Kartoffelverarbeitung

Chips, Fritten, Stärke: Das Ende der traditionellen Speisekartoffel

Wenn sie nicht gerade in Gestalt feurig-knackiger Chips oder schlanker mundgerechter Fritten daherkommt - dann ist die Kartoffel eher bieder, langweilig und hausbacken, einfach unmodern.

Der Verbrauch an Kartoffeln ist wie bei keinem anderen landwirtschaftlichen Erzeugnis gesunken. Um 1900 verspeiste jeder Deutsche durchschnittlich 285 kg im Jahr - täglich und pro Kopf einen Kartoffelberg von nahezu einem Kilogramm - , heute sind es nur noch knapp 60 Kilogramm pro Jahr, mehr als die Hälfte davon industriell verarbeitete Produkte wie Chips, Fritten, Püreepulver oder Tiefkühlgratin.

Pro Kopf Verbrauch an Kartoffeln in Deutschland bis 2011

Pro-Kopf-Verbrauch von Speise-Kartoffeln in Deutschland
Dass der Verbrauch an Speisekartoffeln seit den 80er Jahren nur noch langsam abnimmt, verdankt sich der starken Zunahme an Kartoffelprodukten wie Chips, Fritten, Püree.
Aber auch die Wiedervereinigung 1989 hat die Verbrauchszahlen nach oben beeinflusst.

industrielle Verarbeitung von Kartoffel in Deutschland bis 2010

Die industrielle Verarbeitung von Kartoffeln in Deutschland (ab 1990/91 incl. neue Bundesländer)
Die industrielle Verarbeitung von Kartoffeln hat insgesamt stark zugenommnen, wobei die Trockenfuttermittel- industrie und auch die Schnapsbrennerei kaum noch von Bedeutung sind. Die Stärkeindustrie boomte vor allem in den 80er und auch noch in den 90er Jahren, die industrielle Verarbeitung von Kartoffeln zu so genannten Veredelungsprodukten steigt hingegen kontinuierlich auch in den letzten Jahren weiter an.

Quelle für Grafiken:
LEL Schwäbisch Gmünd, Agrarmärkte 2010/2011

Die Kartoffel gilt heute als ein so genanntes „inferiores Gut“, d.h. sie rangiert in der Wertschätzung nicht besonders hoch, irgendwie erinnert sie an ärmere Zeiten und es scheint tatsächlich so zu sein, dass der Kartoffelverbrauch sinkt, wenn das Einkommen steigt. Als Grundnahrungsmittel hat die Kartoffel jedenfalls ausgedient.

Dagegen hat die industrielle Verarbeitung von Kartoffeln kontinuierlich zugenommen. 2010/2011 wurde in Deutschland ein Viertel der Kartoffeln zu so genannten Veredelungsprodukten weiterverarbeitet, also zu Chips, Fritten, Kloßmehl, Reibekuchen etc. mit steigender Tendenz. Die Nachfrage nach Veredelungsprodukten war höher als die nach frischen Kartoffel, deren Anteil bei nur noch 18 Prozent lag.

Einen erheblichen Anteil an der Kartoffelindustrie hat auch die Stärkegewinnung. Stärke wird heute gebraucht für Papier und Pappe, Kleister und Leim, Baustoffe und Verpackungen, ja sogar für Waschpulver, Zahn-Pasta, Tabletten und vieles andere mehr. Mit nahezu drei Millionen Tonnen Kartoffeln werden heute im Vergleich zu den 70er Jahren mehr als sechs mal so viele Kartoffeln für die Stärkeproduktion eingesetzt. Etwa ein Viertel der in Deutschland zur Verfügung stehenden Kartoffelmenge wird industriell zu Stärke weiterverarbeitet.

Von Kartoffelschnaps bis Trockenpüree

Kartoffelschnaps. Die Geschichte der Kartoffelverarbeitung beginnt mit dem Kartoffelschnaps, denn schon etwa ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde es üblich, die Ernteüberschüsse an Kartoffeln in Branntwein umzuwandeln. Ihren Höhepunkt erreichte die Schnapsbrennerei aus Kartoffeln aber erst Ende des 19. Jahrhunderts bis etwa zu Beginn des Zweiten Weltkrieges. 1919 wurden nahezu 80 Prozent des Alkohols aus Kartoffeln gewonnen. Dagegen hat die Brennerei heute so gut wie keine Bedeutung mehr.

Fritten und Kartoffelchips. Etwa um die gleiche Zeit wie der Kartoffelschnaps dürften auch die Fritten erfunden worden sein. Sie stammen der Überlieferung nach aus Belgien. Die Belgier liebten es, Fisch in reichlich Fett auszubacken, und als es einmal ein fischarmes Jahr gab, haben sie kurzerhand die Beilage, nämlich die Kartoffeln, frittiert. So entstanden die Pommes frites. Natürlich wurden Fritten erst viel später- nämlich erst nach dem Zweiten Weltkrieg- zu einem industriell vorgefertigten Massenprodukt.

Die Kartoffelchips wiederum sind eine amerikanische Erfindung. Allerdings brauchten sie sehr lange, bis sie sich im nicht-englischen Europa durchsetzen konnten. Die ersten Kunden für Kartoffelchips in Deutschland waren Anfang der 50er Jahre die hier stationierten amerikanischen Soldaten.

Stärke. Wie alle Produkte aus Kartoffeln wurde auch die Stärke zunächst in häuslicher Produktion mit einfachsten Mitteln hergestellt. Erst mit der Industrialisierung beginnt die Stärkegewinnung aus Kartoffeln in großem Maßstab. War bis dahin der Weizen Stärkelieferant Nummer eins, so hatte jetzt auch die Kartoffel ihre Chance. Um 1890 gab es in Deutschland etwa 800 Betriebe, die Stärke aus Kartoffeln produzierten. Auch die Stärkeverzuckerung wurde damals schon zu einer ernsthaften Konkurrenz für den Rübenzucker.

Trockenprodukte. 1894 schließlich machte sich der „Verein der Stärkeinteressenten in Deutschland“ zusammen mit dem „Verein der Spiritus-Fabrikanten in Deutschland“ Gedanken über die Frage, wie man eine Kartoffelkonserve herstellen könnte. Es wurden Preisausschreiben veranstaltet um neue Verfahren der Kartoffeltrocknung zu entwickeln und in die Praxis umzusetzen. Der Erfolg blieb allerdings mäßig, niemand wollte sich für die Trockenkartoffel begeistern und so wurde sie bis in die fünfziger Jahre hauptsächlich als Viehfutter verwendet. Einzig in Kriegszeiten stieg der Absatz an Trockenprodukten. Das Image als Notspeise sind die Kartoffel-Trockenprodukte allerdings auch nach dem Krieg, als die Produkt-Palette sich schon erheblich erweitert hatte, lange nicht los geworden.