Biologisches Confinement für gentechnisch veränderten Mais

Mais ohne Pollen: Keine Auskreuzung mehr?

Der Mais auf dem Versuchsfeld steht in voller Blüte. Mitarbeiter des Julius-Kühn-Institutes kämpfen sich durch das Feld und protokollieren das Aussehen der männlichen Blüten. Aber was steckt dahinter? Auf dem Feld nahe Braunschweig untersuchen die Wissenschaftler, ob ihr neues Konzept zur Verhinderung der Ausbreitung gentechnisch veränderter Maispflanzen funktioniert. Der Anbau von cytoplasmatisch männlich sterilem Mais soll es ermöglichen, die Auskreuzung über den Pollen auf benachbarte Maisfelder zu verhindern. Das nennt man „Confinement“ oder „biologischen Einschluss“. Dieses Jahr ist das dritte und letzte Versuchsjahr, dann stehen die Ergebnisse fest.

Heide Bückmann

Dr. Heidrun Bückmann vom Julius-Kühn-Institut in Braunschweig leitet die Feldversuche mit CMS-Mais. Die dreijährigen Versuche werden an insgesamt drei Standorten durchgeführt: Braunschweig, Groß Lüsewitz und in Freising.

Mitarbeiter des Julius-Kühn-Institutes protokollieren das Wachstum der CMS-Maispflanzen und überprüfen, ob die männlichen Blütenstände Staubbeutel ausgebildet haben. Dies ist ein Anzeichen dafür, dass die Eigenschaft „cytoplasmatische männliche Sterilität“ unter verschiedenen Umweltbedingungen nicht vollkommen stabil ist.

Maisfahne, männliche Maisblüte

Der männliche Blütenstand von herkömmlichem Mais. Deutlich sind die vielen Staubbeutel zu erkennen. Diese enthalten den Pollen.

männlich steriler Mais

Der männliche Blütenstand von CMS-Mais. Es sind keine Staubbeutel gebildet worden.

männlich steriler Mais

Ein Rispe von CMS-Mais, an der einige wenige Staubbeutel zu erkennen sind. Hier ist die Eigenschaft „CMS“ nicht vollständig stabil.

Wettermessungen

Die männliche Sterilität beim CMS-Mais kann durch klimatische Bedingungen instabil werden. Eine Wetterstation zeichnet während der gesamten Versuchsperiode die Wetterdaten auf.

Maisfeld

Links wächst CMS-Mais und in einem Abstand von 3,5 Metern liegt gegenüber eine Parzelle mit herkömmlichem Mais.

Maiskolben

Der herkömmliche Mais bildet normalerweise ausschließlich weiße Maiskörner. Wurde er von CMS-Mais-Pollen befruchtet, bilden sich auch gelbe Körner am Kolben. Die Auskreuzungsrate wird anhand des Verhältnisses von weißen zu gelben Körnern bestimmt. Im Bild ist ein Maiskolben zu sehen, der in direkter Nachbarschaft zu nicht-sterilem gelbkörnigen Mais angebaut wurde. In diesem Fall ist der Anteil der gelben Körner und damit die Auskreuzungsrate hoch.

Heidrun Bückmann bahnt sich einen Weg durch den mannshohen Mais. Ein starker Wind fährt durch die Pflanzen, nur mit Mühe kommt ihre Stimme gegen das laute Rascheln der Blätter an, als sie die Ziele ihrer Arbeit erklärt. „Bei der Sicherheitsbewertung gentechnisch veränderter Pflanzen spielt eine mögliche Ausbreitung der neu eingeführten Gene über Pollen eine wichtige Rolle. Stellen Sie sich vor, wenn diese Pflanzen pharmazeutische Wirkstoffe oder Industrierohstoffe produzieren. Eine Ausbreitung dieser Eigenschaft auf benachbarte Felder muss dann verhindert oder zumindest stark reduziert werden.“

Die Pflanzen auf diesem Maisfeld, die das ermöglichen sollen, haben eine besondere Eigenschaft. Durch eine natürliche Mutation in ihren Mitochondrien können sie keine Pollen mehr produzieren. Da sich die Mitochondrien im Cytoplasma der Pflanzenzelle befinden, heißt diese Eigenschaft cytoplasmatische männliche Sterilität. Deshalb wird dieser Mais kurz CMS-Mais genannt.

In der Theorie gut, aber in der Praxis zu überprüfen

Die cytoplasmatische männliche Sterilität kann bei den Pflanzen ganz oder teilweise verloren gehen. „Darum machen wir hier diese Versuche“, erklärt Heidrun Bückmann. „Die Sterilität beim Mais kann z.B. durch extreme Umweltbedingungen wie Hitze, Trockenheit oder Starkregen aufgehoben werden“. Damit wären die Pflanzen weniger gut für ein biologisches Confinement geeignet.

Ihre Mitarbeiter streifen durch das Feld und begutachten die männlichen Blütenstände des CMS-Maises, die Rispen. An den männlichen Blütenständen von herkömmlichem Mais hängen hunderte von Staubbeuteln mit Maispollen. Bei den Blütenständen des CMS-Mais sollten sie gar nicht vorhanden sein. Aber hier wird deutlich, dass der CMS-Mais tatsächlich nicht immer hundertprozentig männlich steril ist, denn immer mal wieder entdecken die Wissenschaftler bei einigen Pflanzen einzelne Staubbeutel. „So etwas nennen wir fluktuierende Rispen“, so Heidrun Bückmann. Ob in den wenigen Staubbeuteln tatsächlich auch befruchtungsfähiger Pollen enthalten ist, wird bei dem Feldversuch auch untersucht. Dazu haben die Forscher zuvor Papiertüten über weibliche CMS-Maisblüten einzelner Pflanzen gestülpt. Fremder Pollen kann diese Pflanzen dann nicht mehr befruchten. Der eigene Pollen dieser Pflanzen wird gesammelt und gezielt auf die isolierten weiblichen Blüten gestreut. Entwickeln sich anschließend Körner, weiß man, dass der Pollen befruchtungsfähig war.

Aber vor allem interessiert die Wissenschaftler, ob der CMS-Mais unter Feldbedingungen herkömmlichen Mais in benachbarten Versuchsparzellen befruchten kann. Die Versuchsparzellen mit CMS-Mais und herkömmlichem Mais stehen in 3,5 Meter Abstand zueinander. Dazwischen liegt ein leerer Bearbeitungsstreifen. Eine Auskreuzung kann später im Jahr gemessen werden, wenn die Maispflanzen Kolben gebildet haben.

Die Auskreuzungsrate kann dann recht einfach ermittelt werden. Der im Versuch angepflanzte herkömmliche Mais bildet weiße Körner am Kolben, der CMS-Mais hat gelbe Maiskörner. Befruchtet der CMS-Mais den benachbarten Weißmais, dann findet man dort je nach Befruchtungsintensität einige bis viele gelbe Körner am Kolben, die dann ausgezählt werden.

Erste Ergebnisse stimmen optimistisch

Im letzten Jahr hat sich gezeigt, dass sich zumindest mit einer der hier untersuchten CMS-Maishybriden die Auskreuzungsrate ins Nachbarfeld bis zu 98 Prozent reduzieren lässt. Da stellt sich die Frage, ob das als biologische Confinementmethode ausreicht. „In bestimmten Fällen“, so Heidrun Bückmann, „ist das aus Gründen der biologischen Sicherheit sicherlich nicht ausreichend, etwa wenn pharmazeutisch wirksame Substanzen in gentechnisch veränderten Pflanzen produziert werden sollen“. Aber wenn es ausreichen würde, die Auskreuzung zumindest stark zu beschränken, z.B. wenn gentechnisch veränderte Pflanzen Industrierohstoffe produzieren, wäre es ein guter Ansatz. Zumal sich die Auskreuzung durch Einhaltung von Isolationsabständen zum Nachbarfeld und Mantelsaaten aus herkömmlichem Mais noch weiter reduzieren ließe.

Und auf noch etwas weist Heidrun Bückmann hin. Mit CMS-Mais kann der Ertrag gesteigert werden. Da diese Maispflanzen keine Energie mehr für die Pollenbildung benötigen, kommt das dem Wachstum des Maiskolbens zugute. Da der CMS-Mais sich nicht selber befruchten kann, müssten herkömmliche Maishybride als Pollenspender mit einem Anteil von ca. 20 Prozent im gleichen Feld angebaut werden. Aber auch das hätte einen Vorteil: Die Befruchtung durch nicht verwandte Maishybride führt nochmals zu einer Ertragssteigerung beim CMS-Mais. Dieses als „Plus-Hybrid“ bezeichnete System entwickelten vor wenigen Jahren Forscher der ETH Zürich.