Pappel als nachwachsender Rohstoff

„Von der genetischen Seite her ist das Potenzial riesig.“

Pappeln gehören zu den schnell wachsenden Gehölzen. In nur einem Jahr können sie bis zu vier Meter höher werden. Das macht sie als Lieferanten für nachwachsende Rohstoffe interessant. Pappelholz gewinnt als Rohstoff für die Papierherstellung und als klimafreundlicher und kostengünstiger Brennstoff zunehmend an Bedeutung. Die gesteigerte Nachfrage stellt Wirtschaft und Wissenschaft vor neue Herausforderungen.

Lassen sich Hektarerträge und Nutzungsformen von Holzrohstoffen züchterisch noch erweitern? Welche Eigenschaften spielen eine Rolle und welches Potenzial bieten gentechnische Methoden? BioSicherheit sprach mit Dr. Matthias Fladung über die Bedeutung der Gentechnik in der Pappelzucht und die damit verbundenen Anforderungen an die biologische Sicherheitsforschung.

PD Dr. Matthias Fladung, Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft, Institut für Forstgenetik und Forstpflanzenzüchtung, Großhansdorf bei Hamburg.

bioSicherheit: Welche Bedeutung haben Pappeln als nachwachsende Rohstoffe in Deutschland? Wie ist der aktuelle Stand der Forschung?

Matthias Fladung: Die Pappel erfährt in den letzten Jahren eine Art Renaissance. Sie ist schnellwachsend, leicht zu pflanzen und das Holz hat eine gute Qualität. Pappeln werden gerade im Zusammenhang mit der Papierherstellung als Beimischung zu Fichtenholz gern genommen. Deswegen gibt es in den letzten Jahren Bestrebungen, den Pappelanbau zu forcieren. Was fehlt ist die Genetik, die Züchtung. Im Bereich Pappelzüchtung wurde in Deutschland seit Ende der 80er Jahre kaum gearbeitet, weil die Nachfrage nach Holz, besonders Pappelholz, nicht mehr so groß war. Es gibt heute noch eine ganze Menge Züchtungsmaterial das vor 20, 30 Jahren selektiert wurde, außerdem einige Sorten, die aber den damaligen Bedürfnissen entsprachen. Für heutige Anforderungen wurden aber keine Sorten entwickelt.

bioSicherheit: Welche Merkmale spielen eine Rolle, wenn es darum geht, Pappeln als nachwachsende Rohstoffe zu optimieren und den Anbau wirtschaftlicher zu machen? Gibt es hier überhaupt noch Spielraum?

Matthias Fladung: In der klassischen Züchtung ging und geht es primär um Massenleistung. Man versucht, Wuchsgeschwindigkeit und Holzbildung zu optimieren und natürlich Resistenzen zu erzeugen, hauptsächlich gegen Pilze. Verglichen mit landwirtschaftlichen Kulturarten stehen wir bei Pappeln allerdings noch am Anfang des Züchtungsprozesses. Landwirtschaftliche Sorten, egal ob Mais, Raps, Weizen oder Kohlsorten wurden über Jahrzehnte züchterisch optimiert – Pappeln nicht. Das ist einfach bedingt durch die viel längeren Generationszeiten von Bäumen.

bioSicherheit: Gentechnische Methoden eröffnen der Pflanzenzüchtung ein weites Feld neuer Möglichkeiten. Welche Ansatzpunkte gibt es hier?

Matthias Fladung: Zur Zeit wird intensiv an der Übertragung von Genen gearbeitet, die etwa Resistenzen gegen Insektenfraß oder Pilze verleihen. Es geht auch um eine Veränderung des Ligningehaltes im Hinblick auf die Papierherstellung, eine Steigerung des Wachstums oder veränderte Blüheigenschaften von Bäumen, um so Auskreuzung zu verhindern. Dann natürlich die verschiedenen Toleranzen gegen Temperaturschwankungen, hohen Salzgehalt oder Trockenheit. Auch Phytoremediation, also die Säuberung schwermetallbelasteter Böden mit Hilfe von Pflanzen wie Pappeln, spielt eine Rolle. Letztlich könnte ich mir vorstellen, dass Pappelholz auch für die Produktion von modernen Biomass-to-Liquid Kraftstoffen interessant wird, wenn es gelingt, den Konversionsschritt in diese Kraftstoffe zu optimieren, indem Pappeln die dafür notwendigen chemischen Substanzen selbst produzieren.

bioSicherheit: Könnte man einige dieser Eigenschaften nicht auch durch konventionelle Züchtung erreichen? Welchen Vorteil bietet die Gentechnik?

Matthias Fladung: Ich will nicht sagen, dass dies grundsätzlich nicht möglich wäre. Man sieht ja, was bei Krautpflanzen, Mais, Kohl, Weizen und so weiter, mit konventioneller Züchtung erreicht wurde. Das Problem bei Bäumen sind einfach die langen Generationszeiten. Bis ein Baum zum ersten Mal blüht, wenn er gekeimt ist, vergehen mindestens acht bis zehn Jahre, bei Pappeln etwas eher, eine Fichte blüht sogar erst nach 20 bis 30 Jahren. Dann müssen Sie die entsprechenden Optimierungen machen, sie müssen Anbauversuche machen, und schließlich wieder Rückkreuzungen. Das sind Zeiträume, da können Sie im Rahmen eines Wissenschaftlerlebens vielleicht zwei, dreimal kreuzen und das war’s. Mit Hilfe der Gentechnik können Sie die langen Generationszeiten erheblich reduzieren, indem Sie entweder sogenannte Frühblüh-Gene übertragen oder gezielt Gene, die für bestimmte Eigenschaften kodieren, in die Pflanze übertragen.

bioSicherheit: Bevor Sie die gewünschten Eigenschaften in Pappeln erzeugen können, müssen die zugrunde liegenden Gene im Erbgut zunächst identifiziert und isoliert werden. Wie ist hier der Stand der Forschung?

Matthias Fladung: Im Jahr 2004 wurde die Sequenz der Amerikanischen Balsampappel, Populus trichocarpa, vollständig entschlüsselt. Man muss wissen, dass die Pappel damit nach Ackerschmalwand und Reis die dritte Pflanzen- und erste Baumart ist, deren Genom nun bekannt ist. Die Sequenz des Pappelgenoms liegt also vor. Wir können das Buch lesen, aber mit dem Verstehen hapert es noch ein wenig. Momentan sind weltweit die Anstrengungen sehr hoch, um die Buchstaben zu verstehen und in Worte zu fassen. Es wird viele neue Erkenntnisse geben, die man dann entsprechend nutzen kann, davon bin ich überzeugt.

bioSicherheit: Im Rahmen der biologischen Sicherheitsforschung haben Sie sich mit den möglichen Umweltwirkungen gentechnisch veränderter Gehölze beschäftigt. Welche spezifischen Sicherheitsfragen sind beim Anbau gentechnisch veränderter Pappeln zu beachten?

Matthias Fladung: Ganz oben steht Verhinderung eines vertikalen Gentransfers, also die Übertragung der eingeführten Gene in die nächste Generation. Die Pflanzen dürfen entweder gar nicht blühen oder zumindest keine fertilen Blüten ausbilden. Weiterhin spielt eine Rolle: geringe oder am besten keine vegetative Ausbreitungskapazität. Pappeln neigen dazu, sich über Wurzelbrut zu vermehren und zu verbreiten. Und letztlich gibt es noch den horizontalen Gentransfer, also die mögliche Ausbreitung von Transgenen über Artgrenzen hinweg. Diesen Aspekt haben wir auch in zwei Projekten untersucht, aber keine Hinweise gefunden, dass wir wirklich davor Angst haben müssten. Wir können es zwar nicht hundertprozentig ausschließen, aber unsere Untersuchungen zeigen, dass es auf jeden Fall nicht eine der zentralen Sicherheitsfragen darstellt. Außerdem ist im Zusammenhang mit der Langlebigkeit der Gehölze natürlich auch die Stabilität der Genexpression zu berücksichtigen. Wenn man mit einem gentechnischen Ansatz die Blütenbildung unterdrückt, muss man schon sicher sein, dass das auch tatsächlich dauerhaft funktioniert.

bioSicherheit: Noch finden gentechnisch veränderte Bäume bei uns in der Forstwirtschaft keine Anwendung. Gehen Sie davon aus, dass sich das in naher Zukunft ändert?

Matthias Fladung: Die klassische Forstwirtschaft wird keine gentechnisch veränderten Bäume in ihren Wald stellen, dafür sind die Widerstände einfach zu groß. Allerdings könnten schnellwachsende Bäume wie Pappeln für Landwirte eine Alternative auf dem Acker sein, wenn die Stilllegungsprämie wie geplant wegfällt. Sie können riesige Flächen bestücken, die Bäume über einige Jahre wachsen lassen und eine Investition tätigen, von der sie in einem überschaubaren zeitlichen Rahmen profitieren. Zumindest die normal gezüchteten Sorten werden in absehbarer Zeit für Landwirte eine Alternative darstellen. Ob gentechnisch veränderte Bäume auch in den Markt hinein kommen, ist allerdings fraglich.

bioSicherheit: Die Umweltsicherheit gentechnisch veränderter Gehölze steht im Kreuzfeuer öffentlicher Diskussionen. Können Sie sich, langfristig gesehen, eine Akzeptanz überhaupt vorstellen?

Matthias Fladung: Ich denke, wenn man gentechnisch veränderte Pflanzen produziert, die nicht in die Nahrungskette gelangen können, dann ist eine gewisse Akzeptanz in der Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen. Es muss aber auch glaubhaft sichergestellt werden, dass für natürliche Ökosysteme, wo Gehölze im Gegensatz zu den Kulturpflanzen auf natürliche Verwandte treffen, keine Kontamination des Genpools mit den Transgenen erfolgt. Die Ergebnisse in dem von uns koordinierten BMBF-Biosicherheit-Verbund zu Umweltwirkungen transgener Gehölze haben gezeigt, dass tatsächlich eine Sterilität induziert werden kann. Nun steht es an, die Zuverlässigkeit dieser Sterilitätssysteme zu überprüfen. Hier ist auf jeden Fall noch Forschungsbedarf.

bioSicherheit: Bringen gentechnisch veränderte Pappeln, über die wirtschaftlichen Aspekte hinaus, auch andere Vorteile mit sich?

Matthias Fladung: Ja, besonders wenn ich an Lignin denke. Haben Sie schon mal eine Zellstofffabrik besucht? Als erstes, wenn Sie da hinkommen, bemerken Sie einen unangenehmen Geruch. Dem Holz werden aggressive Chemikalien beigefügt, um das Lignin vom Zellstoff zu trennen. Abwässer und Säuren belasten die Umwelt, die umliegenden Bäche sind zu warm. Das sind ökologische Probleme die man zwar heute durch ein paar verbesserte Methoden zur Zellstoffgewinnung reduziert hat, aber nichts desto trotz sind und bleiben Zellstofffabriken einfach eine Umweltsünde. Der Bedarf an Papier ist aber höher denn je. Wenn es also gelingt, das Holz so aufzubereiten, dass das Lignin leichter entfernt werden kann, nicht mehr mit so aggressiven Chemikalien, nicht so energieintensiv, dann ist das einfach ein Beitrag zum Umweltschutz.

bioSicherheit: Fazit: Viel Potenzial und viel Forschungsbedarf?

Matthias Fladung: Ja, Forschungsbedarf sowieso, das wird nie am Ende sein. Das Potenzial ist riesig, und es gibt nicht so viele Arbeitsgruppen die an Pappeln arbeiten – entsprechend ist auch der Fortschritt nicht so groß. In Zukunft wird aber etwas passieren – wenn nicht in Deutschland, dann im Ausland. Derzeit gibt es Versuche in Nordamerika zur Ligninreduktion, in Europa hatten wir in Frankreich einen Freisetzungsversuch. Da ist ganz klar rausgekommen, dass die Low-Lignin-Pappeln keine Nachteile in der Umwelt aufzeigen, nicht anfälliger waren gegen Windwurf, oder pilzanfälliger. In fünf bis zehn Jahren werden wir sicherlich weitere Ergebnisse erhalten, so dass wir sagen können, ob es Sinn macht, mit Low-Lignin-Pflanzen in die Natur zu gehen oder eben nicht. Das ist einfach eine Frage der Zeit. Auch in Deutschland werden wir uns langfristig davor gar nicht verschließen können.

bioSicherheit: Vielen Dank für das Gespräch.