Männliche Sterilität

Pflanzen ohne Pollen

Pflanzen verbreiten ihre Gene über Pollen. Eine gezielte Unterdrückung der Pollenbildung könnte insbesondere bei solchen Pflanzen interessant sein, die zur Erzeugung industrieller oder pharmazeutischer Stoffe eingesetzt werden sollen und eine Ausbreitung der Gene über den Pollen unerwünscht ist. Inzwischen gibt es verschiedene gentechnische Ansätze, "männlich sterile" Pflanzen - also Pflanzen ohne Pollen - zu erzeugen.

Kein Pollen, keine Ausbreitung. Pollen entsteht in den männlichen Blütenteilen, den Staubfäden (Antheren). Wird die Bildung von Pollen verhindert, sind die Pflanzen männlich steril - sie können sich nicht mehr fortpflanzen.

Seit Jahrzehnten werden in der Pflanzenzüchtung männlich sterile Pflanzenlinien genutzt. Sie können keinen befruchtungsfähigen Pollen bilden und werden in der Hybridzüchtung als Mutterpflanzen zur Saatgutproduktion eingesetzt. Ziel ist die kontrollierte Bestäubung durch ausgesuchte Vaterlinien auf die männlich sterilen Mutterlinien. Vor allem in der Maiszüchtung wird die cytoplasmatische männliche Sterilität (CMS) eingesetzt. In einem aktuellen SiFo-Projekt wird untersucht, wird ob sich diese natürlich vorkommende männliche Sterilität für das biologische Confinement eignet.

Daneben gibt es inzwischen auch verschiedene gentechnische Ansätze, die Pollenbildung gezielt zu unterdrücken. Bei allen Ansätzen sind zwei methodische Schritte zu kombinieren:

  • Ein in der Pflanze vorhandenes Gen, dessen Aktivität für die Funktion oder die Entwicklung von Zellen (bzw. Pollen) erforderlich ist, wird „abgeschaltet“. Denkbar ist auch die Einführung eines neues Gens, das zu Störungen der Pollenbildung in der Zelle führt.
  • Damit dieser Effekt ausschließlich auf die für die Pollenbildung beteiligten Zellen beschränkt bleibt, werden die jeweiligen Genkonstrukte an gewebespezifische Promotoren gekoppelt: Diese bewirken, dass die Genaktivität nur in bestimmten Zelltypen „anspringt“.

Männlich sterile Pflanzen wurden bereits in den 1990er Jahren von der belgischen Firma PGS (Plant Genetic Systems) mittels des Barnase/Barstar-Systems entwickelt. Damals ging es darum, über sterile Pflanzen einfacher Hybridsaatgut züchten zu können. Gentechnisch veränderter Raps, der unter Anwendung dieses Konzepts entwickelt wurde, steht seit vielen Jahren in Nordamerika im Anbau. In Europa ist derzeit eine Rapslinie unter der Bezeichnung MS8/RF3 zugelassen, die neben einer Herbizidresistenz gegen den Wirkstoff Glufosinat auch das PGS-Sterilitätssystem besitzt.

Beispiel 1: Ausschalten eines antheren-spezifischen Enzyms

Ein gentechnischer Ansatz befasst sich mit der Hemmung eines für die Pollenentwicklung essentiellen Enzyms namens Invertase. Es handelt sich um eine antheren-spezifische Invertase, die Saccharose (Haushaltszucker, ein Disaccharid) in die Einfachzucker Fructose und Glucose spaltet, zwei für die Pollenentwicklung wichtige Kohlenstoffquellen. Ohne die Aufspaltung der Saccharose wird dem Pollen die Nahrungsgrundlage entzogen und er kann sich nicht voll entwickeln: Die Pflanze ist steril.

Um die Aktivität der Invertase einzuschränken oder auszuschalten, können zwei Methoden angewandt werden: Mit Hilfe der Antisense-Technik kann das für die Invertase verantwortliche Gen „abgeschaltet“ werden, mit einem Invertase-Inhibitor wird hingegen die Wirkung des Enzyms direkt blockiert.

In einem 2008 abgeschlossenen SiFo-Projekt wurden die beiden beschrieben Methoden an den Kulturarten Raps und Mais angewendet und im Falle von Raps erfolgreich männlich sterile Pflanzen erzeugt.

Variante: Antisense-Hemmung

Dabei nutzt man den natürlichen Mechanismus der RNA-Interferenz. Die genetische „Bauanleitung“ für die Bildung eines Proteins (in diesem Fall das Enzym Invertase) wird an der entsprechenden Stelle im Genom abgelesen und als Kopie (hier: mRNA, blau markiert) zu den „Proteinfabriken“ der Zellen, den Ribosomen, transportiert. Dieser Vorgang lässt sich mit Hilfe spezieller Genkonstrukte (hier: Antisense-DNA, rot markiert) unterdrücken. Damit dies nur in denjenigen Zellen passiert, die für die Pollenentwicklung zuständig sind, wird das Antisense-Konstrukt - etwa das Invertase-Gen- mit einem gewebespezifischen Promotor versehen.

Variante: Enzym-Inhibitoren

Die Aktivität von Enzymen lässt sich durch Substanzen hemmen, die in ihrer chemischen Struktur dem eigentlichen Substrat ähneln – auch sie können an das Enzym binden, werden aber nicht verarbeitet. Mit spezifischen „Inhibitoren“ kann somit das jeweilige Enzym gezielt blockiert werden. Im Falle der Unterbindung der Pollenentwicklung kann beispielsweise die pollenspezifische Invertase (hier: blau) mit einem zur Saccharose ähnlichen Substrat (hier: rot) blockiert werden. Wird das Gen für den Invertase-Inhibitor in eine Pflanze eingeführt, bildet es den Inhibitor und blockiert damit die Invertase: Die Pollenbildung wird gehemmt.

Beispiel 2: Gezielte Expression von Zellgiften

Über die gezielte Expression von Zellgiften – beispielsweise nur in den Antheren (Staubbeuteln) - kann die Pollenbildung ebenfalls sehr effektiv gehemmt werden. Sterilitätssysteme auf Basis eines neu eingeführten, aus dem Bakterium Bacillus amyloliquefaciens stammenden Gens, konnten erfolgreich in mehrere Kulturarten entwickelt werden. Die toxische Wirkung wird durch ein spezielles Enzym (Barnase) hervorgerufen, das die RNA-Moleküle in den Zellen zerschneidet. Damit aber nur die männlichen Blütenteile von dieser Wirkung betroffen sind, ist das Toxin-Gen mit einem genetischen Schalter (Promotor) verknüpft. Dieser Schalter aktiviert das Gen ausschließlich in bestimmten Zellen, die für die Entwicklung des männlichen Blütenteils erforderlich sind. Dadurch bildet sich an den Staubfäden (Antheren) kein Pollen.

Sterilitätskonzepte: Pflanzen ohne Pollen

In einem aktuellen SiFo-Projekt werden, aufbauend auf einem Vorläuferprojekt, bei der Zitterpappel verschiedene Genkonstrukte zur Hemmung der Pollenbildung auf Basis von Zellgiften getestet. Unter anderem kommt auch das Barnase-Gen zum Einsatz.