Gentechnisch veränderte Bäume

„In der Diskussion um gentechnisch veränderte Bäume sollten die Vorteile auch berücksichtigt werden.“

Gentechnisch veränderte (gv-)Bäume werden seit 1986 entwickelt. Mehr als 700 Versuchsfreisetzungen fanden bisher statt. Doch wie sicher sind transgene Bäume, welche Erfahrungen liegen bisher vor? Biosicherheit sprach darüber mit Matthias Fladung vom Johann-Heinrich von Thünen-Institut (vTI).

Dr. Matthias Fladung ist Leiter des Forschungsbereiches Genomforschung und Stellvertretender Institutsleiter am Institut für Forstgenetik des Johann-Heinrich von Thünen-Institutes (vTI). Im Rahmen eines BMBF-Projektes überprüft er neue Methoden zur Verhinderung der Ausbreitung von gentechnisch veränderten Bäumen.

Zwei gv-Bäume werden bisher kommerziell angebaut:
Insektenresistente Pappeln in China. In China werden seit 15 Jahren auf mittlerweile einer Fläche von ca. 500 Hektar 1,4 Millionen Bt-Pappeln angebaut. Die gentechnisch veränderten Bäume sollen ein „grünes Schild“ gegen die sich ausdehnenden Wüsten bilden und enthalten als Schutz vor Schadinsekten ein Bt-Toxin. Großflächige Abholzungen haben in der Vergangenheit dazu geführt, dass Wüsten bis kurz vor die Hauptstadt Peking vorgerückt sind.
Virusresistente Papaya-Bäume auf Hawaii. Die Verbreitung einer Viruserkrankung (Papaya Ringspot-Virus) auf Hawaii seit 1992 führte zu einem Einbruch der Papayaproduktion um mehr als 50 %. Mit der Einführung der virusresistenten gv-Papaya erholte sich die Produktion deutlich.

Die bisher entwickelten gentechnisch veränderten Bäume haben neue Eigenschaften wie Kältetoleranz, Insektenresistenz, Virusresistenz oder veränderte Holzeigenschaften, etwa einen reduzierten Ligningehalt. Die gv-Bäume sollen die Produktion von nachwachsenden Rohstoffen und Biotreibstoffen effizienter und umweltverträglicher machen. Doch verstärkt regt sich auch Widerstand gegen die Freisetzung von gv-Bäumen. Bei den UN-Konferenzen zur Biologischen Sicherheit (COP MOP) wurden Forderungen nach höheren regulatorischen Hürden für Freisetzungen laut. Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) bezeichnete die langfristigen Folgen des Anbaus von gentechnisch veränderten Bäumen als unabsehbar für Natur und Umwelt und verweist auf eine im Dezember 2010 erschienene Studie des Vereins Testbiotech.

bioSicherheit: Gentechnik-Kritiker bezeichnen die Freisetzung transgener Bäume als unkalkulierbares ökologisches Risiko. Welche negativen ökologischen Auswirkungen hat man bei transgenen Bäumen bisher wissenschaftlich nachweisen können?

Matthias Fladung: Gentechnisch veränderte Bäume werden bereits seit mehr als zwanzig Jahren im Freiland getestet. Wissenschaftlich konnten bisher keine konkreten Umweltgefahren durch gv-Bäume belegt werden. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass durch gv-Bäume die Artenvielfalt oder die menschliche Gesundheit negativ beeinflusst werden. Es gibt bislang auch keine Hinweise auf einen horizontalen Gentransfer der übertragenen Gene auf Bodenpilze. Die neuen Gene in den Bäumen waren in allen Untersuchungen stabil und unerwartete Effekte durch die gentechnische Modifikation bei den Bäumen nicht feststellbar. Das ist das Ergebnis unserer Auswertung der weltweit öffentlich zugänglichen Studien zu diesem Thema, das wir im letzten Jahr im Fachmagazin Nature Biotechnology veröffentlicht haben. Selbst kritische Studien wie die im Dezember letzten Jahres veröffentlichte Studie vom Verein Testbiotech kommen zu dem Schluss, dass es keinen wissenschaftlichen Nachweis negativer Auswirkungen gibt. Die dort beschriebenen Risiken sind durchweg postuliert und ohne wissenschaftliche Belege.

bioSicherheit: Sind Sorgen denn nicht prinzipiell berechtigt, wenn gv-Bäume sich unkontrolliert ausbreiten würden? Im Gegensatz zu Kulturpflanzen wie Mais oder Raps handelt es sich ja bei Bäumen um besonders langlebige Organismen. Und der Wald ist im Gegensatz zum Acker ein besonders komplexes Ökosystem, das geschützt werden muss.

Matthias Fladung: Da haben Sie völlig Recht. Eine Ausbreitung von gv-Bäumen in Wäldern muss aus unserer derzeitigen Sicht unterbunden werden. Da gibt es einen klaren Konsens unter allen beteiligten Wissenschaftlern. Das ist auch das Ziel unserer am Vorsorgeprinzip orientierten Biosicherheitsforschung an gv-Bäumen. Kein gv-Baum soll ohne vorherige umfassende Sicherheitsbewertung in Verkehr gebracht werden.

bioSicherheit: Aber in China wurden mehr als eine Million gentechnisch veränderte Bäume ausgepflanzt. Ist das nicht ein Widerspruch?

Matthias Fladung: Die Situation in China ist wohl eine besondere. Hier ging es um eine rasche Aufforstung mit schnell wachsenden Pappeln. Die Pappeln sollen als Schutzgürtel die zunehmende Ausbreitung von Wüstengebieten verhindern. Schadinsekten haben dort herkömmliche Pappeln stark geschädigt. Erst mit insektenresistenten Bt-Pappeln gelang die Aufforstung. Nach den vorliegenden Informationen wurden sterile gentechnisch veränderte Bäume ausgepflanzt. Es gibt bisher keine Belege für eine Ausbreitung dieser Bäume außerhalb der Anbauflächen. Zu kritisieren ist aber, dass es zu Beginn in China unkontrollierte Freisetzungen gegeben haben könnte. Mittlerweile sind die Sicherheitsauflagen jedoch auch in China verstärkt worden.

bioSicherheit: Insektenresistente gv-Bäume könnten einen Fitness-Vorteil gegenüber herkömmlichen Bäumen haben und konventionelle Bäume bei unkontrollierter Ausbreitung verdrängen. Wie geht die Wissenschaft praktisch mit solchen Risiko-Szenarien bei gentechnisch veränderten Bäumen um?

Matthias Fladung: Der Plantagen-Anbau von gentechnisch veränderten Bäumen außerhalb von Wäldern ist hier eine Möglichkeit. Um eine Ausbreitung dieser Bäume in Wälder zu verhindern, können zusätzlich verschiedene Containment-Systeme eingesetzt werden.

bioSicherheit: Wie sehen solche Containment-Systeme aus?

Matthias Fladung: Die Plantagenkultur als solche ist bereits eine Form des Containments. Die Bäume wachsen dort isoliert fünf bis sieben Jahre bis sie abgeholzt werden. Eine vegetative Ausbreitung der Bäume durch die so genannte Wurzelbrut kann leicht verhindert werden, z.B. durch einen Graben um die Plantage und regelmäßige Kontrollen. Die Ausbreitung über Wurzelbrut ist zudem sehr langsam und daher leicht zu kontrollieren. Um die Ausbreitung über Pollenflug und Samen zu verhindern, gibt es weitere Möglichkeiten. Man kann sterile Bäume verwenden, die durch Kreuzung verschiedener Genotypen einer Art erzeugt werden. Eine Möglichkeit ist auch, nur weibliche Bäume anzubauen, die keinen Pollen erzeugen.

bioSicherheit: Sie arbeiten auch an der Entwicklung von sterilen Bäumen, die mit gentechnischen Methoden erzeugt werden. Was ist hier der Vorteil ?

Matthias Fladung: Mit gentechnischen Methoden können sterile Bäume schneller erzeugt werden. Gerade bei Bäumen ist der konventionelle Züchtungsweg besonders langwierig. Mit gentechnischen Methoden können wir sehr unterschiedliche Dinge erreichen: Wir könnten z.B. den ersten Blühzeitpunkt von Bäumen deutlich verzögern. Solche Bäume kämen dadurch im Plantagenanbau bis zur Abholzung nicht zur Blüte. Außerdem werden dadurch die Bäume produktiver und erzeugen mehr Biomasse in Form von Holz. Denn Bäume investieren normalerweise eine große Menge Energie in die Blüten- und Samenentwicklung.
Mit einem eigenen Projekt verfolgen wir ein weiteres Ziel: Gentechnisch veränderte Bäume, deren Pollen nicht mehr die gentechnische Veränderung enthalten. Diese Bäume schneiden bei der Pollenbildung die neuen Gene aus ihrem Erbgut selbstständig aus. Damit haben wir ein effektives Confinement-System und gleichzeitig kommen die Bäume ganz normal zur Blütenbildung. Tiere, die auf Pollen und Nektar der Baumblüten angewiesen sind, haben in solchen Baum-Plantagen weiterhin eine Nahrungsgrundlage.

bioSicherheit: Vor gv-Bäumen wird gewarnt, weil solche Bäume genetisch instabil sein könnten und unerwartete Effekte eintreten könnten. Als Beleg wird z.B. in der Testbiotech-Studie auf Freisetzungsversuche hingewiesen, die Sie Ende der 90er Jahre in Deutschland mit Pappeln durchgeführt haben. Die Bäume hätten unter Freilandbedingungen viel früher als erwartet zu blühen begonnen.

Matthias Fladung: Diese selbsternannten Experten sollten sich besser einmal vor Ort über die wahren Begebenheiten informieren. Es wundert mich nämlich sehr, dass gerade dieser Versuch als Beleg für unerwartete Effekte bei gv-Bäumen herangezogen wird. Untersucht wurde, ob ein neu eingeführtes Gen über einen längeren Zeitraum und unter dem Einfluss der Umwelt genetisch stabil bleibt. Es war auch bereits bekannt, dass das neu eingeführte Gen bei Kartoffeln den Blühzeitpunkt verändern kann. Entsprechend haben wir im Freisetzungsantrag für die Pappeln auf diesen Sachverhalt hingewiesen. Der veränderte Blühzeitpunkt war somit kein unerwartetes Ereignis. Zusätzlich zeigte sich, dass das neu eingeführte Gen keine Instabilität aufwies. Während der fünfjährigen Freisetzungsversuche blieb das Gen und die damit verbundene Eigenschaft stabil. Heute haben wir diese Pflanzen immer noch in in vitro-Kultur, das eingeführte Gen ist auch nach mittlerweile 17 Jahren immer noch stabil.

bioSicherheit: Was spricht aus ihrer Sicht für den Anbau von gentechnisch veränderten Bäumen?

Matthias Fladung: Die Diskussionen über ein Ja oder Nein zum Anbau von gv-Bäumen müssen zwei Seiten haben. Einerseits müssen die möglichen Risiken wissenschaftlich und fallspezifisch bewertet werden. Aber auch die Vorteile von gv-Bäumen sollten in dieser Diskussion berücksichtigt werden. Gentechnisch veränderte Bäume können helfen, den steigenden Bedarf an nachwachsenden Rohstoffen und Treibstoffen zu decken. Die Produktivität muss auch bei Bäumen nicht nur erhalten, sondern auch gesteigert werden. Plantagen mit gentechnisch veränderten Bäumen könnten sehr effizient zur ökologisch vertretbaren Produktion von nachwachsenden Rohstoffen und Bioethanol genutzt werden, denn Bäume haben eine deutlich höhere Energiekonversationsrate als beispielsweise Mais- oder Weizenkulturen. Und wir sollten nicht außer Acht lassen, dass der bereits eingesetzte Klimawandel den Wäldern Probleme bereiten könnte, was zukünftig eine sichere Verfügbarkeit des Rohstoffes Holz in Frage stellt. Letztlich kann langfristig gesehen die Etablierung von gv-Baumplantagen überall auf der Erde den enormen Druck von den tropischen Urwäldern nehmen.

bioSicherheit: Freilandversuche werden von einigen Umweltorganisationen sehr kritisch gesehen. Gibt es Alternativen dazu?

Matthias Fladung: Meine Ausführungen machen deutlich, dass die sichere Verwendung von gv-Bäumen ökologisch sehr sinnvoll ist und damit ein Beitrag zum Umweltschutz geleistet wird. Das müsste eigentlich doch gerade die Umweltverbände freuen. Freisetzungen sind für eine Sicherheitsbewertung von gv-Bäumen unentbehrlich. Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass Gewächshausergebnisse nicht per se auf das Freiland zu übertragen sind. Bei kleinflächigen Freisetzungen sind, wie bereits gesagt, keine negativen Umweltwirkungen festgestellt worden. Wir können nur dann mehr über ökologische Wechselwirkungen erfahren, wenn wir auf größeren Flächen gentechnisch veränderte Bäume freisetzen und untersuchen. Für diesen Erkenntnisgewinn im Rahmen der biologischen Sicherheitsforschung gibt es aus meiner Sicht keine Alternative.

bioSicherheit: Vielen Dank für das Gespräch

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