Sicherheitsforschung mit gentechnisch veränderter Gerste

Gentechnisch veränderte Gerste: „Uns interessiert das Bodenleben.“

Auf einem Gelände der Justus-Liebig-Universität Gießen wird erstmals in Deutschland gentechnisch veränderte Gerste im Freiland angebaut. Untersucht werden soll, wie sich zwei in den USA entwickelte gv-Gerstenlinien auf nützliche Pilze und damit die Bodenqualität auswirken. Eine der beiden Gerstenlinien verfügt über eine gentechnisch vermittelte Resistenz gegen Pilzkrankheiten. - Über den Versuch sprach bioSicherheit mit Karl-Heinz Kogel von der Universität Gießen.

Dr. Karl-Heinz Kogel, Professor für Pflanzenkrankheiten und Pflanzenschutz an der Universität Gießen.

bioSicherheit: Sie untersuchen zwei gentechnisch veränderte Gerstenlinien, die in den USA, entwickelt wurden. Dort wird seit Mitte der 90er Jahre versucht, Gerste mit Hilfe der Gentechnik zu optimieren, d.h. ihre Braueigenschaften zu verbessern und sie als Futtermittel besser verwertbar zu machen. Was interessiert Sie an diesen Gerstelinien?

Karl-Heinz Kogel: Uns interessiert die Frage, ob neben der verbesserten Futterqualität und der erhöhten Widerstandsfähigkeit sich auch unerwünschte Eigenschaften zeigen. Es geht vor allem um das Bodenleben, um schädliche Auswirkungen auf nützliche Pilze wie Mykorrhiza, die den Wurzelraum von Nutz- und Wildpflanzen besiedeln. Von diesen Pilzen ist bekannt, dass sie äußerst nützliche Effekte auf Pflanzenwachstum und Pflanzengesundheit haben. Diese Effekte werden auch im Rahmen des biologischen Pflanzenschutzes genutzt. In unserem Institut beschäftigen wir uns intensiv mit diesen Zusammenhängen und darum sind wir auch so sehr an der Frage interessiert, ob diese nützlichen Bodenpilze möglicherweise durch gentechnisch veränderte Gerste beeinflusst werden.

Was wir mit der gentechnisch veränderten Gerste machen, ist biologische Sicherheitsforschung. Die Untersuchungen sind in den neuen internationalen Masterstudiengang Agrarbiotechnologie integriert, den wir an der Universität Gießen eingerichtet haben. Uns liegt sehr daran, dass unsere Studenten sich mit der Sicherheit transgener Pflanzen auseinandersetzen.

bioSicherheit: Eine der beiden transgenen Gerstenlinien, die Sie untersuchen, besitzt eine Resistenz gegen Pilzkrankheiten. Grundsätzlich besteht das Problem, dass davon auch nützliche Pilze geschädigt werden.

Karl-Heinz Kogel: Diese Gerste besitzt ein zusätzliches Gen für Endochitinase. Dieses Enzym baut Chitin ab, allerdings ausschließlich in den Zellwänden von Pilzen, nicht aber das in Insekten vorkommende Chitin. Insofern macht es Sinn, zu untersuchen, inwieweit auch nützliche Bodenpilze durch die Endochitinase der Gerste beeinflusst werden. Es könnte sein, dass dieses Enzym auf die Bodenpilze einwirkt. Daher achten wir auch auf Pflanzenreste, die im Boden verbleiben.

Inzwischen konnte allerdings in Laborversuchen gezeigt werden, dass diese Endochitinase hoch spezifisch ist. Dieses Enzym, das in der transgenen Gerste produziert wird, erhöht die Widerstandsfähigkeit gegenüber einer bestimmten Krankheit, einer Wurzelfäule, die in den USA stark verbreitet ist und auch in Europa auftritt. Gegen dieses Pathogen (Rhizoctonia) wirkt das Enzym hervorragend. Aus Laborversuchen wissen wir bereits, dass es schwach oder gar nicht gegen andere Pilze wirkt. Das möchten wir nun im Freiland überprüfen.

bioSicherheit: Sie arbeiten aber noch mit einer zweiten gentechnisch veränderten Gerstenlinie, die eine bakterielle Glukanase produziert.

Karl-Heinz Kogel: Dieses Gen wird ausschließlich in den Körnern der gv-Gerste exprimiert und die Glukanase ist nur im Korn vorhanden. Diese Gerstenlinie wurde entwickelt, um die Qualität der Gerste als Hühnerfutter und bei der Mälzung während der Bierherstellung zu verbessern. Es ist bekannt, dass bestimmte Glukane in den Zellwänden fast aller Pilze vorkommen. Daher wollen wir auch bei dieser transgenen Gerstenlinie untersuchen, welchen Einfluss deren Glukanase auf Bodenpilze hat. Durch die gewebespezifische Expression des Glukanase-Gens kann es allerdings nur dann zu Effekten auf Bodenorganismen kommen, wenn gv-Gerstenkörner zersetzt werden.

Zudem möchte ich noch auf den zweiten Schwerpunkt unseres Forschungsprojekts hinweisen, der von Prof. Uwe Sonnewald von der Universität Erlangen bearbeitet wird. Dort werden die beiden neuen Gerstenlinien darauf überprüft, ob sich in der Genexpression oder in den Inhaltsstoffen Unterschiede zu herkömmlichen Gerstensorten zeigen. Es geht darum, ob hier zwischen transgener und konventioneller Linie substanzielle Äquivalenz besteht, sie also bis auf die neu eingeführten Merkmale gleich sind.

bioSicherheit: Immer wieder sind Befürchtungen zu hören, ihr Freisetzungsversuch mit gentechnisch veränderter Gerste könnte zu Auskreuzungen führen.

Karl-Heinz Kogel: Gerste ist in diesem Zusammenhang eine „sichere“ Pflanze, da sie zu 99 Prozent Selbstbestäuber ist. Das heißt: Der Gerstenpollen befruchtet die Narbe der eigenen Blüte. Das geschieht – zumindest bei unseren Pflanzen – bei geschlossenen Blüten, so dass es kaum zu einem Kontakt mit Insekten oder zu einer Windverbreitung des Pollens kommt. In ganz seltenen Fällen kann es zwar einen Pollenflug geben, doch Gerstenpollen ist sehr empfindlich gegen Sonnenstrahlung und Trockenheit. Für den seltenen Fall einer Bestäubung mit Wildgerste oder Wildgräsern bringen die Hybride keine Nachkommen hervor. Alle Hybriden sind steril. Das ist in langen Forschungsreihen nachgewiesen worden. Ich halte es daher für höchst unwahrscheinlich, dass sich die Gerste unseres Versuchs ausbreiten könnte.

Außerdem müssen wir sehr hohe Sicherheitsauflagen der Genehmigungsbehörde einhalten. Wir werden 9,6 Quadratmeter transgene Gerste aussäen, darum eine Mantelsaat mit konventioneller Gerste, die als Pollenfänger dient. Dann folgt ein fünf Meter breiter Streifen mit einer Schwarzbrache und schließlich 25 Meter Weißklee. Der wurde deshalb gepflanzt, um auftretende Wildgräser sofort erkennen und vernichten zu können.

bioSicherheit: Wie verbreitet sind Pilzerkrankungen bei Gerste und wie geht die Landwirtschaft heute mit dem Problem um?

Karl-Heinz Kogel: Von Natur aus ist Gerste gegenüber Pilzerkrankungen widerstandsfähiger als Weizen. Dennoch kommt es immer wieder bei Gerste zu Problemen, wie etwa die Erkrankung durch Fusarium. Diese Pilze treten an den Ähren auf und produzieren Mykotoxine, toxische Substanzen, die auch in die Lebensmittel gelangen können. Dies ist eines der größten Probleme im Pflanzenbau weltweit. Es ist wichtig, neue biotechnische Ansätze zu entwickeln, um gegen diese Krankheit vorzugehen, auch deswegen, weil es hier kaum einen effektiven chemischen Pflanzenschutz gibt.

bioSicherheit: Gentechnische Verfahren könnten neue Optionen gegen Pilzerkrankungen eröffnen. Wie realistische ist, dass in zehn oder zwanzig Jahren tatsächlich Gerste mit einer gentechnisch vermittelten Pilzresistenz angebaut wird?

Karl-Heinz Kogel: Wir haben die Hoffnung, dass mittel- bis langfristig durch solche Gersten der heute notwendige Einsatz von Pflanzenschutzmitteln erheblich reduziert werden kann. Ob die beiden transgenen Gerstenlinien unseres Versuches tatsächlich in den Anbau kommen werden, ist derzeit nicht abzusehen. Doch neue Generationen gentechnisch veränderter Pflanzen eröffnen die Chance, ökologischer und ökonomischer zu wirtschaften

Ich bin sicher, dass sich künftige pilzresistente Pflanzen am Markt behaupten könnten. Insbesondere bin ich davon überzeugt, dass in den nächsten Jahren ein Fokus der Biotechnologie auf Getreide liegen wird. Gerade unter den Aspekten der biologischen Sicherheit eignet sich Getreide besonders dazu, die Qualität der Ernteprodukte durch Einsatz der Biotechnologie zu verbessern.