzen diese Situation grundsätzlich ändern. Dann könnten sich Raps und Rübsen eventuell in speziellen ökologischen Nischen etablieren. In diesem Zusammenhang untersuchen wir, was passiert, wenn Insekten- und Pilzresistenzgene in Wildpopulationen gelangen. Diese Situation simulieren und modellieren wir mit nicht gentechnisch verändertem Raps und Rübsen.

Zur Zeit liegen die endgültigen Ergebnisse dieser Untersuchungen noch nicht vor. Wie auch immer, es ist ersichtlich, das andere Faktoren wie z.B. Fraß durch Schnecken, Tauben oder andere Wildtiere ein entscheidender Faktor ist, der eine Ansiedlung und Ausbreitung von wildem Raps und Rübsen begrenzt. Auch die Konkurrenz durch andere Pflanzen führt dazu, dass sich die genannten Pflanzen nicht unkontrolliert ausbreiten können.

„Man kann davon ausgehen, dass herbizid-toleranter Rübsen sich genauso verhalten wird.“

Weiterhin zeigten umfangreiche Untersuchungen in Großbritannien, dass herbizidtoleranter Raps keine höhere Fitness oder bessere Ansiedlungsmöglichkeiten außerhalb der mit den Herbiziden behandelten Felder besitzt. Man kann davon ausgehen, dass auch herbizidtoleranter Rübsen sich genauso verhalten wird. Für später planen wir auch solche Arbeiten direkt mit transgenen Pflanzen.

bioSicherheit: Sie ziehen in Ihrem Report den Schluss, dass nach einer Kommerzialisierung transgener Rapspflanzen mit unterschiedlichen Herbizidresistenzen durch Pollenübertragung solche Pflanzen entstehen werden, die gleich mehrere Herbizidresistenzen enthalten. Wird dadurch die Kontrolle von so genanntem Ausfallraps (1) für den Landwirt sehr viel schwieriger und müssen größere Herbizidmengen zur Bekämpfung multiresistenter Rapspflanzen in der Fruchtfolge eingesetzt werden?

„Die Landwirte müssen präzise wissen, welches Herbizid sie dann einsetzen müssen.“

Sweet: Nein, davon kann man nicht ausgehen. Wir erzeugen bei uns schon seit Jahren gentechnisch veränderte Rapspflanzen mit solchen multiplen Resistenzen. Was wir gesehen haben ist Folgendes: Bei der normalen Fruchtfolge und den standardmäßig zur Verfügung stehenden Herbiziden können auch multi-herbizidtolerante Rapspflanzen gut bekämpft werden. Was wichtig sein wird, ist, dass die Landwirte mit den zur Verfügung stehenden Herbiziden gut umzugehen lernen. Sie müssen präzise wissen, welches Herbizid sie zur Kontrolle des vorhandenen herbizidtoleranten Ausfallraps einsetzen müssen. Genau so, wie sie es jetzt bereits mit konventionell erzeugten herbizidtoleranten Unkräutern machen.

Wenn wir also in Zukunft diese Pflanzen kommerziell anbauen werden, müssen auch gleichzeitig Programme entwickelt werden, die Landwirte in diesem Punkt besser auszubilden und sie auch zu beraten.

bioSicherheit: Herr Sweet, ich bedanke mich für das Gespräch.

(1) Ausfallraps: Rapspflanzen produzieren eine große Menge von Samen, von denen ein Teil vor der Ernte oder bei der Ernte von der Pflanze abfallen und auf dem Feld verbleiben. Dieser Samen ist über 10 Jahre noch keimfähig. Die daraus entstehenden Rapspflanzen müssen beim Anbau anderer Kulturpflanzearten auf der gleichen Fläche in den Folgejahren als Unkraut bekämpft werden.