SiFo-Projekt: Auswirkungen transgener Zeaxanthin-Kartoffeln auf das Bodenleben und die Bodenqualität

Der Einfluss der Sorten

Juli 2006. Der Himmel ist wolkenlos, die Sonne brennt bereits den ganzen Morgen über dem Bauernhof. Auf einem Kartoffelfeld hinter den Hofgebäuden arbeiten zehn junge Menschen. Einige weitere Personen stehen am Feldrand und diskutieren. Es könnte ein Tag im Urlaub auf dem Bauernhof sein, wären da nicht die Laborhandschuhe an den Händen, die die Mistgabeln halten.

Heute ist Michael Schloter von der TU München auf dem Feld, um Journalisten und Landwirten aus der Region Rede und Antwort zu stehen, denn auf diesem Acker wachsen gentechnisch veränderte Kartoffeln. „Wir untersuchen die Einflüsse dieser Kartoffeln auf die Mikroflora im Wurzelraum, also auf Bodenbakterien und Bodenpilze“, erklärt Schloter. „Die Mikroflora wird durch viele Faktoren beeinflusst wie zum Beispiel Jahreszeit, Kulturart und Bewirtschaftungsweise. Aber auch die Ausscheidungen der Pflanzenwurzeln bewirken Veränderungen.“

Dr. Michael Schloter, Leiter des Projektes, von der TU München

Versuchsfeld mit Sicherheitszaun

Das Versuchsfeld, einer von zwei Freisetzungs-standorten. Für den anderen Standort kam es aufgrund heftiger Proteste zu Verzögerungen bei der Genehmigung, sodass es für die Aussaat schon zu spät war.

Der Zaun soll Tiere davon abhalten, transgene Knollen zu verschleppen. Am Rand eine Mantelsaat aus Senf

Michael Schloter (2. v. re.) im Gespräch mit einem Biolandwirt, einem konventionellen Landwirt und dem Feldbesitzer

Das Versuchsfeld mit insgesamt fünf konventionellen Sorten und transgenen Zeaxanthin-Kartoffeln mit zwei verschiedenen Konstrukten

Je vier Reihen der gleichen Sorte liegen immer nebeneinander, insgesamt sind fünf konventionelle Sorten und transgene Zeaxanthin-Kartoffeln mit zwei verschiedenen Konstrukten auf dem Feld. Die Stäbe markieren Stellen zur Probennahme

Im mobilen

Das mobile „Labor“ - hier werden die Pflanzen gereinigt, die Wurzeln abgetrennt, und die Proben eingefroren.

Probenahme: Einzelne Pflanzen werden ausgegraben

Einzelne Pflanzen werden bei der Probennahme ausgegraben,…

Die Wurzeln werden weitgehend von Erde befreit.

…die Wurzeln weitgehend von Erde befreit…

Wurzeln werden eingefroren.

…und dann eingefroren

Bei den Kartoffeln auf dem Versuchsacker könnten diese Ausscheidungen, die wissenschaftlich als Exsudate bezeichnet werden, andere sein als bei gewöhnlichen Sorten. Hier wachsen so genannte Zeaxanthin-Kartoffeln, eine gentechnische Züchtung, die in ihren Knollen Zeaxanthin anreichert, einen Stoff, der Altersblindheit vorbeugen kann. „Wir untersuchen aber nicht nur Unterschiede zwischen den transgenen Kartoffeln und ihrer Ausgangslinie“, betont Schloter und zeigt auf den Anbauplan. Die Kartoffelreihen sind in sieben Farben markiert, immer vier gleiche Reihen liegen nebeneinander. „Dieser Versuch erfasst erstmalig auch, welche Effekte Sortenunterschiede überhaupt auf die Bodenmikroflora haben. Zusätzlich zu den beiden unterschiedlich hergestellten Zeaxanthin-Kartoffeln wachsen hier auch die Ausgangslinie Baltica und vier weitere konventionelle Sorten: Ditta, Désirée, Sibu und Selma.“

Die Aktivität der Bodenorganismen

Von allen sieben Kartoffelsorten nehmen die Mitarbeiter des Forschungsverbundes heute Wurzelproben. Dazu werden einzelne Kartoffelpflanzen ausgegraben, zügig die meiste Erde entfernt und mit einer sterilen Schere die Wurzeln abgetrennt. Grund für die Eile ist nicht so sehr die Hitze, vielmehr sind die Forscher auch daran interessiert, welche bakterielle mRNA in den Wurzeln und an der Wurzeloberfläche vorhanden ist. Da die mRNA jedoch meist innerhalb weniger Minuten zerfällt, werden die Proben unverzüglich in Trockeneis eingefroren. „Die mRNA ist deshalb so interessant, weil sie uns zeigt, welche Gene tatsächlich aktiv sind“, erläutert Schloter. „Wenn wir die DNA analysieren, erfahren wir nur, welches genetische Potenzial vorhanden ist, aber nicht, welcher Teil davon wirklich aktiv ist. Das genetische Potenzial im Boden ist übrigens enorm“, betont der Bodenökologe und hält eine Handvoll Erde hoch: „Nach einer konservativen Schätzung leben in jedem Gramm Boden Zehntausend Arten.“

Wenn die fünf an dem Projekt beteiligten Forschergruppen aus Deutschland und Österreich die Kartoffelpflanzen und deren Wurzelraum, die Rhizosphäre, untersuchen, geht es ihnen aber nicht nur um die Artenvielfalt. Ihre Aufmerksamkeit gilt ebenso der Nährstoffdynamik, die mit dem Bodenleben und dem Pflanzenwachstum untrennbar verknüpft ist, wie auch den Pflanzenschädlingen und deren Gegenspielern. „Wenn eine Pflanze so verändert werden kann, dass sie in ihrem Wurzelraum die Gegenspieler begünstigt, könnte so manche chemische Behandlung überflüssig werden“, begründet Schloter die Analysen. Aber auch nachteilige Wirkungen seien eben nicht auszuschließen.

Sein eigenes Augenmerk liegt auf dem Stickstoffkreislauf. „Die beteiligten Bakteriengruppen sind weitgehend bekannt. Jetzt wollen wir wissen, welche ihrer Gene daran beteiligt sind und wie diese reguliert werden.

So sei vorstellbar, dass Pflanzen züchterisch so verändert werden, dass sie über ihre Wurzelausscheidungen Bodenbakterien in der Art beeinflussen, dass sie die im Boden gebundenen Nährstoffe besser aufschließen und dadurch für die Pflanzen verfügbar machen. Doch das alles ist Zukunftsmusik. Zunächst einmal dient der Versuch der biologischen Sicherheitsforschung, der Frage, ob die gentechnische Veränderung das Bodenleben stärker beeinflusst, als im Rahmen von Sortenunterschieden üblich wäre.

Fragen zur Sicherheit

Fragen der Sicherheit sind es auch, die heute einen konventionell und einen ökologisch wirtschaftenden Landwirt aus der Region zum Versuchsfeld geführt haben. Sie wollen wissen, wie denn verhindert werde, dass die Kartoffeln sich außerhalb des Feldes ausbreiten, und ob die transgenen Pflanzen Tieren schaden können. „Damit keine Tiere die Knollen fressen oder verschleppen, haben wir den ganzen Versuchsaufbau eingezäunt“, gibt Schloter Auskunft. Der Biolandwirt hakt nach: „Und der Pollen?“ Bei Kartoffeln spiele die Ausbreitung über Pollen keine Rolle. Sie vermehren sich ausschließlich über die Knollen. Zwar könne Pollen in einem Umkreis von maximal 20 Metern andere Kartoffelpflanzen befruchten, doch aus den Samen können keine durchsetzungsfähigen Kartoffelnpflanzen entstehen. Außerdem werde das Zeaxanthin spezifisch in der Knolle produziert. „Den Kartoffeln wurde kein neues Gen hinzugefügt „, erläutert Schloter. „Es wurde lediglich in der Knolle die Umwandlung von Zeaxanthin in einen anderen Stoff unterbrochen.“ Dennoch: wenn die Zeaxanthin-Kartoffeln später Beeren tragen, werden einige Pflanzen mit Käfigen vor Vögeln geschützt, an den übrigen transgenen Pflanzen sollen die Beeren abgeschnitten werden.

Schloter hebt hervor: Unabhängig von der Frage, ob es jemals einen kommerziellen Anbau der Zeaxanthin-Kartoffel geben wird, liefert dieses Projekt wichtige Erkenntnisse für die Stoffumsetzungen in landwirtschaftlich genutzten Böden, aber auch Vorarbeiten für weitere Sicherheitsforschung im Bereich transgener Kartoffeln.

Nachfrucht Weizen

Während Michael Schloter am Feldrand mit Besuchern diskutiert hat, ist die Probennahme weiter vorangeschritten. Inzwischen steht die Sonne senkrecht am Himmel, aber nur eine kurze Mittagspause ist erlaubt. Schließlich sollen die Proben in einem engen Zeitfenster genommen werden, da veränderte Witterungsbedingungen auch die Mikroflora des Bodens beeinflussen. Die Proben wären nicht mehr vergleichbar. Doch nach Regen sieht es heute nicht aus.

Bevor wieder Kartoffeln gepflanzt werden, soll auf dem Feld Winterweizen wachsen. Denn ein wichtiger Aspekt des Projekts ist auch die Untersuchung möglicher Auswirkungen auf die Nachfrucht, den Winterweizen. Erste Vorergebnisse hatten gezeigt, dass im Wurzelraum einiger Kartoffelsorten eine erhöhte Anzahl Getreide schädigender Pilze, so genannter Fusarien, lebt. Ob die Häufigkeit von Fusarien im Wurzelraum der Kartoffel durch genetische Modifikationen erhöht ist, werden die neuen Untersuchungen zeigen.