Wie der Mais nach Europa kam

Fremdes Korn und türkischer Weizen.

Mais- hierzulande lieben wir ihn als popcorn beim Kirmes- oder Kinobesuch oder als knusprige cornflakes in der Frühstücksmilch. Ansonsten ist er für Mitteleuropäer ein eher nachrangiges Getreide, gut genug, um das Vieh damit zu füttern. So richtig durchsetzen konnte sich der Mais in Mitteleuropa nicht.

Maisvielfalt

Maisvielfalt
Bild: Universität Hohenheim

Als Columbus 1492 Kuba und Haiti entdeckte und sich in Westindien wähnte, kehrten die ausgesandten Späher mit einem Bericht über den Anbau einer ihnen unbekannten Pflanze zurück, die die Einheimischen mais oder mahiz nannten. Wenig später trafen die ersten Maiskörner mit einem zurück- kehrenden Schiff in Spanien ein.

Die Spanier erkannten den Wert dieser Pflanze als Nahrungsmittel offenbar sehr schnell, denn schon 1525, während noch die Eroberung von Mexiko und Peru in vollem Gange war, bauten sie auf den Feldern Andalusiens bereits Mais an. Die neue Pflanze war erstaunlich anpassungsfähig, wuchs schnell und brachte hohe Erträge, ein Segen für die hungernden armen Bauern in Spanien und bald auch Norditalien, die den Mais in ihren Gärten anpflanzten. Der Mais verbreitete sich schnell, über Italien auf den Balkan, mit portugiesischen Schiffen nach Südostasien, Indien, China und Japan. Vermutlich waren es auch portugiesische Händler, die den Mais nach Afrika brachten, um ihn kurze Zeit später mit afrikanischen Sklaven wiederum nach Amerika zu verfrachten.

Nach Mitteleuropa kam der Mais erst über den Umweg des Vorderen Orient also vom Osten her, und weil die Menschen seine eigentliche Herkunft nicht kannten oder vergessen hatten, wurde er „Türkisch Korn“ oder „Türkischer Weizen“ genannt. Bei den Türken wiederum hieß er „Agyptisches Korn“ und bei den Ägyptern „Syrische Hirse“. Der deutsche Naturforscher Hieronymus Bock, der den Mais 1542 in sein „New Kreuterbuch“ aufnahm, nannte ihn schlicht „fremdes Korn“.

Wie die Indianer den Mais anbauten

Zur Zeit der spanischen Eroberung gab es im Ursprungsland des Mais mindestens 200 verschiedene Kulturmaissorten mit erstaunlich hohen Kornerträgen. Noch heute bringen die uralten Züchtungen der Maya Mais in verschiedensten Färbungen hervor, von gelb-orange, über rot, blau bis hin zu schwarz.

Die Vielfalt zu erhalten war den indianischen Bauern eine tiefe Verpflichtung. Die Körner der schönsten Kolben wurden als Saatgut verwendet. Darüber hinaus betrieben sie keine Auswahl der einzusäenden Körner und die unterschiedlichen Maisvarietäten wurden absichtlich in Mischkulturen angepflanzt. Damit riskierten sie zwar Ertragseinbußen, stellten aber ihre Kulturen auf eine breite genetische Basis, die sie vor Krankheiten und Schädlingen schützte.

Sie bauten den Mais in der Regel zusammen mit Bohnen und Kürbis an. Das ist in Lateinamerika bis heute üblich. Die Bohnen konnten am festen hohen Stängel des Mais hochranken und der Kürbis breitete sich am Boden aus und verhinderte Unkraut. Die Indianer teilten das Land in Felder auf wie ein Schachbrett, und in der Mitte eines jeden Feldes wurden Erdhügel aufgehäuft, in welche die Frauen Löcher bohrten und sowohl Maiskörner als auch Bohnen und Kürbiskerne hineinwarfen. Die Küstenbewohner steckten außerdem Fische in die Erdhaufen. Sie hatten herausgefunden, dass der Mais gut gedüngt sein will.

Eine rätselhafte Krankheit und die Weisheit der Indianer

Seit dem späten 17. Jahrhundert grassierte unter der armen Bevölkerung Südeuropas eine rätselhafte Krankheit, die mit Hautausschlägen begann und in ihrem Verlaufe zu Durchfall und Erbrechen, schließlich zu Störungen des Nervensystems und zum Tod führte. Niemand wusste diese Krankheit mit dem Namen Pellagra zu erklären, noch im 19. Jahrhundert glaubte die wissenschaftliche Welt, es sei ein Mangel an tierischem Protein. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts fand man heraus, dass Pellagra die Folge einer nahezu ausschließlichen Ernährung mit Mais ist. Denn dem Mais mangelt es an den essentiellen Aminosäuren Lysin und Tryptophan. Lysin ist bedeutsam für das Knochenwachstum und Tryptophan ist Ausgangsstoff für Niacin, welches wiederum das lebenswichtige Vitamin B freisetzt. Die ersten erfolgreichen Therapien gegen Pellagra bestanden denn auch in der Verabreichung von Bierhefe, die ausreichend Vitamin B enthält.

Interessanterweise hat es diese Krankheit in der Heimat des Mais nie gegeben, auch dann nicht, als die spanischen Eroberer den Indianern den ausschließlichen Maisanbau aufzwangen und ihre Gärten vernichteten. Heute ist dieses Rätsel gelöst: Das uralte Wissen um die richtige Zubereitung des Mais war nicht mit über den Atlantik gekommen. In Europa wurde das trockene Korn gemahlen, die Indianer weichten die ganzen Körner ein, kochten sie und erst dann wurden sie zerrieben. Aber das eigentliche Geheimrezept ist: Sie fügten Asche hinzu, die die Schale der Maiskörner weich und die Körner leichter verdaulich machten. Durch die Zugabe von Asche, also Kalk, wird das im Mais enthaltene Niacin aufgeschlossen und kann wirksam werden.