Auswirkungen transgener Kartoffeln auf die Bodenqualität

„Wir haben keine Effekte gefunden, die über die normalen Sortenunterschiede hinausgehen.“

Ein Forscherteam unter Leitung der Technischen Universität München hat in den letzten drei Jahren den Einfluss verschiedener Kartoffelsorten auf die Bodenqualität untersucht. Ein breites Sortenspektrum wurde in die Untersuchungen einbezogen: Klassische Sorten, gentechnisch veränderte (gv-)Linien sowie deren Wildtyp. Die gv-Kartoffeln reichern in ihren Knollen Zeaxanthin an, ein Carotinoid, das vor der Altersblindheit schützen soll. Über die Ergebnisse und deren Bedeutung für die Sicherheitsforschung sprach bioSicherheit mit dem Leiter der Forschungsgruppe Michael Schloter.

Dr. habil. Michael Schloter, Helmholtz Zentrum München, Institut für Bodenökologie, Leiter der Forschungsgruppe aus Mikrobiologen, Pflanzenzüchtern, Pflanzenernährern und Agrarwissenschaftlern

Form und Farbe der Knollen im untersuchten Sortenspektrum: Der Wildtyp Baltica, die gentechnisch veränderten Linien (SR47 und SR 48) sowie verschiedene klassische Sorten.

bioSicherhehit: Um welche Fragestellungen ging es in Ihrem Forschungsprojekt?

Michael Schloter: Wir hatten zwei Untersuchungsschwerpunkte: Zum einen wollten wir wissen, ob die gentechnische Veränderung über die beabsichtigte Anreicherung von Zeaxanthin hinaus zu weiteren unerwarteten Veränderungen im Phänotyp der Pflanze führt. Zum anderen interessierte uns der Einfluss der genetischen Modifikation auf die Funktion mikrobieller Gemeinschaften im Wurzelraum und in der Streu. Wir sind dabei von der Hypothese ausgegangen, dass eine gentechnische Veränderung – auch wenn sie zielgerichtet nur ein Gen betrifft - im Stoffwechsel der Pflanze zusätzliche Änderungen verursachen kann.

Die Zeaxanthin-Kartoffel diente uns dabei als Modellpflanze, um mögliche Sicherheitsrisiken zu überprüfen, die bei der Freisetzung transgener Pflanzen für die Bodenqualität von Bedeutung sind.

bioSicherheit: Was sind die wichtigsten Ergebnisse ihrer Arbeit?

Michael Schloter: In Gewächshausversuchen haben wir festgestellt, dass die gentechnische Veränderung der Zeaxanthin-Kartoffel zu einer Veränderung des pflanzlichen Phänotyps führt, der über die beabsichtigte Modifikation hinausgeht. Das könnte daran liegen, dass die Pflanze versucht, die veränderte genetische Netzwerkstruktur über alternative Stoffwechselwege zu kompensieren.

So unterschieden sich z. B. die transgenen Pflanzen und der Wildtyp in der Expression mehrerer Gene des Sekundärstoffwechsels. Aber auch Wurzelwachstum und – morphologie können zwischen Wildtyp und transgenen Linien verändert sein. Betrachtet man jedoch die Ergebnisse über ein breites Spektrum klassischer Sorten, dann sind die Unterschiede zwischen einzelnen Sorten im Bezug auf die untersuchten Merkmale größer als die zwischen dem Wildtyp und der transgenen Linie.

bioSicherheit: Und was ergaben die Untersuchungen im Wurzelraum?

Michael Schloter: Die Rhizosphäre wird u. a. stark durch die Wurzelausscheidungen der Pflanzen oder auch durch Nährstoffe, die beim Absterben der Wurzel freigesetzt werden, beeinflusst. Das kann zu veränderten Lebensbedingungen für die dort lebenden Mikroorganismen führen. Mikroorganismen sorgen für wichtige Umsetzungsprozesse im Boden wie z. B. den Kohlenstoff- oder Stickstoffumsatz und beeinflussen somit die Qualität eines Bodens. Hier war unsere Hypothese: Falls neben dem Zielgen weitere Gene in der Pflanze beeinflusst werden, dann könnte dies auch zu Veränderungen von Umsetzungsprozessen im wurzelnahen Raum führen.

Wir konnten beobachten, dass der veränderte pflanzliche Phänotyp zu Unterschieden in Struktur und Funktion der Bodenmikroorganismen in der Rhizosphäre führt und damit auch zu veränderten Stoffumsetzungsraten. Allerdings waren auch hier die Unterschiede zwischen Wildtyp und transgenen Pflanzen deutlich geringer im Vergleich zu klassischen Sorteneffekten. Auch spielten Standorteigenschaften und das jeweilige Entwicklungsstadium der Pflanzen eine wichtige Rolle.

bioSicherheit: Insbesondere der Sorteneinfluss ist erstaunlich groß. Woran liegt das?

Michael Schloter: Wir haben herausgefunden, dass durch eine gentechnische Modifikation weitere Gene neben dem Zielgen beeinflusst werden können. Doch bei einer klassischen Züchtung werden ganze Genome gemischt. Das stellt einen ganz erheblichen Eingriff in das Genom einer Pflanze dar. Entsprechend unterschiedlich reagiert sie auch, besonders wenn dann noch verschiedene Umwelteinflüsse auf die Pflanzen einwirken. Wenn man die Transkriptionsmuster zweier konventioneller Kartoffelsorten vergleicht, z. B. die von Desiree und Baltica, dann stellt man fest, das sie sehr unterschiedlich sind. Es ist schon fast verwunderlich, dass in beiden Fällen am Ende eine Kartoffel entsteht. Die klassische Züchtung ist längst nicht so zielgerichtet, wie eine genetische Modifikation.

bioSicherheit: Was bedeuten Ihre Ergebnisse für die Sicherheitsbewertung transgener Pflanzen?

Michel Schloter: Bei der Sicherheitsbewertung gentechnisch veränderter Pflanzen muss insbesondere bei solchen Pflanzen, die in ihrem Stoffwechsel verändert wurden, nach Effekten gesucht werden, die nicht unmittelbar mit der Modifikation in Zusammenhang stehen. Diese Modifikationen können sich z. B. als unbeabsichtigte Veränderungen im Phänotyp äußern. Das war ja auch die Hypothese für unsere Untersuchungen.

Wir müssen aber auch nach der Relevanz solcher Veränderungen fragen. Denn nur über die „natürliche“ Variabilität hinausgehende Unterschiede sind sicherheitsrelevant. Deshalb haben wir in unseren Untersuchungen verschiedene Standorte und einen unterschiedlichen Einsatz an Dünge- und Pflanzenschutzmitteln sowie ein breites Sortenspektrum berücksichtigt.

bioSicherheit: Seit mehr als zehn Jahren befassen Sie sich mit Fragestellungen zur Bodenökologie. Haben Sie Anhaltspunkte gefunden, dass transgene Kartoffeln einen Einfluss auf die Bodenqualität haben?

Michael Schloter: Wir haben Erfahrungen mit Kartoffeln, die Amylopektin und Zeaxanthin anreichern. In beiden Fällen sind es Substanzen, die in der Kartoffel gebildet werden. Daher wurden keine neuen Gene in das Genom eingebracht, sondern vorhandene Gene ausgeschaltet, die normalerweise dafür sorgen, dass diese Substanzen ganz oder teilweise wieder verstoffwechselt werden. Bei diesen beiden Linien haben wir keine Effekte gefunden, die über die normalen Sortenunterschiede hinausgehen.

In den letzten zehn Jahren Bodenökologie haben wir uns zu 75 Prozent mit methodischen Weiterentwicklungen beschäftigt. Vor Jahren haben uns noch die Werkzeuge gefehlt, um wichtigen Fragestellungen zu spezifischen Funktionen in der Mikroflora nachgehen zu können. Denn zuerst muss man die Funktionen der Mikroorganismen kennen, erst dann kann man ihren Einfluss auf die Bodenqualität erfassen. Ohne weitere Grundlagenforschung in der Bodenökologie kommen wir mit wichtigen Fragestellungen in der Sicherheitsforschung nicht weiter.

bioSicherheit: Vielen Dank für das Gespräch