Wild-, Unkraut- und Kulturrüben

Die Beta-Familie.

Mangold, Rote Beete, Wildrübe - in Mitteleuropa sind verschiedene Pflanzen heimisch, welche die gleichen Vorfahren haben wie die Zuckerrübe. Zwischen so engen Verwandten liegen die Kreuzungsbarrieren niedrig. Gentechnisch veränderte Zuckerrüben werden sich in dieser Hinsicht nicht anders verhalten als konventionelle: Sie geben ihre Gene an Artverwandte weiter.

Rüben in Europa. Vor allem in Norditalien und Südfrankreich treffen große Saatguterzeugungsgebiete (nummerierte Standorte) auf Wildrüben- populationen. Diese sind vor allem an den Meeresküsten zu finden (senkrechte Linien). Schraffiert: Unkrautrüben- populationen.

Schosser: Eine blühende Rübenpflanze ist eine Ausnahme. Rübenpflanzen blühen erst im zweiten Jahr.

Wildrüben in Norditalien.
(Foto: D. Bartsch)

Verwandte der Zuckerrübe: Wildrübe

Mangold ( Beta vulgaris subsp. vulgaris )

Damit es tatsächlich zu einer Auskreuzung von der Kultur- zu einer Wildpflanze kommt, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Zuckerrüben müssen zur gleichen Zeit blühen wie mögliche Kreuzungspartner.
    Das ist gerade bei Zuckerrüben nicht selbstverständlich. Sie sind zweijährige Pflanzen, die im ersten Jahr (vegetative Phase) den Rübenkörper ausbilden und im zweiten Jahr (generative Phase) blühen. Normalerweise werden Zuckerrüben geerntet, bevor sie Pollen und Samen ausbilden. Allerdings kommt es immer wieder zu einjährigen Rüben, die vorzeitig blühen. (Schosser)
    Bei der Saatguterzeugung ist es eine notwendige Vorbedingung, dass die Rüben blühen und Samen bilden.
  • Kultur- und Wildrüben bzw. andere Kreuzungspartner müssen in einer räumlichen Entfernung zueinander stehen, die durch Pollenflug überbrückt werden kann.

Einige Vermehrungsgebiete für Zuckerrübensaatgut liegen in Küstennähe, etwa in Norditalien und Südfrankreich. (siehe Karte) Hier sind beide Voraussetzungen erfüllt, unter denen Hybride aus Kultur- und Wildrüben entstehen können. Durch Verbreitung der Zuckerrüben-Pollen mit dem Wind ist eine Bestäubung in benachbarte Wildformen wahrscheinlich.

Beta vulgaris – eine verzweigte Familie

Zu der Art Beta vulgaris gehören eine Reihe von Kulturarten, die teils auf Wurzelknollenbildung (z.B. Zuckerrübe und Rote Beete), teils auf Blattwuchs (z.B. Mangold) hin gezüchtet wurden. Man ist sich heute weitgehend sicher, dass die heutigen Kulturformen von der Wildrübe abstammen. Der Übergang von reinen Wildrüben zu verwilderten Kulturrüben ist fließend.

Wildrüben (Beta vulgaris ssp. maritima) kommen im gesamten Mittelmeerraum sowie in den Küstenbereichen Nordeuropas vor. Innerhalb Deutschlands sind Vorkommen auf Helgoland und an der Ostseeküste, insbesondere auf Fehmarn, bekannt. Es scheint, als ob sich Wildrüben zurzeit in an der deutschen Ostseeküste ausbreiten.

Gegenüber Kulturrüben haben Wildrüben dickfleischigere Blätter und einen kleineren Rübenkörper. Außerdem sind Pflanzenteile häufig rot gefärbt. Wildrüben sind nur wenig frostfest und können nur in gering besiedelten Biotopen überleben.

Unkrautrüben sind verwilderte Kulturrüben. Sie sind vermutlich in Gebieten entstanden, in denen Wildrübenpopulationen in der Nähe von Kulturrüben existiert haben. In Deutschland kommen Unkrautrüben etwa im Rheinland, an der Ostseeküste und im Breisgau vor.

Unkrautrüben können auf landwirtschaftlich genutzten Flächen ökonomische Probleme hervorrufen. Als einjährige Pflanzen bilden sie keine Rüben und liefern somit keine Erträge. Wegen ihrer engen Verwandtschaft mit den Kulturrüben sind sie nur mechanisch, nicht mit Pflanzenschutzmitteln zu bekämpfen. Außerdem sind sie Konkurrenten der Kulturpflanzen um Energie und Nährstoffe.

Gegenüber Kulturrüben haben Unkrautrüben ein anderes Blüh- und Vermehrungsverhalten. Sie sind durch Einkreuzung der Wildrüben einjährig geworden. Auf Kulturrübenfeldern blühen sie, bevor die Rüben geerntet sind. Der Wildrübensamen können lange im Boden überdauern und können sich trotz Fruchtfolge dort anreichern.

Schematische Übersicht über den Genfluss zwischen Wild-, Unkraut- und Kulturformen der Zuckerrübe. (nach Bartsch/Schuphan)