Transgene und Pollenflug

Raps kreuzt gerne aus

Bei Raps ist das Risiko eines Gentransfers auf andere Rapspflanzen und auf wilde Verwandte hoch - das ist der oft zitierte Kernsatz einer aktuellen Studie, die zwei britische Agrarökologen im Auftrag der Europäischen Umweltagentur (EEA) erstellt haben. Obwohl sie lediglich bereits veröffentliche Untersuchungen und einige laufende Projekte zusammenfasst, hat sie Furore gemacht. In Belgien wurden Anfang Mai 2002 Freisetzungsversuche mit gentechnisch verändertem Raps nicht genehmigt. Und für die Gentechnik-Kritiker von Greenpeace rechtfertigt die Studie die plakative Schlagzeile "Genpflanzen außer Kontrolle". Doch: Bei Raps ist Auskreuzung zwar sehr wahrscheinlich, ob daraus jedoch eine Gefahr erwächst, ist eine ganz andere Frage.

„Gentechnisch veränderte Organismen: Die Bedeutung des Gentransfersdurch Pollen“ - in ihrer Studie beschäftigen sich Katie Eastham und Jeremy Sweet mit sechs landwirtschaftlich bedeutsamen Kulturpflanzenarten, für die in absehbarer Zeit ein kommerzieller Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in Mitteleuropa denkbar ist.

Diese Pflanzenarten werden hinsichtlich ihres Auskreuzungsverhaltensklassifiziert. Berücksichtigt wird sowohl das Vermögen, Gene über den Pollen innerhalb der Art auf benachbarte Pflanzen, als auch auf verwandte Wildarten weiter zu geben.

Raps-Auskreuzung . Über größere Entfernung sinkt die Häufigkeit der Auskreuzung auf andere Rapspflanzen zwar ab, doch gänzlich zu verhindern ist sie nicht.

Raps: Kaum biologische Abschottung möglich

Von allen untersuchten Pflanzen besitzt Raps das höchste Auskreuzungsvermögen sowohl innerhalb der Art als auch auf verwandte Wildarten.

  • Pollenflug: Rapspollen werden durch Wind und Bienen über weite Strecken transportiert. Vereinzelte Auskreuzungen sind schon über vier Kilometer beobachtet worden. In der Regel sinkt die Auskreuzungsrate mit der Entfernung drastisch ab. Liegt zwischen zwei Rapsfelder eine Distanz von 100 Metern, findet man etwa in 0,5 Prozent der Pflanzen genetisches Material der Sorte des jeweils anderen Feldes.
  • Auskreuzung Raps auf Wildarten: Rapspollen trifft auf mehrere verwandte Wildarten, mit denen Auskreuzungen möglich sind. Die Wahrscheinlichkeit, dass entsprechende Hybrideentstehen, wird vor allem bei Rübsen, eingeschränkte auch wildem Kohl sowie einigen Senfarten als hoch eingeschätzt.
  • Herbizidresistente Unkräuter: Die beiden Ökologen halten es für möglich, dass herbizidresistente Unkräuter entstehen. Ob sich jedoch die Herbizidresistenz-Gene aus den transgenen Pflanzen im Genpool etablieren, hängt vor allem davon ab, ob das jeweilige Gen in einem bestimmten Ökosystem einen Überlebensvorteil (Fitness) darstellt.
  • Auskreuzung Raps auf Raps: Sollte Raps mit einer gentechnisch vermittelten Herbizidresistenz in Europa angebaut werden, rechnen Eastham und Sweet mit Rapspflanzen, die infolge von Auskreuzungsvorgängen mehrere Resistenz-Gene enthalten.
  • Ausbreitung außerhalb der Ackerfläche: Rapspflanzen können sich auch außerhalb der kultivierten Felder etablieren. Dieser „Ausfallraps“ kann als Quelle oder Empfänger an Auskreuzungen beteiligt sein.
  • Fazit: Für Eastham und Sweet sind derzeit keine gesicherten, allgemein gültigen Aussagen möglich, wo die Kreuzungsbarrieren zwischen Raps und seinen wilden Verwandten liegen. Hinweise zur Überlebensfähigkeit der Nachkommen und zur Persistenz der Gene im Ökosystem beziehen sich zumeist auf den Einzelfall und können nicht verallgemeinert werden. Um entsprechende Erfahrungen zu gewinnen, empfiehlt die EEA-Studie, den Genaustausch zwischen verschiedenen (nicht gentechnisch veränderten ) Arten und Populationen zu untersuchen. In mehreren europäischen Ländern laufen derartige Forschungsprojekte, darunter auch im SiFo-Programm des BMBF.

Zuckerrüben, Mais, Kartoffel, Weizen, Gerste

Auch die übrigen in die EEA-Studie einbezogenen Pflanzenarten zeigen in ihrem Auskreuzungsverhalten starke Unterschiede.

  • Zuckerrübe und Mais sind kreuzungswillig, wenn auch ihre Pollen weniger über Insekten, sondern vor allem über den Wind verfrachtet werden. Während Mais keine verwandten Wildarten in hiesigen Breiten hat, wurde ein Gentransfer von der Kultur-Zuckerrübe auf Wildrüben bereits beobachtet: Gene der Kulturrübe sind in den Genpool einer maritimen Wildart im Nordosten Italiens eingewandert. In dieser Region liegen viele Zuchtstationen für die Züchtung der Kulturzuckerrübe.
  • Weizen und Gerste zeigen eine nur sehr geringe Auskreuzungswilligkeit. Als Selbstbefruchter bevorzugen sie hauptsächlich den eigenen Pollen. Eine Auskreuzung auf verwandte Wildarten erscheint bei beiden Arten als sehr gering. Vermehrungsfähige Kreuzungsnachkommen sind bisher nicht gefunden worden.
  • Auch bei der Kartoffel ist ein Gentransfer innerhalb der Art oder auf Wildarten äußerst unwahrscheinlich. Die Kartoffel vermehrt sich über die Knollen. Die mit dem Pollen auf eine Kartoffelpflanze übertragenen Gene gelangen nicht in deren Knollen und werden daher nicht an die Nachkommen weitergegeben. Zwar sind verwandte Wildarten der Kartoffel bekannt, doch konnten in vielen Untersuchungen keine fruchtbaren Kreuzungsnachkommen festgestellt werden.

Gentechnisch veränderter Raps - doch unter Kontrolle?

Auskreuzung - die Übertragung von Genen durch Pollen von einer Pflanze auf die andere - ist ein normaler und für die Fortpflanzung notwendiger Vorgang. Viele Pflanzen haben die Fähigkeit entwickelt, große Pollenmengen zu erzeugen und diese über weite Strecken zu verbreiten.

Auch die Pflanzenzüchtung bedient sich dieses Vorgangs. Sie steuert ihn jedoch, indem sie einen Gentransfer nur gezielt zwischen ausgewählten Eltern zulässt. Um unerwünschte Einkreuzungen über fremde Pollen in das Zuchtmaterial auf ein akzeptables Maß zu vermindern, wurden schon zu Beginn des letzten Jahrhunderts bei der Saatguterzeugung Standards und Normen entwickelt – etwa Mindestabstände und andere den Pollenflug behindernde Maßnahmen.

Mit Blick auf gentechnisch veränderte Pflanzen werden derzeit in Europa Maßnahmen diskutiert, die unerwünschte Einstäubungen mit gentechnisch veränderten Pollen in konventionelles Saatgut und auch Erntegut minimieren sollen.

Eastham und Sweet schlagen in ihrer Studie vor

  • die derzeit bei der Saatguterzeugung üblichen Isolationsabstände zu überprüfen und eventuell zu erweitern.
  • Zudem sollten Forschungen intensiviert werden, in denen Konzepte für ein Biologisches Containment entwickelt werden. Dabei geht es darum, Genkonstrukte für neue Merkmale so in das Pflanzengenom einzuschleusen oder dort zu integrieren, dass sie nicht mit dem Pollen auf andere Pflanzen weitergegeben werden können.

Auskreuzung ist nicht automatisch ein Risiko

Ob eine Auskreuzung schädliche ökologische und ökonomische Folgen hat, hängt nicht nur von der jeweiligen Pflanzenart ab, sondern auch von der Eigenschaft der übertragenen Gene ab. So sind Gene, die in der Umwelt einen Fitness-Vorteil verleihen, kritischer zu beurteilen als solche, die sich eher neutral verhalten.

Die EEA-Studie konzentriert sich jedoch auf die Wahrscheinlichkeit der Auskreuzung und damit auf nur eine Seite der Risikobeurteilung gentechnisch veränderter Pflanzen.