BVL: Zur Diskussion um Bt-Mais

„Es handelt sich um ein geprüft sicheres Produkt“

Mitte Juli hat die Umweltschutzorganisation Greenpeace eine Studie veröffentlicht, in der sie aktuelle Forschungsergebnisse zu den Umweltwirkungen von gentechnisch verändertem Bt-Mais Mon810 auswertet. Bt-Mais gefährde das ökologische Gleichgewicht, so das Fazit von Greenpeace. Wissenschaftler der RWTH Aachen sowie der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL), die an Projekten der BMBF-Sicherheitsforschung beteiligt sind, distanzierten sich inzwischen von der Greenpeace-Interpretation ihrer Forschungsergebnisse. Der Zulassungsbehörde wird in der Studie vorgeworfen, dass sie die Auswirkungen des gv-Maises auf die biologische Vielfalt in Europa bisher nicht ausreichend geprüft habe. bioSicherheit sprach mit Detlef Bartsch vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL).

BioSicherheit: In der Mitte Juli veröffentlichten Studie spricht Greenpeace in Zusammenhang mit Event Mon810 von einem „problematischen Produkt“, dessen Zulassung mit dem „in der EU gesetzlich verankerten Prinzip der Vorsorge nicht vereinbar“ sei und fordert eine Rücknahme der EU-Zulassung. Wie schätzen die zuständigen Behörden in Deutschland diese Bewertung ein?

Dr. Detlef Bartsch ist stellvertretender Leiter der Referatsgruppe Gentechnik beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)

Detlef Bartsch: Das BVL als zuständige Bundesoberbehörde ist nach wie vor der Auffassung, dass es sich bei MON810 nach dem Stand der Wissenschaft und unter Anwendung des Vorsorgeprinzips um ein geprüft sicheres Produkt handelt. Neue Ergebnisse - wie beispielsweise Studien aus der BMBF-Sicherheitsforschung oder der Umweltbeobachtung - werden vom BVL aufmerksam verfolgt. Falls neue Erkenntnisse zu einer geänderten Sicherheitsbewertung führen, werden unmittelbar geeignete Maßnahmen zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt ergriffen.

BioSicherheit: Mon810 hat seit 1998 eine Genehmigung für den Anbau. Fünf Sorten sind zugelassen, acht weitere sind in der Sortenprüfung durch das Bundessortenamt. Die erste Genehmigung von MON810 wurde nach der alten Freisetzungs-Richtlinie 90/220/EWG erteilt. Diese ist in der Zwischenzeit durch neue Rechtsvorschriften - die neue Freisetzungs-Richtlinie 2001/18E bzw. die Verordnung über gv-Lebens- und Futtermittel 1829/ 2003/EG - abgelöst worden. Das macht eine Neubewertung von MON810 nach den Kriterien der jetzt gültigen EU-Richtlinie notwendig. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Mon810 weiter angebaut werden darf?

Detlef Bartsch: In der EU-Richtlinie ist genau ausgeführt, welche Unterlagen für eine Zulassung eines GVO zusammenzustellen sind. Mit den Richtlinien 2001/18EG bzw. 1829/ 2003/EG sind die Anforderungen an den Antragsteller gewachsen. So sind z.B. eine genauere Beschreibung der gentechnischen Veränderung und eine intensivere Umweltrisikoprüfung erforderlich. Ein neues Element des Antrags wird ein Monitoringplan zur Beobachtung des GVO in der Umwelt sein. Bei der Bewertung der Antragsunterlagen durch das BVL werden Ergebnisse aus der aktuellen Sicherheitsforschung herangezogen.

BioSicherheit: Gibt es aus Ihrer Sicht derzeit Erkenntnisse, z.B. aus dem abgeschlossenen BMBF-Verbund zur Biosicherheitsforschung, die eine Neubewertung des Bt-Maises Mon810 erfordern? Und lassen sich dabei Ergebnisse aus den hiesigen Anbaugebieten auf andere EU-Länder übertragen?

Detlef Bartsch: Die Ergebnisse aus der BMBF-Sicherheitsforschung zu MON810 Mais sind dem BVL bekannt. Nach Auffassung des BVL geben sie keinen Anlass für eine Neubewertung. Die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere EU-Länder ist nach meiner Auffassung möglich. Es muss aber immer geprüft werden, welche regionalen Besonderheiten möglicherweise in der Bewertung zu berücksichtigen sind wie z.B. unterschiedliche klimatische Bedingungen. Interessant ist, dass andere europäische wissenschaftliche Freilandstudien z.B. aus Spanien oder Frankreich zu ähnlichen Ergebnissen kommen.

BioSicherheit: Ökosysteme sind sehr komplex. Wie kann man im Rahmen der Sicherheitsbewertung sicherstellen, dass der Bt-Mais nicht doch unerwartete Effekte auf die Umwelt zeigt?

Detlef Bartsch: In der Umweltrisikoprüfung gibt es ausgehend vom Organismus und der gentechnischen Veränderung eine Reihe von Prüfpunkten zur Sicherheitsbewertung. Beispiel Bt-Mais: Im Bt-Mais wird Bt-Toxin gebildet, dass gegen einen schädlichen Schmetterling, den Maiszünsler, wirkt. Die Wirkung ist nicht nur auf den Schädling beschränkt, sondern wirkt auch auf andere Schmetterlingsarten. Hier ist zu prüfen, ob möglicherweise auch so genannte Nichtziel-Schmetterlinge durch den Anbau von Bt-Mais gefährdet sind. Andererseits könnte der Schädling auch resistent werden, so dass unter Umständen wieder auf umweltschädlichere Pestizide zurückgegriffen werden müsste. Erkannte Risiken muss ein Antragsteller nach Produktzulassung fallspezifisch beobachten.

Grundsätzlich werden gentechnisch veränderte Pflanzen zunächst oftmals unter Glas und später im Freiland zu wissenschaftlichen Zwecken auf meist geringer Fläche freigesetzt. Dabei sind strenge Auflagen einzuhalten, mit denen eine Auskreuzung oder Verschleppung der Pflanzen verhindert wird. Erst wenn bei diesen Versuchen negative Wirkungen für Mensch, Tier und Umwelt ausgeschlossen werden können, ist an einen kommerziellen Anbau zu denken.

Dennoch kann es trotz langjähriger Forschung zu unerwarteten Effekten kommen. Bei der Umweltrisikoprüfung können unerwartete Effekte vorab nicht untersucht werden, da ja im Vorfeld nicht klar ist, um welche Effekte es sich handelt und man weiß nicht, was man prüfen soll. Unerwarteten Effekten kann man mit dem Instrument der Produktbeobachtung nach Zulassung begegnen. Zu diesem Zweck ist im Gentechnikrecht neuerdings die so genannte Allgemeine Beobachtung vorgeschrieben. Ziel ist es, ungewöhnliche schädliche Effekte auf die Umwelt oder Gesundheit aufzuspüren. Viele Wissenschaftler sind sich einig, dass dies über eine Beobachtung von so genannten Schutzzielen gelingen kann. So ein Schutzziel kann z.B. die Biodiversität, nachhaltige Landwirtschaft oder Bodenfruchtbarkeit sein. Falls schädliche unerwartete Effekte durch den Anbau von GVO festgestellt würden, könnten geeignete Maßnahmen zur Gefahrenabwehr bis hin zum grundsätzlichen Verbot ergriffen werden.

BioSicherheit: Danke für das Gespräch