Serie: Das Jahr im Versuchsfeld, Teil 4

Artenvielfalt unter dem Mikroskop

Dezember 2002. Das Maisfeld ist längst abgeerntet. Vor Ort ist nichts mehr zu tun. Aber die unzähligen im Verlauf des Sommers in verschiedenen Fallen gesammelten und konservierten Insekten und Spinnen müssen nun ausgewertet werden. Am Ende wollen die Wissenschaftler eine Aussage darüber machen können, ob das Bt-Toxin die Artengemeinschaft der Arthropoden im Maisfeld beeinflusst oder auch nicht.

gefrorene Kolben

Zwischen den Hüllblättern tiefgefrorener Maiskolben finden sich etliche Insekten.

Die Ausbeute:
Gelbschale
Pro Parzelle eine, 16 Wochen lang, 24x16= 384 Proben,
Fangrahmen genau so viele, 384 Proben
Bodenfallen doppelt so viele, 768 Proben.
Kolben 20 pro Parzelle, also 480 Kolben
Klopfschirm Pro Parzelle fünf Proben, zweimal während der Blühphase= 240 Proben
Insgesamt 2256 Proben.

Artenbestimmung im Labor. Um Aussagen über die Häufigkeit einzelner Arten und die Zusammensetzung der Artengemeinschaft machen zu können, müssen die unzähligen gesammelten Tierchen zunächst bestimmt werden.

Mitarbeiter Andreas Toschki bei der Bestimmung von Insekten

verschiedene Laufkäfer in einer Bodenfallenprobe

Verschiedene Laufkäfer in einer Bodenfallenprobe

Limothrips cerealium

Frankliniella tenuicornis

Thripse unter einem Mikroskop mit 60- bis 100facher Vergrößerung.
Die Unterschiede der Thripse-Arten Limothrips cerealium und Frankliniella tenuicornis sind für ein ungeschultes Auge nur schwer auszumachen. Ein Unterscheidungsmerkmal ist z.B. die etwas andere Kopfform.

Traubenkirschen- oder Haferlaus aus der Familie der Blattläuse

Diese Blattlaus ist eine Traubenkirschen- oder Haferlaus (Rhopalosiphum padi)

Wanze der Gattung _Orius spec._Die Tiere der Gattung Orius können nur aufgrund von Merkmalen der Geschlechtsorgane auseinander gehalten werden.

Wirkungspfade Bt-Toxin

Wirkungspfade des Bt-Toxins

Im Moment sind die Kolben dran. Zwanzig Maiskolben aus jeder Parzelle sind bei minus zwanzig Grad eingefroren worden und werden jetzt zur Untersuchung aufgetaut. „Das ist auch eine Fangmethode“, erläutert Projektleiter Achim Gathmann, greift in eine Tiefkühltruhe und holt einen vereisten Kolben heraus. „Hier zwischen den Hüllblättern der Kolben finden sich vor allem Blattläuse und Thripse.“

Die Kolben werden gewogen, die Blätter gezählt und die gefundenen Tiere „eingeschnapst“, also in Alkohol eingelegt. Einige tiefgefrorene Maiszünslerlarven sind auch dabei. Auf der Flucht vor der Kälte im Gefrierschrank hatten sie die Kolben verlassen.

Bestimmen, zählen, vergleichen

Je 20 Kolben aus den 24 Parzellen der Versuchsfelder, das sind 480 Kolben, die es zu bearbeiten gilt. Hinzu kommt die Ausbeute aus den verschiedensten Fallen. Gelbschalen, Bodenfallen und Fangrahmen sind während drei Monaten wöchentlich geleert worden, das sind über 1500 Einzelproben. Und dann gibt es noch die mit dem „Klopfschirm“ abgeschüttelten Blütenbesucher, das sind weitere 240 Proben.

Aus dieser Unmenge im Gefrierfach oder im Glasröhrchen konservierter Tierchen muss natürlich eine Auswahl getroffen werden. Deshalb haben sich die Wissenschaftler zunächst ein Konzept gemacht, welche Arthropoden-Arten erfasst werden sollen. Dabei spielte Erfahrung eine große Rolle. Es wurden Tiergruppen ausgewählt, die eine wichtige Position innerhalb der Nahrungskette haben, vorzugsweise solche, die gut untersucht sind, über die man also schon viel weiß.

In einem ersten Schritt werden jetzt die Tiere aus den Einzelproben grob nach Augenschein vorsortiert und die Auswahl anschließend unter dem Mikroskop oder dem Binokular bestimmt. Dafür gibt es einen Bestimmungsschlüssel pro Tiergruppe oder -familie.

Diese Arbeit ist recht mühsam und erfordert einige Erfahrung. Manchmal auch eine besondere Vorbereitung. Um z.B. die sehr kleinen Thripse zu bestimmen, müssen diese vorbehandelt werden. Sie werden in Natronlauge eingelegt, dadurch werden sie durchsichtig und man kann die Unterscheidungsmerkmale besser erkennen.

Wenn schließlich die einzelnen Tierchen identifiziert und zugeordnet sind, lässt sich das Vorkommen einzelner Arten quantifizieren, d.h. die Dichte wird erfasst.

In einem letzten Schritt wird dann die Dichte der ausgewählten Arthropoden-Arten für die drei verschiedenen Maisvarianten miteinander verglichen.

Wirkungspfade des BT-Toxins

Um eine sinnvolle Auswahl zu treffen, war es wichtig, sich zu überlegen, wie die Wirkungspfade des Bt-Toxins sind, also wie die Tiere innerhalb der Nahrungskette damit in Berührung kommen.

Viele Insekten ernähren sich direkt von der Pflanze, das sind die Pflanzenfresser, die so genannten Herbivore, zu denen gehören Blattläuse, Zikaden, Wanzen, Thripse (Gewittertierchen) und das Getreidehähnchen. Bei den Herbivoren gibt es die spezielle Gruppe der Blütenbesucher, die Pollen fressen. Hier interessieren die Schwebfliegen, Weichkäfer und wiederum die Thripse.

Die direkte Nahrungsbeziehung der Herbivore zur Pflanze wird in der Biologie erste trophische Ebene genannt. Auf der nächsten trophischen Ebene finden sich dann die Gegenspieler der Pflanzenfresser, die so genannten „Räuber“ oder Beutegreifer. Das sind z.B. Spinnen, Laufkäfer und verschiedene Blattlausräuber wie der Marienkäfer oder auch die Schwebfliege.

Die Nahrungsbeziehungen sind dabei sehr vielfältig. Die pollenfressenden Thripse etwa saugen auch an Blattgewebe, „Generalisten“ wie die Wanzen sind zugleich Pflanzenfresser und „Räuber“. Sie sind nicht sehr wählerisch und verspeisen Pflanzenmaterial ebenso gerne, wie sie Blattläuse und andere Insekten aussaugen.

Es ist auch von Bedeutung, welche Pflanzenteile als Nahrung genutzt werden. Man hat heraus gefunden, dass Blattläuse - als Herbivore der ersten trophischen Ebene - dem Toxin gar nicht direkt ausgesetzt sind, weil sie nämlich Flüssigkeit aus den Nährstoffleitbahnen der Pflanze - dem Phloem - saugen. Und da ist nachgewiesenermaßen kein Bt-Toxin drin. Weil sie aber eine sehr wichtige Position im Artengefüge und damit innerhalb der Nahrungskette haben, ist es dennoch wichtig und sinnvoll, ihr Vorkommen zu untersuchen.