Pollen aus gentechnisch verändertem Raps: Auswirkungen auf Bienen

Vielflieger unter Beobachtung

20.000 Flüge für 150 Gramm Honig: Der Fleiß der Bienen ist sprichwörtlich. Und doch sind die sammelwütigen Vielflieger faul. Zielstrebig steuern sie von ihrem Bienenstock aus die nächstgelegenen Blüten an, auch wenn diese gentechnisch verändert sind. Die Sicherheitsforschung beobachtet sie dabei.

Hummel an einer Rapsblüte

Die Versuchsfläche in Dahnsdorf mit 16 Parzellen, auf denen transgener herbizidtoleranter Raps und Mais in Fruchtfolge mit herkömmlichem Winterroggen und Winterweizen angebaut werden.

Reges Kommen und Gehen am Eingang zum Honigbienen-Volk.

Blick in ein geöffnetes Nest der Erdhummel (Bombus terrestris).

Hummeln bauen an ihrem Nest.

Als Nisthilfen für die Mauerbiene werden ausgediente Honigbienen-Kästen eingesetzt. Die Mauerbienen sind noch in ihren Kokons.

Fertig aufgebaute Nisthilfen für die Mauerbiene.

Zum Größenvergleich: Larven der Erdhummel, der Honig- und der Mauerbiene.

Unterschiede in der Zusammensetzung der Bakterienflora im Bienendarm werden sichtbar gemacht.

„Bienen sind faul“, sagt Dr. Martina Sick von der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA). Sie muss es wissen. Gemeinsam mit einem Wissenschaftlerteam der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL) untersucht Martina Sick die Auswirkungen von transgenem Raps-Pollen auf Bienen. Dabei hat sie festgestellt: Bienen unterscheiden nicht zwischen dem Pollen von gentechnisch veränderten und von herkömmlichen Pflanzen. Sie fliegen zielstrebig die Blüten an, die ihrem Bienenvolk am nächsten sind. Wie hoch kann der Anteil an transgenem Pollen an der Bienennahrung dadurch werden? Und welchen Einfluss hat er auf die Darmbakterien der Bienen?

Pollenfracht

Um Antworten zu finden auf diese Fragen, hat Martina Sick mit ihrem Kollegen Dr. Stefan Kühne in der Nähe von Dahnsdorf bei Berlin einen Feldversuch angelegt. In rechteckigen Parzellen wird gentechnisch veränderter herbizidtoleranter Raps in Fruchtfolge mit herkömmlichem Winterroggen und Winterweizen angebaut.

Am Feldrand haben die Wissenschaftler mehrere Honigbienen- und Erdhummelvölker aufgestellt. Außerdem wurden Nisthilfen für Mauerbienen geschaffen. Seit dem ersten Projektjahr 2001 entnehmen Martina Sick und ihre Kollegen Stichproben von den so genannten Pollenhöschen, also der Pollenfracht, die Bienen an ihren Hinterbeinen transportieren. Zusätzlich untersuchen sie den Pollen in den Brut- und den Vorratszellen der drei Bienenarten. Mit Hilfe der PCR-Methode bestimmen die Wissenschaftler den Anteil von transgenem Pollen an der gesammelten Pollenmenge. Daraus schließen sie unter anderem, wie sich die Nahrung der Bienenlarven zusammensetzt.

Widrige Umstände

Die Arbeit der Wissenschaftler ist nicht einfach. Im ersten Projektjahr 2001 mussten zunächst methodische Erfahrungen gesammelt werden, um die Versuchsanordnung im zweiten Jahr zu optimieren. Beispielsweise wurden im Frühjahr 2002 deutlich mehr Kokons der Mauerbiene eingesetzt, um eine ausreichende Zahl von Tieren beobachten zu können. Dann kam die Nacht zum 22. März 2002: Gentechnik-Gegner zerstörten das Versuchsfeld. Sie rissen die meisten Rapspflanzen aus. „Glücklicherweise überlebten genug Pflanzen und neue wuchsen nach, so dass wir die Experimente schließlich doch noch durchführen konnten“, berichtet Martina Sick.

Schnell wurde klar, der Blühzeitpunkt der Pflanzen und die räumliche Nähe zum Bienenvolk sind wesentliche Einflussfaktoren. Steht der Bienenstock direkt vor einem blühenden transgenen Rapsfeld, sammeln die Bienen einen hohen Anteil des Pollens dort. Ist der Raps verblüht, steuern sie andere Pollenquellen an. Oder umgekehrt: Wenn die Bienen von transgenem Raps ferngehalten werden, sammeln sie überwiegend Pollen von anderen, näher gelegenen Pflanzen. Um statistisch abgesicherte Aussagen über den Anteil von transgenem Pollen an der Bienennahrung treffen zu können, müssen die Forscher noch mehr Daten erheben und auswerten. Dies soll im Jahr 2003 geschehen.

Mit der Untersuchung der gesammelten Blütenpollen allein geben sich die Wissenschaftler nicht zufrieden. Sie gehen auch der Frage nach, ob Gene aus den Pflanzenpollen von den Bakterien im Bienendarm aufgenommen werden können, ob also ein so genannter horizontaler Gentransfer stattfindet. Zu diesem Zweck werden die Wissenschaftler der Biologischen Bundesanstalt zu Insekten-Chirurgen: Unter sterilen Bedingungen entnehmen sie den Bienen und Hummeln sowie ihren Larven den mit Pollen gefüllten Darm. Die Därme senden sie an das Forscherteam von Dr. Christoph Tebbe und Kathrin Mohr am Institut für Agrarökologie der FAL in Braunschweig.

Pionierarbeit

Kathrin Mohr leistete mit den Bienendärmen im vergangenen Jahr Pionierarbeit: Sie analysierte mit einer neuen molekularen Untersuchungstechnik, welche Bakterien in den Därmen der drei untersuchten Bienenarten natürlich vorkommen. Mehr als 90 verschiedene Bakterienarten konnte die Diplom-Biologin schon erkennen. Dabei stieß sie auch auf herbizidtolerante Bakterien. Das war für die Experten der FAL keine Überraschung. Zwischen 10 Prozent und 50 Prozent der in der Natur vorkommenden Bakterien weisen bestimmte Toleranzeigenschaften auf. Trotzdem, Christoph Tebbe will ganz genau wissen, ob die Herbizidtoleranz der Darmbakterien natürlichen Ursprungs ist oder durch einen horizontalen Gentransfer vom Pollen auf das Bakterium entstand. „Nach heutigem Stand der Wissenschaft nehmen Bakterien unter natürlichen Bedingungen normalerweise keine fremde DNA von höheren Organismen auf, also auch nicht von Pflanzen“, erläutert der Mikrobiologe. „Wir wollen der Sache aber auf den Grund gehen. In den nächsten Monaten werden wir im Labor Bedingungen schaffen, die die Möglichkeiten für einen Gentransfer maximieren. Wir werden einen horizontalen Gentransfer geradezu provozieren.“

Härtetest

Dazu suchen die Forscher in der Darmbakterienflora der Bienen jetzt gezielt nach „natürlich transformierbaren“ Bakterien, die ursprünglich nicht herbizidtolerant sind, aber grundsätzlich in der Lage sind, fremde DNA-Abschnitte in ihr Erbgut einzubauen. Diese Bakterien werden sie im Labor in einer Lösung fremder DNA „baden“. Sollten die Bakterien unter diesen - extremen - Voraussetzungen das fremde Resistenzgen aufnehmen, wäre die prinzipielle Möglichkeit eines horizontalen Gentransfers bewiesen. Der Härtetest soll auf andere Resistenzgene als nur die Herbizidtoleranz ausgedehnt werden, zum Beispiel auf Gene für Antibiotika-Resistenz. „Unser Ziel ist eine allgemeine Sicherheitsbewertung von gentechnisch veränderten Pflanzen im Hinblick auf ihr Verhalten im Bienendarm“, sagt Christoph Tebbe. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg.