EFSA-Gutachten zu Antibiotikaresistenz-Genen

Eingeschränkt verwendbar

Am 2. April 2004 hat das für Sicherheitsfragen der Grünen Gentechnik zuständige wissenschaftliche Expertengremium (GMO Panel) der europäischen Lebensmittelbehörde (EFSA) ein Gutachten zu Antibiotikaresistenz-Markergenen bei gentechnisch veränderten Pflanzen angenommen. Ein generelles Verbot dieser Marker halten die Experten für nicht gerechtfertigt, empfehlen aber einen differenzierten und besonnenen Umgang: Einzelne Antibiotikaresistenz-Marker sollen nicht mehr zulässig sein, andere werden nur eingeschränkt erlaubt. Bei dem nptII-Markergen, das in den meisten gv-Pflanzen verwendet wurde und eine Resistenz gegen das Antibiotikum Kanamycin vermittelt, soll sich nichts ändern.

Zwar wird die Häufigkeit eines horizontalen Gentransfervon einer gv-Pflanze auf Mikroorganismen als „sehr gering“ eingestuft, dennoch geht das GMO-Panel der EFSA bei der Sicherheitsbewertung der verschiedenen Antibiotikaresistenz-Markergene (ABR-Gen)davon aus, dass ein solcher Vorgang grundsätzlich möglich ist. Der Maßstab der EFSA-Experten war, dass ein Markergen Umwelt und Gesundheit selbst dann nicht beeinträchtigen soll, wenn sich der äußerst seltene Fall eines horizontalen Gentransfers ereignen sollte.

Bei der Bewertung der verschiedenen ABR-Gene wurden mehrere Kriterien herangezogen:

  • die medizinische Bedeutung der jeweiligen Antibiotika, ihre aktuelle Verwendung in der Human- und Tiermedizin sowie ihre Wirksamkeit gegen bestimmte Infektionskrankheiten;
  • die natürliche Verbreitung der jeweiligen Antibiotikaresistenzen in Mikroorganismen, wie sie im Boden oder Wasser, aber auch im Verdauungstrakt von Menschen oder Säugetieren vorkommen.

Die EFSA-Experten empfehlen, wie bisher gv-Pflanzen dann für die Freisetzung in die Umwelt zuzulassen, wenn sie ABR-Markergene enthalten, die auch unter natürlichen Bedingungen bereits weit verbreitet sind und nur solche Antibiotika unwirksam machen, die in der Medizin nicht mehr in Gebrauch sind.

Wie alle wissenschaftlichen Gremien der EFSA setzt sich das GMO-Panel aus unabhängigen und hochrangigen Wissenschaftlern zusammen. Es wird bei Zulassungen von gv-Pflanzen in der EU herangezogen und gibt wissenschaftliche Stellungnahmen ab. Die EFSA-Expertengremien haben lediglich beratende Aufgaben. Entscheidungen über Zulassungen oder andere Fragen treffen die politischen Institutionen - EU-Kommission, Ministerrat und EU-Parlament.

Nicht alle Antibiotikaresistenz-Gene sind gleich

Das GMO Panel der EFSA stuft die als Marker verwendeten Antibiotikaresistenz-Gene in drei Gruppen ein.

Gruppe 1: ABR-Gene, die in natürlich vorkommenden Mikroorganismen weit verbreitet sind. Die jeweiligen Antibiotika haben keine oder nur eine geringe Bedeutung in der Human- und Tiermedizin. Dieser Gruppe werden das nptII-Gen (Kanamycin- Resistenz) und das hph-Gen (Hygromycin) zugerechnet.

  • Beispiel: nptII-Gen . Dieses seit Jahren in transgenen Pflanzen am häufigsten verwendete Markergen stammt aus einem Transposon (springendes Gen). Es vermittelt eine Resistenz gegen mehrere Antibiotika wie z.B. Kanamycin oder Neomycin. Diese werden aber nur noch selten eingesetzt, etwa bei Patienten, die andere Antibiotika nicht vertragen. Kanamycin kann zudem starke Nebenwirkungen zur Folge haben.
  • Bei Markergenen dieser Gruppe wird davon ausgegangen, dass ihre Verwendung in transgenen Pflanzen nichts an der vorhandenen Verbreitung in der Umwelt ändert. Die EFSA-Experten können keine Sicherheitsgründe erkennen, die für eine Einschränkung dieser ABR-Gene sprechen. Sie empfehlen daher, gv-Pflanzen mit diesen ABR-Markergenen sowohl für Feldversuche wie für den kommerziellen Anbau weiterhin uneingeschränkt zuzulassen.
  • Anfang 2007 wurde das nptII-Gen von den EFSA-Experten erneut überprüft. Anlass dafür waren neue Information der über einen verstärkten Einsatz des Antibiotikums Kanamycin und ähnlicher Wirkstoffe. Nach Ansicht der Europäische Arzneimittelagentur (EMEA), spielen diese in der Human- und Tiermedizin eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung bestimmter Infektionskrankheiten, auch weil andere Antibiotika ihre Wirksamkeit verlieren, gegen die bakterielle Erreger Resistenzen entwickelt haben. Dennoch bekräftigten die EFSA-Experten ihre ursprüngliche Einschätzung: Ein Transfer des Gens von einer gv-Pflanze auf Bakterien ist als extrem unwahrscheinlich anzusehen ist. Außerdem sei das nptII-Gen in der Natur ohnehin weit verbreitet. Ein großer Teil der Bakterien, die etwa im Darm oder in der Umwelt anzutreffen sind, besitzt bereits eine Resistenz gegenüber Kanamycin. Eine Verwendung des nptII-Gens in gv-Pflanzen sei unbedenklich und habe keinen Einfluss auf die die Wirksamkeit von Antibiotika der Kanamycin-Gruppe.

Gruppe II: ABR-Gene, die in natürlich vorkommenden Mikroorganismen verbreitet sind. Die zugehörigen Antibiotika werden aber noch verordnet, um spezielle Krankheiten zu bekämpfen. Dieses trifft zu auf das ampr-Gen (Resistenz gegen Ampicillin), das aadA-Gen (Streptomycin) und das Cmr-Gen (Chloramphenicol).

  • Beispiel: ampr-Gen. Dieses Gen vermittelt eine Resistenz gegen das Antibiotikum Ampicillin. Es stammt aus E.coli-Bakterien und wird in zugelassenen transgenen Pflanzen verwendet (Bt176-Mais). Ampicillin wird zwar nur noch selten verordnet, bei bestimmten Infektionen ist es jedoch weiterhin das Mittel der Wahl.
  • Bei Markergenen dieser Gruppe, wird davon ausgegangen, dass ihre Verwendung in transgenen Pflanzen kaum Einfluss auf die vorhandene Verbreitung hat. Wenn es Auswirkungen dieser Markergene auf die Gesundheit von Menschen und Tieren geben sollte, werden sie als minimal eingeschätzt. Die EFSA-Experten empfehlen, diese ABR-Marker nur noch im Rahmen von Freisetzungsversuchen zu erlauben, nicht jedoch in kommerziell angebauten gv-Pflanzen.

Gruppe III: ABR-Gene, die Resistenzen gegen Antibiotika vermitteln, die in der Humanmedizin von großer Bedeutung sind.

  • Beispiel: nptIII-Gen. Dieses Gen vermittelt eine Resistenz gegen das Antiobiotikum Amikacin, ein wichtiges Reserve-Antibiotikum, das gegen verschiedene Infektionskrankheiten wirksam ist.
  • Auch wenn eine Einschränkung der Wirksamkeit dieser Antibiotika durch die Verwendung entsprechender Markergene in gv-Pflanzen keine erwiesene Gefahr ist, sollte auf diese Markergene vorsorglich verzichtet werden. Das EFSA-Panel rät, gv-Pflanzen mit solchen Markergenen weder zu Versuchs-, noch zu kommerziellen Zwecken in die Umwelt freizusetzen.

Horizontaler Gentransfer: Ein extrem seltenes Ereignis

Ein horizontaler Gentransfer von Pflanzen auf Mikroorganismen ist zwar grundsätzlich möglich, aber ein sehr seltenes Ereignis. Bisher ist ein horizontaler Gentransfer nur unter optimalen Bedingungen im Labor nachgewiesen worden.

Verschiedene Bedingungen müssen zusammenkommen, damit ein solcher horizontaler Gentransfer tatsächlich stattfindet.

  • Freisetzung des intakten Antibiotikaresistenz-Gens aus der Pflanzenzelle. In der Regel wird DNA, wenn sie aus Pflanzen freigesetzt wird, durch pflanzeneigene Enzyme (Nukleasen) in kleinere Einheiten abgebaut. Auch im menschlichen Verdauungstrakt oder im Pansen sind solche DNA-abbauende Enzyme vorhanden.
  • Aufnahme des Gens durch dazu befähigte (kompetente) Bakterien. Diese Fähigkeit wurde bisher erst bei relativ wenigen Bakterien beobachtet.
  • Etablierung des Antibiotikaresistenz-Gens - oder zumindest eines funktionsfähigen Teils davon im Genom der Bakterien. Eine Integration ist möglich über den Vorgang der Rekombination. Dieser ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. So müssen etwa die DNA-Abfolge des Resistenz-Gens und eines Bakterien-Gens weitgehend übereinstimmen (Homologie).
  • Erfolgreiche Expression des Antibiotikaresistenz-Gens. Das Gen muss abgelesen und in ein Protein umgesetzt werden, das eine Resistenz gegen das jeweilige Antibiotikum vermittelt. Damit das möglich ist, muss das Gen mit Erkennungssignalen (Regulationssequenzen) versehen sein, die auch von Bakterien „gelesen“ werden.