Neue molekularbiologische Ansätze in der Apfelzüchtung

„Es funktioniert genau so wie in der klassischen Apfelzüchtung. Nur in kürzerer Zeit.“

Für die Apfelzüchtung ist die Gentechnik vor allem deshalb eine interessante Methode, weil sie den langwierigen, mehrere Jahrzehnte umspannenden Züchtungsprozess erheblich beschleunigen kann. Da die Verbraucher insbesondere in Europa aber keine gentechnisch veränderten Äpfel wollen, konzentriert sich die Forschung zunehmend auf Ansätze, bei denen zwar die Gentechnik im Züchtungsprozess eine Rolle spielt, die Pflanze am Ende aber nicht transgen ist. Und wenn schon gentechnisch verändert, dann aber vorzugsweise mit apfeleigenen Genen. BioSicherheit sprach mit Henryk Flachowsky vom Institut für Züchtungsforschung an gartenbaulichen Kulturen und Obst über Forschungsschwerpunkte und die Arbeiten am Institut in Dresden-Pillnitz.

Henryk Flachowsky vom Institut für Züchtungsforschung an gartenbaulichen Kulturen und Obst, Julius-Kühn-Institut (JKI), Dresden-Pillnitz

blühende Apfelbäume

Früh blühende transgene Apfelpflanzen im Gewächshaus

Apfelblüte

Apfelblüte schon im ersten Jahr nach der Aussaat

sich entwickelnde Apfelfrucht

Die Apfelfrucht entsteht aus dem Blütenboden

Resistenz gegenüber neuen Krankheitserregern oder neuen Rassen bekannter Erreger ist eines der vorrangigen Ziele in der Obstzüchtung. Aber auch an der Verbesserung der Fruchtqualität wird gearbeitet. Wissenschaftler aus Neuseeland z.B. wollen die Bildung von Flavonoiden in der Apfelfrucht beeinflussen, denen man gesundheitsfördernde Wirkung nachsagt. Kanadische Wissenschaftler bemühen sich um die Erzeugung nicht-bräunender Äpfel für die industrielle Verwendung. Und mit der Diskussion um den Klimawandel rücken auch Eigenschaften wie Toleranz gegenüber Wassermangel oder Salz zunehmend ins Blickfeld.

Nach den Vorteilen der Gentechnik befragt, kommt die Antwort von Henryk Flachowsky prompt: Gentechnik habe den Vorteil, dass man am Markt etablierte Sorten gezielt in einzelnen Eigenschaften verändern kann. Mit herkömmlichen Züchtungsmethoden geht dies nicht, da die Erbinformationen beider Eltern bei jeder Kreuzung neu kombiniert werden. Rund 35.000 Gene habe der Apfel, da seien die möglichen Neukombinationen erheblich und das Ergebnis einer solchen Kreuzung nur bedingt vorhersagbar. „Wenn dagegen einzelne Gene gezielt übertragen werden, weiß man, jede Veränderung hat mit der Übertragung dieses Gens zu tun. Die Sorte bleibt auf diese Weise im Wesentlichen erhalten.“

Einen weiteren großen Vorteil der Gentechnik sieht Henryk Flachowsky darin, dass der Züchtungsprozess erheblich verkürzt werden kann. Mit klassischen Züchtungsmethoden dauert die Entwicklung einer Neuzüchtung wenigstens zwanzig bis 25 Jahre. Wenn bei neuen Problemen im Obstbau die Gene für gewünschte Eigenschaften nicht im Genpool gängiger Sorten zu finden sind und die Züchter auf Wildarten zurückgreifen müssen, können daraus auch schon mal vierzig oder gar siebzig Jahre werden.

„Feuerbrand z.B., da gibt es nur wenige Sorten, die eine gewisse Widerstandsfähigkeit haben. Diese spielen aber im Erwerbsobstbau keine Rolle,“ gibt Henryk Flachowsky zu bedenken. Resistenzgene seien in der Regel nur in Wildarten zu finden, die aber haben sehr kleine Früchte. Kreuzt man sie mit gängigen Apfelsorten, dann sind sechs bis sieben Rückkreuzungsschritte nötig für eine neue Apfelsorte, die eine gute Fruchtqualität hat. Um eine wirksame Resistenz zu erzeugen, ist es außerdem sinnvoll, verschiedene Resistenzgene zu kombinieren, damit Krankheitserreger die Resistenz nicht so leicht wieder überwinden können.

Gentechnik mit Genen aus dem Apfel

Grundsätzlich ist es mit gentechnischen Methoden möglich, Gene auch aus anderen Organismen in Apfelpflanzen zu übertragen. So verbuchen Wissenschaftler der Universität Wageningen erste Erfolge mit Apfelschorf-resistenten Äpfeln der Sorten „Golden Delicious“ und „Elstar“, in die sie ein Gen aus Gerste eingeführt haben. Aber gerade wenn es um die Resistenz gegenüber Krankheitserregern geht, wird bei der Übertragung von Resistenzgenen zunehmend auch auf apfeleigene Gene zurückgegriffen.

Für erste Ansätze sei man soweit, dass einzelne Gene aus Apfelsorte A in Apfelsorte B übertragen werden könnten und dass dann ausschließlich apfeleigene DNA in der neuen Sorte sei wie bei der klassischen Züchtung auch, erläutert Henryk Flachowsky. Zurzeit sei es zwar nur bedingt möglich, auch den Ort der Integration zu bestimmen, aber es gebe erste Versuche, Gene an einer bestimmten Position durch ein Gen mit effektiverer Wirkung auszutauschen. Auch viele krankheitsanfällige Apfelsorten tragen nämlich Resistenzgene und zwar oft an der gleichen Position im Genom wie resistente Sorten. Häufig sind diese Gene jedoch im Laufe der Evolution geringfügig in ihrer DNA-Sequenz verändert worden, wodurch sie ineffektiv gegenüber einzelnen Rassen des Erregers geworden sind.

Mit Hilfe von Genen aus Wildäpfeln krankheitsresistente Apfelsorten zu erzeugen, daran arbeiten Wissenschaftler verschiedener internationaler Forschungsinstitute z.B. der Universität Wageningen in den Niederlanden oder auch der ETH in Zürich. Auch in Pillnitz werden solche „cisgen“ genannten Ansätze verfolgt. Dabei spielt die Entwicklung neuer Sorten vorerst noch eine untergeordnete Rolle. Henryk Flachowsky betont, dass es in erster Linie um Grundlagenforschung gehe und die Überprüfung von solchen Verfahren. Das sei im Übrigen bei einem Großteil der Forschungsvorhaben so. Zunächst müsse man die Funktion einzelner Gene verstehen, Stoffwechselwege aufklären und schließlich geeignete Gene z.B. für Krankheitsresistenz finden und isolieren. Schon bald könnte man da einen Schritt weiter sein, denn das erste Apfel-Genom der Sorte „Golden Delicious“ ist inzwischen sequenziert und soll noch in diesem Jahr publiziert werden. Mithilfe dieser Sequenzdaten wird man genauere Informationen zum Ort und zum Umfeld einzelner Gene erhalten.

Apfelpflanzen schneller zur Blüte bringen

Bis eine Apfelpflanze das erste Mal blüht, dauert es sechs bis zehn Jahre. Somit können die Früchte von Sämlingen nach einer Kreuzung frühestens nach sechs Jahren bewertet werden. Das hat zur Folge, dass auch der nächste Züchtungsschritt erst nach dieser Zeit möglich ist. In Pillnitz ist es nun gelungen, Pflanzen zu entwickeln, die durch die Übertragung eines Gens aus der Birke bereits im ersten Jahr nach der Aussaat blühen. Diese früh blühenden Apfelpflanzen werden in einem konventionellen Züchtungsprozess eingesetzt. „Die Überlegung dabei ist,“ erläutert Henryk Flachowsky, „wenn diese transgenen Pflanzen für die Kreuzung verwendet werden, dann sind fünfzig Prozent der Nachkommen transgen, werden also früh blühen. Wenn dann zusätzlich ein Resistenzgen eingekreuzt wird, haben auch fünfzig Prozent der Nachkommen dieses Resistenzgen, ein Viertel der Nachkommen hat beides. Aus diesem Viertel wird ein Sämling zur Rückkreuzung ausgewählt. Das wird in mehreren Schritten wiederholt bis die Fruchtqualität der Sämlinge ein bestimmtes Niveau erreicht hat. Am Ende des Zuchtprozesses werden dann Sämlinge weitergenutzt, die resistent sind und eine gute Fruchtqualität aufweisen, aber nicht mehr transgen sind. Es funktioniert also genau wie bei der klassischen Züchtung, nur in kürzerer Zeit.“

Um den Züchtungsprozess zusätzlich zu beschleunigen, wird mit molekularen Markern gearbeitet, d.h. nicht erst die ausgewachsenen Pflanzen werden nach ihrem Erscheinungsbild bewertet, sondern die Apfelsämlinge schon in einem frühen Stadium molekular auf bestimmte Gene hin untersucht.

Transgener Wurzelstock - gentechnikfreie Früchte

Am Pillnitzer Institut wird noch ein weiteres Konzept überprüft, wie Apfelpflanzen dazu gebracht werden können, früher zu blühen.

Abb.: Kreuzungsschema
Kreuzung einer transgenen Sorte mit einem Gen für frühe Blüte (gelb) und vielen positiven Merkmalen (grün) mit einer Apfelwildart mit einem Resistenzgen (rosa) und einem hohen Anteil negativer Eigenschaften (braun).
Alle Nachkommen haben zu 50% die ungewollten Merkmale der Wildart im Genom. Ein Viertel aller Nachkommen hat sowohl das Resistenzgen als auch das Transgen (T+R). Diese Nachkommen werden für weitere Züchtungsschritte benutzt.
Am Ende des Zuchtprozesses werden die Nachkommen ausgewählt, die nur das Resistenzgen haben. Die neue Sorte ist absolut frei von transgenen Sequenzen.

Um dieses Konzept zu erklären, muss Henryk Flachowsky weiter ausholen. In den letzten Jahren habe man neue Kenntnisse darüber gewonnen, welche Gene in der Modellpflanze Arabidopsis die Blütenbildung initiieren. Eine entscheidende Rolle spiele dabei das FT (Flowering locus T)-Gen. „Früher hat man geglaubt, dass Hormone diesen Prozess steuern, heute weiß man, dass es ein Protein ist. Das FT-Protein wird in den Blättern gebildet, wahrscheinlich in den Nährstoffleitbahnen der Pflanze nach oben transportiert und führt an der Sprossspitze dazu, dass aus dem vegetativen Meristem ein generatives Meristem wird.“

Im Apfel gibt es entsprechende (homologe) Gene, die dem vermeintlichen „Florigen“ FT aus Arabidopsis sehr ähnlich sind. Die Pillnitzer Wissenschaftler wollen nun Folgendes herausfinden: Wenn man dafür sorgt, dass das apfeleigene FT-Protein im Wurzelstock übermäßig stark gebildet wird, wird es dann in eine aufgepfropfte nicht-transgene Pflanze weitertransportiert? Kann man einen Apfelsämling auf diese Weise schon nach einem Jahr zur Blüte zu bringen, ohne dass der Sämling selbst transgen ist? Wenn es funktioniert, würde sich in der Frucht, wenn überhaupt, nur das apfeleigene Protein finden, aber kein Transgen.

Verschiedene internationale Forschungseinrichtungen wie z.B. die ETH Zürich, aber auch Wissenschaftler aus Neuseeland, Amerika und Italien sind an diesen viel versprechenden Ansätzen aus Pillnitz interessiert.