Gentechnisch veränderter Bt-Mais und Nicht-Zielorganismen

Nematoden: Gradmesser für die Bodenqualität

Nematoden oder auch Fadenwürmer. An nahezu allen Wänden hängen mikroskopische Großaufnahmen. Elegante Würmer mit deutlich erkennbaren Mundwerkzeugen, Geschlechts- und Verdauungsorganen. Am Institut für Tierökologie der Universität Bielefeld scheint man die winzigen Bodenbewohner ganz besonders zu mögen, die Faszination für diese Geschöpfe liegt geradezu in der Luft. Sebastian Höss beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Nematoden, weiß um ihre Nützlichkeit für die Bodenfruchtbarkeit. Deshalb eignen sie sich so gut als Bioindikatoren, wenn es darum geht, die Verträglichkeit toxischer Substanzen zu testen. Zurzeit untersucht Sebastian Höss für das Institut für Biodiversität Regensburg, ob Nematoden empfindlich auf gentechnisch veränderten Bt-Mais reagieren.

Nematoden unter dem Binokular. Bis zu 2000 Tiere finden sich in einer Bodenprobe vom Feld.

Sebastian Höss vom Institut für Biodiversität - Netzwerk (ibn), Regensburg

Dr. Sebastian Höss vom Institut für Biodiversität - Netzwerk (ibn), Regensburg leitet das Projekt.

Nematode unter dem Mikroskop

Nematode unter dem Mikroskop

Bodenproben vor Dichtetrennung

Bodenproben vom Versuchsfeld. Um die organischen Bestandteile des Bodens mitsamt Nematoden aus der Bodenprobe rauszulösen, wird das Dichtemittel Ludox zugegeben, gut mit der Erde vermischt und zentrifugiert.

Dichtrennung vorher nachher

Da die mineralischen Anteile des Bodens schwerer sind als Ludox, lagern sie sich unten ab.

organisches Material nach Dichtetrennung

Die organischen Bestandteile schwimmen oben und werden, wenn die Flüssigkeit abgeschüttet wird, in einem feinen Sieb aufgefangen.

Nematoden auszählen unter dem Binokular

Stefanie Gehner zählt unter dem Binokular die Nematoden im Probenmaterial.

mit einer Augenwimper werden Nematoden rausgefischt

Mit einer Augenwimper (unten rechts) werden einzelne Nematoden für die Bestimmung rausgefischt.

Bt-Proteine, die mit einem fluoreszierenden Farbstoff markiert sind, lassen sich in den Tieren nachverfolgen.

Bt-Proteine, die mit einem fluoresziernden Farbstoff markiert sind, lassen sich in den Tieren verfolgen. Hiermit wird der Frage nachgegangen, ob die Proteine an die Darmwand binden können. Der Wirkmechanismus von Bt-Proteinen besteht darin, dass sie über Rezeptoren an die Darmwand der „Zielorganismen“ binden und diese zerstören. Der Nematode Caenorhabditis elegans hatte sich in Toxizitätstests empfindlich gegenüber allen drei Bt-Proteinen des untersuchten Bt-Maises gezeigt.

Nematoden kommen nahezu überall im Boden oder in Gewässern vor, auch im Meer. Sie sind unter den Vielzellern die am häufigsten vorkommenden Tiere mit den meisten Arten. Nicht alle unter ihnen sind freilebend und nützlich. Es gibt auch eine erhebliche Anzahl parasitischer Arten sowohl in Pflanzen als auch in Tieren einschließlich des Menschen.

Sebastian Höss beschäftigt sich mit den in landwirtschaftlichen Böden lebenden Nematoden. „Auf einem Quadratmeter Boden findet man in den oberen 20 Zentimetern bis zu 40 Millionen Nematoden. Um es anschaulich zu machen, in einer Hand voll Erde sind ca. 1000 Nematoden und ein Dutzend Arten“, sagt er. Sie leben dort in einem Flüssigkeitsfilm zwischen den Bodenpartikeln und ernähren sich von Bakterien, Pilzen, Pflanzenresten oder auch räuberisch von anderen Kleinstlebewesen. „Je nach Ernährungstyp haben sie verschiedene Mundwerkzeuge z.B. einen Stachel“, Sebastian Höss deutet mit dem Finger auf das Riesenporträt eines Wurmes, an dessen einem Ende sich eine Art Mund befindet, „oder wie dieser hier sogar Zähne.“

Caenorhabditis elegans - ein Modellorganismus

Sebastian Höss führt gleich eine ganze Reihe von Gründen an, warum es aus seiner Sicht sinnvoll ist, Nematoden im Zusammenhang mit gentechnisch verändertem Bt-Mais genauer unter die Lupe zu nehmen. Einer der wichtigsten ist, dass Nematoden eine bedeutende Position im Bodennahrungsnetz haben. „Insbesondere die Pilz- und Bakterienfresser stimulieren den mikrobiellen Abbau im Boden“, erläutert er. Zweitens seien Nematoden im Boden den Bt-Proteinen, die der Mais bildet, ausgesetzt und von daher potenziell gefährdet. Vor allem über verrottende Pflanzenreste gelangen die Bt-Proteine in den Boden. Der in diesem Projekt untersuchte Bt-Mais (MON89034 x MON88017) enthält gleich drei verschiedene Bt-Proteine.

Nematoden sind aber auch gut untersuchte Organismen. Schon länger werden sie eingesetzt als Bioindikatoren für toxische Chemikalien. Indem man die Nematoden untersucht, bekommt man einen Eindruck von der Bodenqualität. Dabei wird besonders gerne der Bakterien fressende Nematode Caenorhabditis elegans eingesetzt. Mit diesem Modellorganismus gibt es bereits standardisierte Verfahren zur Bestimmung der Toxizität von Chemikalien im Boden (ISO 10872).

Einen solchen Test hat Sebastian Höss für alle drei Proteine - sowohl einzeln als auch kombiniert - durchgeführt. Caenorhabditis elegans wurde den reinen Bt-Proteinen in wässriger Lösung ausgesetzt. Die Nematoden reagierten auf alle drei Proteine mit einer deutlich reduzierten Fortpflanzungsrate. Allerdings erst bei Konzentrationen, die weit über denen liegen, die eine andere Arbeitsgruppe des Forschungsverbundes beim Anbau dieses Bt-Maises im Boden gefunden hat. Wurden die drei Proteine kombiniert, war die toxische Wirkung nicht so hoch wie erwartet.

Sebastian Höss möchte herausfinden, wie genau es dazu kommt, dass Nematoden auf diese Bt-Proteine empfindlich reagieren, obwohl sie keine „Zielorganismen“ sind. Die insektiziden Bt-Proteine des Bt-Maises wirken sehr spezifisch gegen bestimmte Maisschädlinge. „Es ist bekannt“, Sebastian Höss muss ein bisschen weiter ausholen, „dass es auch Bt- bzw. Cry-Proteine gibt, die spezifisch gegen Nematoden wirksam sind, so genannte nematizide Cry-Proteine. Sie schädigen die Nematoden über einen ähnlichen Wirkmechanismus wie die Cry-Proteine des Bt-Maises z.B. den Maiszünsler.“ Sebastian Höss will deshalb die Proteine mit einem Fluoreszenz-Farbstoff markieren, um sie im Darm der Tiere verfolgen zu können. Bt-Proteine sollten nur dann wirken, wenn es an der Darmwand spezielle Rezeptoren gibt, an die sie binden können. Wenn sie dies im Nematoden-Darm tun, könnte man das an der verstärkten Fluoreszenz entlang der Darmwand erkennen.

Nematoden extrahieren

Am Institut der Universität Bielefeld werden heute Nematoden aus Bodenproben vom Maisversuchsfeld extrahiert. Dort wurden in den letzten drei Jahren - verteilt auf insgesamt 40 Parzellen - mehrere konventionelle Sorten sowie der gentechnisch veränderte Bt-Mais MON89034 x MON88017 angebaut. „Bei den Feldversuchen geht es darum, ob sich die Nematoden-Lebensgemeinschaften in den verschiedenen Anbauparzellen unterscheiden, sowohl mengenmäßig als auch in der Zusammensetzung der Arten.“ Ein Mitarbeiter des Projektes demonstriert auf einem Rasenstück des Institutsgeländes, wie mit einem Bodenstecher von nur zwei Zentimetern Durchmesser ein schmaler Streifen Erde ausgehoben werden kann. Mit einem solchen Werkzeug wurden zu drei verschiedenen Zeitpunkten - kurz nach der Aussaat, während der Maisblüte sowie nach der Ernte - Bodenproben vom Versuchsfeld geholt. Dabei wurden nur die oberen zwanzig Zentimeter des Bodens entnommen, an sechs verschiedenen Stellen pro Parzelle. Die Einzelproben einer Parzelle wurden zu Mischproben zusammengefasst, sorgfältig vermengt und eine Teilmenge von jeweils 15 bis 20 Kubikzentimetern im Labor untersucht.

Zunächst werden die Proben mit Formalin fixiert, das tötet die Tiere, erhält aber ihr Gewebe. Um sie später unter dem Binokular besser zählen zu können, wird der Farbstoff Bengalrosa zugegeben. Die Nematoden sind Teil der organischen Substanz im Boden. Mithilfe einer Dichtetrennung werden deshalb in einem nächsten Schritt mineralische und organische Bestandteile des Bodens voneinander getrennt. Anschließend kann die mühsame Zählarbeit unter dem Binokular beginnen. Mitunter finden sich mehr als 2000 Nematoden in einer Bodenprobe. Zwischen fünf und 27 Millionen Tiere pro Quadratmeter wurden 2008 für das Maisversuchsfeld hochgerechnet. Was sehr viel ist. 2009 waren es mit acht bis 28 Millionen sogar noch mehr.

Von „Colonizern“ und „Persistern“

50 Nematoden werden aus jeder Probe rausgefischt. Dazu wurde eigens ein Werkzeug erfunden mit einer Augenwimper an der Spitze. Diese 50 Tiere werden dann unter dem Mikroskop bei tausendfacher Vergrößerung genauer betrachtet. Sie werden wenn möglich auf Gattungsebene bestimmt und den verschiedenen Ernährungstypen und Reproduktionsstrategien zugeordnet.

Es gibt unter den Nematoden Arten, die sich schnell und in großer Zahl vermehren, die so genannten „Colonizer“. Sie gelten als tolerant gegenüber Störungen. Ganz anders die „Persister“, sie haben längere Generationszeiten, sind besser an stabile Standorte angepasst, können aber Störungen nicht so gut vertragen. Die Nematodenarten werden auf einer Colonizer-Persister-Skala von eins bis fünf eingeteilt und so ein spezieller Stress-Index, der Maturity Index, (MI) errechnet. Eine toxische Wirkung von Bt-Proteinen im Boden könnte eine Störung sein, die in einem niedrigen MI-Wert ablesbar wäre.

Die Auswertungen der Bodenproben für die Jahre 2008 und 2009 zeigen, dass auf dem Maisversuchsfeld in allen untersuchten Parzellen vor allem Bakterien- und Pflanzenfresser vertreten sind. Im Verlauf der Vegetationsperiode nahm der Anteil der Bakterienfresser zugunsten räuberischer Nematoden ab. Im Frühjahr nach der Bodenbearbeitung dominierten die „Colonizer“, später im Jahr gewannen die „Persister“ etwas an Bedeutung, was zu einem Anstieg des MI-Wertes führte. Es zeigte sich also deutlich, dass die Nematodengemeinschaften sich im Verlauf der Vegetationsperiode verändern.

Anders als in einem vorherigen Projekt mit Bt-Mais MON88017 wirkten sich die verschiedenen Maissorten hingegen an keinem der drei Probennahmezeitpunkte auf die Nematodenlebensgemeinschaften aus. Sie wurden weder durch die Bt-Proteine noch die Insektizidbehandlung beeinflusst. Allerdings gab es Unterschiede in den Lebensgemeinschaften, die sich durch den unterschiedlichen Sandgehalt im Boden der Parzellen erklären ließen.