SiFo-Projekt: Resistenzentwicklung des Maiswurzelbohrers gegenüber Bt-Mais durch alternative Wirtspflanzen

Was dem Schädling schmeckt

Ende August 2006. In einem kleinen Raum der Universität Göttingen stehen mit Schutzanzügen verkleidete Gestalten vor einer Reihe von Miniatur-Zelten, in denen es nur so wimmelt. Hier wird unter strengen Sicherheitsvorkehrungen ein Schädling gezüchtet, den es in Deutschland noch gar nicht gibt. Joachim Moeser und seine Arbeitsgruppe brauchen Eier und Larven des Westlichen Maiswurzelbohrers für ihre Untersuchungen. Seit nunmehr einem Jahr beobachten sie, wie beweglich die Larven sind und was sie außer Mais sonst noch so alles fressen.

Joachim Moeser

Dr. Joachim Moeser vom Institut für Pflanzenpathologie und Pflanzenschutz an der Universität Göttingen

Bioassay: Larven des Maiswurzelbohrers wurden verschiedene Pflanzen angeboten, um herauszufinden, welche alternativen Wirtspflanzen für den Wurzelbohrer in Frage kommen bzw. welche er bevorzugt.

Bioassay: Käferlarven werden verschiedene Pflanzen angeboten, um herauszufinden, welche alternativen Wirtspflanzen für den Wurzelbohrer überhaupt in Frage kommen bzw. welche er bevorzugt.

In kleinen Zelten werden Maiswurzelbohrer gezüchtet unter strengen Sicherheitsvorkehrungen. Da der Wurzelbohrer in Deutschland noch nicht vorkommt, gilt er als Qarantäneschädling.

In kleinen Zelten werden Maiswurzelbohrer gezüchtet.

Maiswurzelbohrer in den  Zuchtzelten werden mit Mais und Pollenersatzstoff, den auch Imker verwenden, durch eine Schleuse hindurch gefüttert.

Sie werden gefüttert mit Mais und mit Pollenersatzstoff, der auch von Imkern verwendet wird.

Zuchtzelte: Maiswurzelbohrer an der Zeltwand

An den Zeltwänden tummeln sich hunderte von Käfern

Refugien-Strategie
Um zu vermeiden, dass Schädlinge unempfindlich werden gegenüber dem Bt-Toxin, sollen beim großflächigen Anbau von Bt-Mais Refugien angelegt werden. Auf diesen Flächen können nicht-resistente Tiere überleben. Wenn diese sich dann mit evtl. auftretenden resistenten Tieren paaren, werden die Resistenzgene in der nächsten Generation wieder „verdünnt“. Dabei wird angenommen, dass sich die Resistenzgene rezessiv vererben, d.h. Nachkommen mit nur einem Resistenzgen sind weiterhin gegenüber dem Bt-Toxin empfindlich.

Container-Versuche

In Mikrohabitaten werden Bt-Mais und verschiedene andere vom Maiswurzelbohrer nutzbare Pflanzen unter Freiland-ähnlichen Bedingungen gepflanzt und dann Eier des Schädlings in die Erde gegeben.

Freiland-ähnliche Bedingungen: In Containern (Mikrohabitaten) wachsen Bt-Mais und andere vom Wurzelbohrer nutzbare Pflanzen.

Hier wächst außen in zwei Reihen Bt-Mais und in der Mitte Borstenhirse.
Nach sechs Wochen werden die Wurzelballen entnommen…

…und in unten durchlässige Behälter gelegt. Darunter ein weiterer Behälter mit Wasser

Mit Hilfe einer Extraktionsanlage werden die Larven aus den Wurzelballen herausgeholt. Durch die Wärme der Lampen trocknet die Erde der Wurzelballen aus und die Larven wandern Richtung kühlem Wasser, mit dem sie aufgefangen werden.

In einer Kempson- Extraktionsanlage werden die Larven aus den Wurzelballen herausgeholt.

 Maiswurzelbohrer-Larve aufgenommen mit dem Rasterelektronen-Mikroskop

Maiswurzelbohrer-Larven

Kopf einer Maiswurzelbohrer-Larve aufgenommen mit dem Rasterelektronen-Mikroskop

Aufnahmen mit dem Rasterelektronen-mikroskop: Joachim Moeser

Joachim Moeser und seine Mitarbeiter beschäftigen sich in ihrem Projekt mit einer Besonderheit des Maiswurzelbohrers (Diabrotica virgifera). Der Schädling entwickelt sich zwar hauptsächlich an Mais, aber er kann auch andere Pflanzen für sein Überleben nutzen. „Die Theorie ist“, erläutert Joachim Moeser, „dass zunächst einmal gar nicht Mais die primäre Nahrungspflanze des Wurzelbohrers war, sondern Kürbisgewächse. Im Ursprungsland des Maises, Mexiko, wurde Mais zusammen mit Kürbis angebaut, so dass sich der Schädling schließlich auf Mais spezialisierte. Noch heute ist es so, dass Lockstoff von Kürbis die Käfer anzieht, obwohl Kürbis als Futterpflanze für die Larven nicht mehr geeignet ist.“

Es könnte allerdings zum Problem werden, dass der Maiswurzelbohrer auch an anderen Pflanzen überleben kann. Die Wissenschaftler vermuten, dass diese Fähigkeit des Schädlings eine Resistenzentwicklung gegenüber Bt-Mais begünstigen könnte. Der gegen den Maiswurzelbohrer wirksame Bt-Mais bildet vergleichsweise wenig Bt-Toxin, angegriffen wird vor allem das erste Larvenstadium (L1-Larven) des Schädlings. Spätere Larvenstadien (L2 und L3-Larven) sind weniger empfindlich. Wenn nun L1-Larven sich zunächst auf alternativen Wirtspflanzen entwickeln und dann erst zu Bt-Mais wandern, könnte das die Überlebenswahrscheinlichkeit in Bt-Mais erhöhen und damit auch die Population „teilresistenter“ Käfer.

Käferzucht

Für ihre Untersuchungen brauchen die Wissenschaftler den Schädling. Da der Maiswurzelbohrer in Deutschland aber noch nicht vorkommt, gilt er als Quarantäneschädling und es müssen besondere Sicherheitsvorkehrungen getroffen und entsprechende Verhaltensregeln eingehalten werden.

Vor dem eigentlichen Zuchtraum gibt es deshalb einen kleinen Vorraum. Damit niemals beide Türen gleichzeitig auf sind, geht draußen eine Warnlampe an, wenn die Tür zum Zuchtraum geöffnet ist. Sobald die Außentür geöffnet wird, verriegelt die Innentür magnetisch.

Im Vorraum leuchtet eine UV-Lampe. Joachim Moeser holt Schutzanzüge aus einer Kühltruhe. „Da müssen alle Gegenstände aus dem Zuchtraum, auch Müll, für drei Wochen rein, ehe sie entfernt werden können“, erklärt er. Die Schutzanzüge sollen verhindern, dass evtl. entwischte Käfer über Kleidung oder Haare raus getragen werden. Licht aus, damit kein Tier zum Licht fliegen kann, wenn jetzt die Tür aufgeht.

Ein Raum mit mehreren Miniaturzelten, in denen es von Käfern wimmelt. Etwa 1500 Käfer befinden sich in jedem dieser Zelte. Joachim Moeser nimmt ein paar junge Maisblätter und schiebt seine Hand durch eine Schleuse ins Zeltinnere. Die Käfer werden sowohl mit Pflanzenstücken von Mais, als auch mit künstlichem Futter, der u.a. einen Pollenersatzstoff enthält, den auch Imker benutzen, ernährt. Die Tiere für die Zucht wurden in Österreich und Italien in Befallsgebieten gesammelt. Zusätzlich wurden auch Eier von amerikanischen Populationen genutzt. Das Ziel der Zucht ist vor allem die Produktion von Eiern, die in den Versuchen eingesetzt werden.

Geeignete Pflanzen

Um herauszufinden, welche Pflanzen überhaupt als alternative Wirtspflanze für die Larven des Maiswurzelbohrers in Frage kommen, wurde ein Bioassay-Test entwickelt. Jeweils eine Larve wird zusammen mit Wurzelstücken der zu testenden Pflanzen in ein Glasröhrchen gesetzt. Die untere Hälfte ist gefüllt mit Gips als Feuchtigkeitsspender, die andere Hälfte mit Vermiculit, einem Aluminium-Silikat, das zur Bodenauflockerung genutzt wird. Getestet wurde eine Auswahl von Wildgräsern und einkeimblättrigen Nutzgräsern, die als Durchwuchs in Maisfeldern wachsen können, wie z.B. Winterweizen. Nach jeweils sechs Tagen wurde nachgeschaut, wie viel die Larven gefressen hatten und wie sie das Futter umsetzen konnten in messbares Körpergewicht. Am besten geeignet als alternative Futterpflanzen waren Flughafer (Avena fatua), Borstenhirse (Setaria glauca), Roggen und Winterweizen. Mit diesen Pflanzen werden nun weitere Versuche gemacht.

Mikrohabitat im Container

In einem Gewächshaus stehen mehrere große, 550 Liter fassende Container, bis zur Hälfte mit Erde gefüllt und bepflanzt. Hier werden in so genannten Mikrohabitaten feldähnliche Bedingungen simuliert. Bt-Mais wächst zusammen mit verschiedenen alternativen Wirtspflanzen. Die Versuchsanordnung ist so, dass zwischen zwei äußeren Reihen Bt-Mais jeweils eine Reihe mit einer anderen Pflanzenart wächst. Im Moment ist das in einem Container Borstenhirse, in einem anderen Winterweizen. Weizen und Hirse, die entsprechend den üblichen Aussaatzeiten vier Wochen vorgezogen wurden, sind momentan höher gewachsen als der Mais, der aber bald aufholen wird. Wenn der Mais sechs Wochen alt ist, werden etwa 120 Eier aus der Diabrotica-Zucht pro Pflanze in die Erde zwischen den Reihen gegeben. Daraus werden Larven schlüpfen und sich über die Wurzeln von Mais oder Hirse bzw. Weizen hermachen. Nach zwanzig Tagen werden die Pflanzen mitsamt Wurzelballen aus der Erde entnommen.

„Die restliche Erde muss natürlich dekontaminiert werden, d.h. evtl. verbliebene Larven müssen abgetötet werden.“ Joachim Moeser zeigt auf eine fahrbare Apparatur, die im Wesentlichen aus einem großen metallenen Kessel besteht. Die Erde wird darin bei plus achtzig Grad gedämpft und kann dann wieder verwendet werden.

Es sind noch weitere Versuche geplant, sowohl Versuche mit weiteren Pflanzen - auf jeden Fall noch mit Roggen und evtl. mit Flughafer - aber auch verschiedene Anordnungen, z.B. die alternativen Wirtsflanzen nicht mittig zwischen den Maisreihen, sondern direkt zwischen den Bt-Pflanzen. Zur Kontrolle soll es auch Container nur mit Bt-Mais geben.

Larven zählen, messen, wiegen

Um die Larven aus den Wurzelballen heraus zu bekommen, gibt es eine erfindungsreiche Konstruktion, die Kempson-Extraktionsanlage. Die Wurzelballen werden in Behälter gelegt, deren Böden aus einem offenen groben Gitter bestehen, das noch mit einem feineren Netz abgedeckt wird. Darunter kommen die gleichen Behälter mit geschlossenen Böden und Wasser darin. Beide zusammen werden in die Anlage gestellt, wo sie oben von Lampen gewärmt und unten von kaltem Wasser gekühlt werden. Von der Wärme trocknet die Erde aus, die Larven wandern in Richtung kühle Feuchte und fallen so durch das Netz. Dann werden sie gezählt und das Larvenstadium anhand des Kopfkapseldurchmessers bestimmt. Maximal zehn Larven pro Larvenstadium werden dann noch weiter untersucht. Es wird das Gesamtgewicht sowie die Kopfkapselbreite der Larven bestimmt. So kann für die einzelnen Pflanzen festgestellt werden, wie viele Larven an ihnen geschlüpft sind, überlebt haben und wie gut sie sich an dieser Pflanze ernähren konnten.