Bt-Pflanzen und Nicht-Zielorganismen: Fragen an Jörg Romeis

„Wir machen gezielte Tests mit Stellvertreter-Organismen.“

Jörg Romeis, Agroscope ART, Schweiz

Leiter der Arbeitsgruppe GMOs in Integrated Plant Protection innerhalb der West Palaearctic Regional Section (WPRS) der IOBC (International Organization for Biological Control). Im Rahmen dieser Arbeitsgruppe wurde 2005 ein Projekt initiiert mit der Absicht, anwendbare Richtlinien für die Abschätzung der Risiken von insektenresistenten gv-Pflanzen auf Nicht-Zielorganismen, insbesondere Insekten, zu entwickeln. An der Arbeitsgruppe beteiligen sich Wissenschaftler aus öffentlichen Forschungsinstituten, Vertreter von Regulierungsbehörden und der Industrie.

Beispiel Florfliege. Worst case-Tests im Labor haben ergeben, dass diese Nützlinge nicht sensitiv auf das Bt-Tpxin reagieren. Jörg Romeis: „Weitere Untersuchungen im Freiland sehen wir in diesem Fall als nicht notwendig an.“

Beispiel Monarch-Falter. Toxikologische Test haben eine Sensitivität gegenüber dem Bt-Toxin gezeigt. Daher sind weitere Laboruntersuchungen mit realistischen Aufnahmemengen des Bt-Toxins und Einwirkzeiten nötig. Außerdem wird in Felduntersuchungen abgeklärt, mit welchen Mengen des Toxins die Schmetterlingslarven überhaupt in Kontakt kommen.

bioSicherheit: Je nachdem, in welchen Regionen Bt-Pflanzen angebaut und wie sie landwirtschaftlich genutzt werden, sind unterschiedliche Auswirkungen auf das jeweilige Ökosystem zu erwarten. Ist eine Risikoabschätzung möglich, die der Vielfalt der Ökosysteme gerecht wird? Was kann im Labor, was muss im Freiland untersucht werden?

Jörg Romeis: Ökosysteme sind hochkomplex und regional sehr unterschiedlich. Dennoch: Bei der Risikoabschätzung von Bt-Pflanzen ist die grundsätzliche Herangehensweise immer gleich. Sie hat sich bewährt, auch wenn bei einem Anbau von Bt-Mais unter westeuropäischen Klimabedingungen möglicherweise weniger Schmetterlingsarten gefährdet sind als in den Tropen. Das Vorgehen ist mehrstufig. Es basiert auf einer Problem- und Gefährdungsanalyse. Daraus leiten sich gezielte Labortests ab, die methodisch so angelegt sind, dass damit ein großer Teil der Fragestellungen in Bezug auf mögliche Gefährdungen beantwortet werden kann. Sollten sich im Labor Hinweise ergeben, dass eine bestimmte Art gefährdet sein könnte, folgen weitere Untersuchungen im Gewächshaus und eventuell auch Feldversuche. Unter naturnahen Bedingungen wird das Risiko genauer überprüft, etwa wie wahrscheinlich es ist, dass diese Nichtzielart mit dem Bt-Protein in Kontakt kommt.

bioSicherheit: Konkret:Wie lässt sich Ihr Modell bei der Sicherheitsbewertung von Bt-Pflanzen anwenden?

Jörg Romeis: Zunächst geht es darum, die jeweilige Gefährdung genau zu beschreiben. Wir nennen das Problemanalyse. Die Fragestellung lautet: Zeigt das Bt-Protein toxische Wirkungen auf Nicht-Zielorganismen, also die Organismen, die es nicht schädigen soll. Eine solche Risikoanalyse kann aber nicht für alle Nicht-Zielorganismen eines Ökosystems durchgeführt werden. Deshalb müssen wir nach geeigneten „Stellvertretern“ suchen.

Dabei hilft die Problemanalyse, die wir am Anfang machen. Bei der Auswahl von Stellvertretern fließen verschiedene Kriterien mit ein: Um welche Variante des Bt-Proteins handelt es sich? Wo wird es exprimiert - in den Blättern, im Pollen oder nur in den Wurzeln? Wird es dauerhaft in der Pflanze gebildet oder nur in bestimmten Wachstumsstadien? Welche Insekten kommen mit dem Bt-Protein in Kontakt? Ist dieser Kontakt direkt und dauerhaft oder nur zeitweise? Und welche Insekten nehmen das Bt-Protein über ihre Beutetiere auf? Ziel ist es, möglichst genau zu analysieren, für welche Organismen das höchste Gefährdungspotenzial besteht. Die Risikoanalyse kann sich dann auf diese Gruppen konzentrieren. Ein ganz wichtiges Kriterium für die Auswahl der Stellvertreter ist aber auch, dass wir Tiere dieser Art im Labor aufziehen und mit ihnen standardisierte und aussagekräftige Tests durchführen können.

Die Tests mit den Stellvertreter-Organismen beginnen immer mit worst case-Szenarien: Es werden beispielsweise hohe Bt-Protein-Dosen über alle Entwicklungsstadien der Insekten verfüttert. Oder es werden Tests gemacht mit subletalen (fast tödlichen) Dosen über lange Einwirkzeiten.

Werden unter solchen worst case-Bedingungen Effekte bei den Tieren festgestellt, können sich weitere Tests im Labor, aber auch Tests unter Halbfreiland- und Freilandbedingungen anschließen. Nun geht es darum, die Gefährdung unter realistischeren Szenarien abzuklären. Wir möchten die Testprotokolle soweit entwickeln, dass wir bereits im Labor aussagekräftige Informationen über eine mögliche Gefährdung erhalten – also mit hoher Sicherheit ausschließen können, dass Nicht-Zielorganismen gefährdet sind.

bioSicherheit: Auch bei Pflanzenschutzmitteln sind mögliche toxische Effekte auf Nützlinge ein wichtiger Aspekt. Es gibt anerkannte Verfahren, um diese vor der Marktzulassung zu bestimmen. Sehen Sie Parallelen zur umwelttoxikologischen Prüfung von Bt-Pflanzen?

Jörg Romeis: Das Vorgehen bei der Risikoanalyse von Bt-Proteinen leitet sich von dem für Pflanzenschutzmittel ab. Da müssen wir das Rad nicht neu erfinden. Man beginnt mit aussagekräftigen Versuchen unter standardisierten Bedingungen, welche die Anforderungen der „Guten Laborpraxis“ erfüllen. Da aber eine Chemikalie nur bedingt zu vergleichen ist mit einem Bt-Protein, müssen die Testprotokolle entsprechend angepasst werden. Wir müssen außerdem die Auswahl der zu testenden Organismen danach abstimmen, welche Variante des Bt-Toxins in der jeweiligen Pflanze gebildet wird.

Ich will das an einem Beispiel erläutern: Die im Bt-Mais eingesetzte Variante des Bt-Toxins, das Cry1Ab-Protein wirkt hochspezifisch auf Schmetterlingslarven. Das Cry3Bb1-Protein wirkt dagegen spezifisch auf Käferlarven. Wir halten es deshalb für wichtig, im ersten Fall das besondere Augenmerk auf Schmetterlingsarten zu legen und im zweiten Fall auf Käferarten.

Wir fordern, die Auswahl der zu testenden Arten fallspezifisch vorzunehmen. So sollte die Risikoanalyse zukünftiger gv-Pflanzen mit Cry1Ab-Protein die Untersuchungen auf Schmetterlingsarten fokussieren, da es bisher keinen einzigen Anhaltspunkt dafür gibt, dass Cry1Ab eine direkte toxische Wirkung auf Organismen hat, die nicht zur Gruppe der Schmetterlinge gehören. Bei den Schmetterlingen hat sich in Nord-Amerika beispielsweise der Monarchfalter (Danaus plexippus) als Testorganismus etabliert.

Bei Cry3Bb1-Events sollte dagegen die Prüfung von Käferarten im Vordergrund stehen. Dafür bieten sich Laufkäfer oder Marienkäfer an. Wir wissen, dass diese dem Bt-Toxin ausgesetzt sind und eine bedeutende Rolle als Gegenspieler von Pflanzenschädlingen spielen. Testprotokolle, um die toxische Wirkung von transgenen Proteinen zu untersuchen, liegen bereits vor für Laufkäfer-Arten (Poecilus), den in Nordamerika vorkommenden räuberischen Käfer Coleomegilla maculata oder den Siebenpunkt-Marienkäfer in Europa (Coccinella septempunctata).

Neben diesen gezielt ausgewählten Organismen werden in der Regel noch Standard-Organismen wie beispielsweise die Honigbiene (Apis mellifera) oder der Kompostwurm (Eisenia fetida) untersucht. Diese Arten werden meist ausgewählt, da mit ihnen standardisierte Untersuchungen möglich sind.

bioSicherheit: Wie flexibel ist ihr Modell in Bezug auf verschiedene Ökosysteme? Die Umwelten, in denen Bt-Pflanzen angebaut werden, können sich weltweit gesehen sehr unterscheiden. Kann ihr Modell auch für die Risikoabschätzung in Regionen mit großer biologischer Vielfalt angewendet werden?

Jörg Romeis: Das ist ja ein ganz wichtiger Aspekt. Unser Modell ist überregional anwendbar. Den Unterschieden in den Ökosystemen wird in der Problemanalyse ganz zu Anfang, bevor wir mit den Tests beginnen, Rechnung getragen. Unser Modell ist auch so flexibel, dass wir je nach Land und Region zusätzliche Organismen hinzunehmen können, wenn für sie eine Gefährdung nicht auszuschließen ist.

bioSicherheit: Wie zuverlässig und eindeutig sind die Aussagen, die Sie zu möglichen Gefährdungen gegenüber Nützlingen und anderen Nicht-Zielorganismen machen können? Welche Zusammenhänge muss man unbedingt kennen und was ist eher Hintergrundwissen?

Jörg Romeis: Eine Risikobewertung ist immer mit Unsicherheiten behaftet. Wenn man beispielsweise zeigen kann, dass bestimmte Nützlinge gegenüber dem Bt-Protein nicht empfindlich sind, kann man eine relativ gesicherte Aussage darüber treffen, ob ein Risiko für sie besteht oder nicht. Man muss dann nicht alle möglichen Wechselwirkungen der Pflanze mit der belebten Umwelt untersuchen - das wäre nice to know,_aber nicht notwendig, um die Frage nach dem Gefährdungspotenzial zu beantworten._Bei der Analyse sollte man sich immer auf diejenigen Arten konzentrieren, bei denen das größte Risiko zu erwarten ist - im Fall der Bt-Toxine wären das die Schmetterlingsarten.

bioSicherheit: Wie werden in Ihrem Modell mögliche Langzeiteffekte berücksichtigt?

Jörg Romeis: Langzeiteffekte sind generell schwer zu erfassen. Ihnen wird aber Rechnung getragen, indem beispielsweise die Zeigeorganismen erhöhten Dosen des Toxins ausgesetzt werden oder wir verabreichen über längere Zeit subletale Dosen. Zudem schreibt die EU-Gesetzgebung ja das Nachzulassungsmonitoring vor. Hier wird über zehn Jahre begleitend zum Anbau nach unerwarteten Effekten geschaut. Das Monitoring kann auch dazu dienen, noch bestehende Unsicherheiten der Risikoanalyse abzubauen.

bioSicherheit: Vielen Dank für das Gespräch