Umweltwirkung von gentechnisch verändertem Bt-Mais

„Der Einfluss von Bt-Mais auf Gewässer ist in Europa nicht ausreichend erforscht“

Ob Bt-Mais Gewässerorganismen wie Köcherfliegenlarven schädigen kann, ist in der wissenschaftlichen Diskussion um die biologische Sicherheit von Bt-Mais zu einem Schwerpunktthema geworden. Das seit 2009 in Deutschland geltende nationale Anbauverbot für den Bt-Mais MON810 wird unter anderem auch mit dem Ergebnis einer Studie aus dem Jahr 2007 begründet. Eine Forschergruppe um Rosi-Marshall von der Loyola Universität Chicago (USA) hatte in Labortests gezeigt, dass Köcherfliegenlarven eine erhöhte Sterblichkeit und geringere Wachstumsraten aufwiesen, wenn sie dem Bt-Protein Cry1Ab ausgesetzt waren. Die Aussagekraft dieser Studie wurde von anderen Wissenschaftlern stark angezweifelt.

Steffi Ober

Dr. Steffi Ober, Referentin für Gentechnik und Naturschutz beim Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) zu möglichen Auswirkungen von Bt-Mais auf Gewässer: „Grundlegende Daten fehlen noch und daher sollte das Vorsorgeprinzip gelten.“

Köcherfliegenlarve

Die wasserbewohnenden Larven der Köcherfliegen sind mit den Schmetterlingen verwandt, gegen die das Bt-Protein wirksam ist. Daher könnten sie durch Bt-Mais geschädigt werden. Foto: Wikimedia

Maisernte

Bei der Ernte von Silomais wird der Mais bereits auf dem Feld klein gehäckselt. Pflanzenteile von Bt-Mais könnten daher durch Wind und Regen rasch in benachbarte Gewässer gelangen und Nicht-Zielorganismen wie Köcherfliegen schädigen.

Maispollen

Während der Maisblüte schütten die männlichen Blüten reichlich Pollen aus, der durch den Wind in Gewässer geweht werden kann.

Schmetterlingsraupen Kleiner Fuchs

Raupen der Schmetterlingsart Kleiner Fuchs auf ihrer Futterpflanze (Brennnessel).

Mit einem bis 2011 laufenden Projekt des Bundesamtes für Naturschutz sollen Risiken des Bt-Maisanbaus für Schutzgebiete und Gewässer in Brandenburg besser eingeschätzt werden können. Dabei überprüfen die Forscher, wie stark Nicht-Zielorganismen wie Schmetterlingslarven Bt-Mais-Pollen auf ihren Futterpflanzen ausgesetzt sind. Auch der Eintrag von Bt-Mais (Pollen oder Streu) in Gewässer wird bestimmt.

Die Zweifel bezogen sich einerseits darauf, dass diese Effekte nur auftraten, wenn höhere Bt-Konzentrationen eingesetzt wurden als im Freiland zu erwarten sind. Zum anderen seien keine geeigneten Kontrollen zum Vergleich eingesetzt worden. Die beobachteten Effekte könnten somit nicht eindeutig auf das Bt-Protein selbst zurückgeführt werden. Eine dieses Jahr veröffentlichte Untersuchung der Universität Maryland (USA) stellt die Schlussfolgerungen von Rosi-Marshall zusätzlich in Frage. Die Forscher um Peter Jensen konnten zeigen, dass Pflanzenteile von Bt-Mais zwei Wochen nach der Ernte keine Wirkung mehr auf zwei Arten von Köcherfliegenlarven und den Maiszünsler hatten. Offenbar wird unter natürlichen Bedingungen das Bt-Protein in Gewässern rasch so weit abgebaut, dass es nicht mehr wirksam ist.

BioSicherheit sprach mit Steffi Ober vom Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) über diese Ergebnisse. Sie nimmt an einem Forschungsprojekt des Bundesamtes für Naturschutz teil, um Risiken des Bt-Maisanbaus für Schutzgebiete und Gewässer in Brandenburg besser einschätzen zu können.

bioSicherheit: Rosi-Marshall kam in ihrer Labor-Studie zu dem Ergebnis, dass die Köcherfliegenlarven durch das Bt-Protein Cry1Ab geschädigt werden könnten. Die neue Studie von Peter Jensen stellt dies in Frage. Hier wurde festgestellt, dass die größte Menge an Bt-Pflanzenmaterial erst Monate nach der Ernte in die Gewässer gelangt und das enthaltene Bt-Protein bereits nach zwei Wochen inaktiv ist. Ist also Entwarnung angesagt?

Steffi Ober: Von Entwarnung kann nicht gesprochen werden, da die Jensen-Arbeit von einer großen Entfernung zwischen Maisfeld und Gewässer ausgeht. Wir müssen aber die spezielle Situation in Deutschland berücksichtigen, die grundverschieden ist zum Maisanbau in den USA. Während die Agrarflächen und Schutzgebiete in den USA weitgehend großflächig und räumlich getrennt sind, sind beispielsweise in Brandenburg die Natura 2000-Gebiete und Agrarflächen in der Landschaft sehr viel enger benachbart. Die Maisfelder reichen oft bis an die Gewässergrenze heran. Da der Silomais in Deutschland auf dem Feld gehäckselt wird, kann so frisches Pflanzenmaterial mit Bt-Toxin direkt in die Gewässer gelangen. Dieses Material enthält sicherlich noch bioaktives Bt-Toxin und kann sofort von Köcherfliegenlarven und einigen anderen wasserbewohnenden Organismen aufgenommen werden.

bioSicherheit: Heißt das vereinfacht, keine Probleme mit Bt-Mais und Köcherfliegen in den USA, aber in Deutschland weiterer Forschungsbedarf?

Steffi Ober: Ganz so einfach kann man das nicht sagen. Die Untersuchungen in den USA von Jensen weisen auf wichtige Forschungsfragen hin. Insgesamt wirft die Publikation aber mehr Fragen auf, als beantwortet werden. Also keine Entwarnung für die Situation in den USA. Erstens könnten für fehlende Effekte bei den untersuchten Tieren zusätzliche Faktoren ausschlaggebend sein, zweitens gibt es Organismen, die empfindlicher auf Bt-Toxin reagieren als z.B. der untersuchte Maiszünsler. Diese könnten theoretisch geschädigt werden, selbst wenn die Maiszünsler keine Effekte zeigen.

Ebenso fehlt ein nachvollziehbarer Verlauf der Bt-Konzentrationen in den ersten zwei Wochen. Es gibt nur die Angabe, dass der Bioassay zum Zeitpunkt null ein positives Ergebnis bringt, jedoch nach zwei Wochen und später keinerlei Wirkungen des Bt-Toxins auf die Larven erkennen lässt. Da der Biotest keine sonst übliche „Positivkontrolle“ enthielt, kann das Testsystem fehlerhaft gewesen sein. Diese Frage ist jedoch äußerst wichtig für die Interpretation der Ergebnisse.

Schließlich werden die gefundenen Hinweise auf mögliche negative Effekte auf weitere Nicht-Zielorganismen wie Schnaken und Wasserasseln nicht ausreichend geklärt. Eine untersuchte Bt-Pflanze zeigte negative Effekte auf diese Tiere, eine andere Bt-Pflanze nicht. Möglicherweise hat der jeweilige Sortenhintergrund einer transgenen Pflanze Auswirkungen auf die Toxizität der Pflanzen. An dieser Stelle sehen wir weiteren Forschungsbedarf.

bioSicherheit: Wurde bisher der Aspekt „Bt-Mais und Gewässer“ in der Risikobewertung generell zu sehr vernachlässigt?

Steffi Ober: Ja, denn er war vor 2007 quasi nicht existent. Die Untersuchungen von Rosi-Marshall aus dem Jahr 2007 zeigen ja zumindest eindeutig, dass z.B. Köcherfliegenlarven von Bt-Toxinen geschädigt werden können. Die Larven sind recht opportunistisch und ernähren sich von den Substanzen, die gerade verfügbar sind, also auch von Bt-Mais. Im Darminhalt der Köcherfliegenlarven werden immer wieder auch Pollenkörner gefunden. So ist es wahrscheinlich, dass sie direkt Maispollen aufnehmen, wie auch Rosi-Marshall nachweisen konnte. Allerdings fehlen immer noch systematische toxikologische bzw. ökotoxikologische Tests zur Sensibilität dieser Tiergruppe hinsichtlich der verschiedenen Bt-Proteine, obwohl Köcherfliegen eine wichtige Rolle im ökologischen Wirkungsgefüge spielen. Der Einfluss von Bt-Mais auf Gewässer ist in Europa nicht erforscht. International liegen lediglich sehr wenige Arbeiten aus den USA zu dieser Thematik vor.

bioSicherheit: Köcherfliegen scheinen Ihnen besonders schutzwürdig zu sein. Welche ökologische Bedeutung haben Köcherfliegen für Gewässer?

Steffi Ober: Die verschiedenen Gewässertypen in Brandenburg sind beispielsweise relativ intakt mit einer großen Vielfalt und Anzahl an Köcherfliegenarten. In Europa gibt es 1400 Köcherfliegenarten, Österreich, die Schweiz und Deutschland haben ungefähr je 300 Arten, darunter zahlreiche Rote Liste-Arten. Sie sind ein wichtiger Bestandteil der Biozönose und der Nahrungsnetze. Manche Arten sind wesentliche Grundlage der Fischernährung. Würden in den Bächen, Flüssen und Seen die Köcherfliegen ausfallen, würde dies zu einer deutlichen Verarmung der Fauna und zur Einschränkung der Funktionen der Ökosysteme führen.

bioSicherheit: Was sind die Ziele Ihres Projektes in Brandenburg?

Steffi Ober: Das Land Brandenburg ist reich an geschützten Biotopen, in denen auch Gewässer vorkommen. Der Maisanbau hat in Brandenburg von 2005 bis 2009 um 40 Prozent zugenommen. In den Jahren 2007 und 2008 fand Anbau von MON 810 mit dem Bt-Toxin Cry1Ab statt. Daher stellt sich generell für den Vollzug der Naturschutzgesetze in den Landesbehörden die Frage, wie sie das Risiko des Bt-Maisanbaus auf die Schutzgebiete einzuschätzen haben. Das Projekt soll es erlauben, den Eintrag von Maismaterial in die Umwelt genauer abschätzen zu können.

bioSicherheit: Welche Fragen wollen Sie konkret mit ihrem Projekt beantworten?

Steffi Ober: Das Projekt umfasst mehrere Teilbereiche. Wir wollen klären, wie hoch der potenzielle Eintrag des Bt-Toxins in die Schutzgebiete sein kann und welche möglichen Gefährdungen für Schutzgüter wie Schmetterlinge oder Gewässerökosysteme daraus resultieren. Ein wesentlicher Projektteil befasst sich mit dem Polleneintrag. In mehrjährigen Vorarbeiten wurden Modelle entwickelt, um in Abhängigkeit von der Lage der Maisanbaufelder, den meteorologischen Gegebenheiten und der Größe der Felder, einen „Worst-Case-Eintrag“ von Bt-Pollen in die umgebende Landschaft abzuschätzen. Ein Ziel des Projektes ist es, dieses Modell mit Freilanddaten zu validieren und so eine genauere Abschätzung von Bt-Pollen-Eintrag über den Luftweg in Schutzgebiete zu erhalten. Um die Exposition von Nicht-Zielorganismen, z.B. Schmetterlingslarven, genauer erfassen zu können, untersuchen wir weiterhin die Verteilung der Pollen, die aus dem Maisfeld ausgetragen werden und sich auf verschiedenen Futterpflanzen niederschlagen. Dabei interessiert, wo sich die Pollen genau an den Blattstrukturen verteilen. Unsere These ist hierbei, dass die Verteilung der Pollen sehr inhomogen ist. Schmetterlingsraupen fressen gerne Pollen und können daher sehr unterschiedlich hohen Dosen ausgesetzt sein – je nachdem ob sie am Blattrand oder an den Mittelachsen der Blätter fressen.

bioSicherheit: Welche Untersuchungen werden zum Eintrag von Bt-Pflanzenmaterial in Gewässern durchgeführt?

Steffi Ober: Wir bestimmen den Eintrag von Mais-Pflanzenmaterial in Form von Pollen, Streu oder sonstigen Pflanzenresten in die Gewässer. In Brandenburg gibt es so gut wie nur Silomaisanbau. Der Mais wird bei der Ernte gehäckselt und als Häckselgut transportiert. Durch den Wind und bedingt durch die Erntetechnik entstehen Streuverluste, die auf dem Feld verbleiben oder in die angrenzenden Gebiete gelangen. Wenn sich an den Maisfeldern Gräben oder andere Gewässer befinden, gelangt so das Häckselgut direkt in die Gewässerökosysteme. Dies ist ein großer Unterschied zu der Situation in den USA. Dort wird nur der Kolben geerntet und die ganze Maispflanze verbleibt auf dem Feld.

bioSicherheit: Welche Tierarten könnten in den untersuchten Gewässern durch Bt-Toxine geschädigt werden?

Steffi Ober: Die Frage kann derzeit nicht beantwortet werden, da entsprechende Wirkdaten fehlen. Um potenziell exponierte Tiergruppen zu erkennen, werden wir Workshops durchführen, um mögliche Nicht-Zielorganismen und Wirkungsketten zu definieren. Die sich daraus ergebenden Forschungsfragen werden wir für weitere Forschungen vorschlagen. Wir werden unsere Untersuchungen 2011 abschließen und dann auch vorstellen.

bioSicherheit: Werden Sie bei Ihren Untersuchungen auch die Dauer der Bioaktivität von Bt-Proteinen in Pollen oder anderem Pflanzenrestmaterial unter realen Umweltbedingungen bestimmen? Erst mit solchen Daten könnte doch erst das tatsächliche Risiko für bestimmte Tiergruppen bestimmt werden.

Steffi Ober: Eine Risikoanalyse besteht aus mehren Schritten. Zuerst ist es wichtig die Exposition abschätzen zu können. Hier fehlen noch grundlegende Daten, diese Lücke werden wir annähernd schließen können. Erst die Verbindung von Expositions- und Wirkdaten führt dann zu einem potenziellen Risiko. Eine abschließende, umfassende Risikoanalyse ist in unserem relativ kleinen Projekt jedoch nicht leistbar.

bioSicherheit: Solche Untersuchungen müssen dann noch folgen, um ein Risiko für die untersuchten Biotope eindeutig bestimmen zu können?

Steffi Ober: Ja, solche Untersuchungen sollten folgen. Die Frage lenkt jedoch davon ab, dass derzeit grundlegende Daten für aquatische Systeme fehlen und daher das Vorsorgeprinzip gelten sollte. Die Frage der Überdauerung des Bt-Proteins in der Umwelt oder die Frage der Bioaktivität allein sind nicht ausreichend. Angesichts der Komplexität von Ökosystemen spiegelt die Frage nach einer „eindeutigen“ Klärung die Realität nicht wieder.

bioSicherheit: Vielen Dank für das Gespräch.