Seehofer verschiebt Änderungen am Gentechnikgesetz

Gentechnikgesetz: Noch Diskussionsbedarf

Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer hat erneut die im Koalitionsvertrag vereinbarte Änderung des Gentechnik-Gesetzes verschoben. In einem Gespräch mit der Deutschen Presseagentur vom 23. Juni 2006 kündigte er an, seine Vorschläge erst nach der Sommerpause in die parlamentarischen Beratungen einzubringen. Offenbar vom Tisch sind grundlegende Korrekturen der Haftungsbestimmungen beim Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen.

Vor allem bei den Anbauregeln für gv-Pflanzen und den Vorschriften zur Sicherung der Koexistenz verschiedener landwirtschaftlicher Systeme mit und ohne Gentechnik gibt es innerhalb der Koalition, aber auch in der CDU/CSU unterschiedliche Vorstellungen.

Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: „Es gibt kein Recht, den Menschen die Gentechnik aufzuzwingen.“ (Gespräch mit der Berliner Zeitung 24.06.2006)

Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung. „Unser Ziel ist die Erschließung des vollen Potenzials der Biotechnologie innerhalb vieler Industriezweige, in der Pharma-, Chemie und Lebensmittel-industrie, in der Energiewirtschaft und in der Landwirtschaft.“ (Regierungserklärung zur Forschungsförderung, 16.06.2006)

Wie schon CSU-Generalsekretär Markus Söder, der sich kürzlich für ein Moratorium bei der kommerziellen Nutzung von gv-Pflanzen ausgesprochen hatte, gibt sich auch Seehofer zurückhaltend. Er habe großes Verständnis für Menschen, die sich für gentechnik-freie Zonen engagieren, sagte der Minister. Allerdings könne man die Gentechnik aus europarechtlichen Gründen nicht verbieten.

Seehofer sprach sich für strenge Sicherheitsstandards und deutliche Abstände zwischen Feldern mit gv- und konventionellen Pflanzen aus.

Haftungsfond ist gescheitert

Seehofer kündigte an, dass es bei der derzeit geltenden Haftungsregelung für GVO-Einträge auf konventionellen Nachbarfeldern bleibt. „Wenn einem Landwirt Verschulden nachgewiesen werden kann, dann muss er dafür aufkommen. Wenn kein Schuldiger ausfindig gemacht werden kann, dann haften alle Anbauer. Allerdings haben viele Saatguthersteller erklärt, dass sie auf freiwilliger Basis die Risiken der Bauern übernehmen wollen“, sagte Seehofer der Berliner Zeitung. Der im Koalitionsvertrag angeregte Haftungsfond ist damit offenbar vom Tisch. „Im Herbst werden wir mit Wirtschaft und Landwirten dazu eine Verbändevereinbarung treffen. Damit folgen wir dem holländischen Modell.“ Seehofer begrüßte es, dass die Unternehmen diese Frage in „Eigenverantwortung lösen“ wollen.

Die geplanten Regeln der Guten fachlichen Praxis beim Anbau von gv-Pflanzen sollen so abgefasst werden, „dass die Haftung eine absolute Ausnahme ist“, so Seehofer. Bei Mais ist ein Abstand von 150 Metern zwischen gv- und konventionellen Feldern im Gespräch.

Keine Änderungen soll es beim Standortregister geben. Informationen über Anbauflächen von gv-Pflanzen sollen weiterhin flurstücksgenau öffentlich zugänglich sein.

Freilandversuche: Forschung fördern

„Beschleunigen und fördern“ will Seehofer hingegen die Forschung mit gentechnisch veränderten Pflanzen. „Es gibt viele ungeklärte Fragen bei der Sicherheit und der Anwendung. Wir dürfen nicht in Unkenntnis verharren und warten, bis uns Länder wie China Antworten liefern. Das geht nicht nur im Labor, sondern muss auch im Freiland passieren. “ In diesem Zusammenhang sprach sich Seehofer dafür aus, die Rahmenbedingungen für die Forschung zu verbessern. Er habe dazu einen Vorschlag entwickelt, über den ebenfalls nach der Sommerpause beraten werden soll.

Strittig ist hier vor allem, wie einzelne zufällige GVO-Auskreuzungen bei Freisetzungsversuchen zu bewerten sind. In der Regel erlassen die Behörden bei Freilandversuchen mit neuen, noch nicht abschließend zugelassenen gv-Pflanzen Auflagen und Maßnahmen, um zufällige Auskreuzungen oder Verschleppungen durch Tiere zu verhindern. Dennoch sind in offenen biologischen Systemen einzelne GVO-Auskreuzungen nicht vollständig zu vermeiden.

Offenbar plant Seehofer, dieses Problem zu entschärfen. Derzeit sind für die Verantwortlichen eines Freisetzungsversuch die rechtlichen und finanziellen Folgen nicht überschaubar, sollte Genmaterial aus gv-Pflanzen trotz aller Sicherheitsauflagen außerhalb der Versuchsfläche auftauchen.